Jens Schlünzen, unser Whiskyexperte, kennt fast alle Destillerien auf den britischen Inseln, in Skandinavien und Norddeutschland. Zuerst lauscht er den Hirschen, dann stellt er einen Whisky von den schottischen Hebriden vor.
Von Hirschen und „Big Brother“
Heute begeben wir uns auf die schottische Hebriden Insel Jura, die vielleicht den meisten Menschen eher bekannt ist durch die reichhaltigen Wildbestände oder George Orwell als durch Whisky. George Orwell schreib hier in der Abgeschiedenheit vor seinem Tod seinen letzten Roman „1984“, den er 1948 fertigstellte. Die Rotwildbestände gaben der Insel ihren Namen Diùra. Zirka 5000 an der Zahl haben eine deutliche Überzahl zu den ca. 200 menschlichen Bewohnern der Insel. Wenn man auf die Insel möchte und nicht selbst per Segelboot anreist, führt der Weg immer über die westlich gelegene Nachbarinsel Islay, von der dann per Autofähre von Port Askaig übergesetzt werden kann. Um zur Jura Distillery zu gelangen, muss man auf die östliche Seite der Insel zum Hauptort Craighouse. Dort gibt es neben der Destillerie auch einen kleinen Supermarkt, ein Hotel und diverse Palmen. Um die Insel zu erkunden, bin ich mit dem Auto soweit es geht nach Norden gefahren an den Paps, einer Kette von drei Bergen, vorbei und an vereinzelten Häusern, um dann in romantischer Abgeschiedenheit zu landen und den röhrenden Hirschen zu lauschen. Zurück in Craighouse und dem Jura Hotel, um Mittag zu essen, war ich erstaunt, dass kein Wildgericht auf der Speisenkarte zu finden war. Ein Sandwich musste reichen, um mich für den Besuch in der Brennerei zu stärken.
Neues Leben durch Distillery
Die 1810 erbaute Destillerie wurde bereits 1901 geschlossen und verlassen bis 1960. Nach dreijähriger Renovierung floss der Spirit dann wieder 1963 und der Destillerie und der Insel wurden neues Leben eingehaucht. Seit 1993 ist Jura Distillery in Besitz von Whyte & Mackay Ltd. und bringt es mittlerweile auf eine Jahresproduktion von ca. 2 Millionen Litern Alkohol.
Das Portfolio wurde öfter geändert oder ergänzt, 2018 zum letzten Mal, aber der 10jährige Single Malt blieb als Altersstufe immer dabei, auch wenn nicht geschmacklich konstant. Malz- und Fassauswahl veränderten den Geschmack über die Zeit. So ist zum Beispiel jetzt die gesamte Reihe jeweils mit einem kleinen Anteil getorftem Malz versehen, um die Abfüllungen einheitlicher zu gestalten und der torfigen Konkurrenz der Nachbarinsel Islay entgegenzuwirken. Ich persönlich fand die Unterschiede damals zwischen ungetorften und getorften Abfüllungen deutlich interessanter, aber der Jura 10 hat deutlich gewonnen. Deshalb habe ich diesen auch als Verkostungsbeispiel genommen, um die Destillerie geschmacklich vorzustellen.
Bloß nicht mit Wasser verdünnen!
Der Whisky reifte zunächst für lange Jahre in ehemaligen Bourbonfässern aus nordamerikanischer Weißeiche, bevor er zum Abschluss noch eine kurze Zeit in ehemaligen Oloroso Sherry Butts (ca. 500 Liter) verbrachte. Aus dem Nosingglas verkostet bietet er in der Nase Aromen von Malz, Kakao, Karamell, Unterholz, Jod und etwas Rauch. Am Gaumen wirkt er trotz seiner 40% Alkohol recht kräftig und vollmundig und wird schön unterstützend begleitet von leichtem Torf, feiner Würze, angenehmer Süße und Toffee. Zum Teil dringt auch eine leichte Kaffeenote durch, die früher eher mal in älteren Abfüllungen des Juras zu finden waren. Im Nachklang hat er durch die rauchige Note eine gute Länge, die auch den maritimen Aspekt der Insel aufzeigt. Mit etwas Wasser wird dieses sehr stimmige Geschmacksbild deutlich aufgelöst und ich rate davon ab! Der aktuelle Jura 10 ist sehr gelungen und bietet den wohl besten Einblick in die Qualität der Destillerie. Wer mehr verkosten möchte, kann dies mit dem Journey, dem Seven Wood, dem 12er oder dem 18jährigen tun.
Der verkostete Jura 10yo kostet in der 0,7l Flasche ca. 30,- €.
The Isle of Jura Distillery Co.
Craighouse
Isle of Jura PA60 7XT
Vereinigtes Königreich
