Jens Schlünzen ist Whiskyexperte und kennt fast alle Destillerien auf den britischen Inseln. Er kennt aber auch den Whisky, der aus norddeutschen Destillerien stammt. Der besten stellt er uns vor. Der erste Whisky kommt von der Ostsee und ist cool wie kuling.
Der erste Whisky, den ich beschreiben möchte, stammt aus der Isarnhoe Destillerie in Altenhof. Die aktuelle Abfüllung ist der „kuling“, ein Roggenwhisky mit ca. 25 % Anteil Gerstenmalz. Damit er nicht einfach nur ein Whisky ist wie andere, hat Ralf Stelzer dem Destillat seinen nordischen Stempel aufgedrückt. Zunächst einmal hat Ralf, ein ehemaliger Schmied, seine Brennanlage nach eigenen Vorstellungen selbst gefertigt und anfangs Gin, Akvavit und Obstbrände destilliert. Nachdem er 2012 die Genehmigung für eine Verschlussbrennerei bekam, konnte dann die ersehnte Whiskyherstellung beginnen. Das Getreide kommt natürlich aus der Region und auch bei der Fassauswahl kam ein regionaler Aspekt hinzu. Das Rotweinfass für den „kuling“ kommt zwar nicht aus der Region, wurde aber das letzte Jahr, bevor das Destillat Einzug erhielt, mit Honigwein gefüllt. Vier Jahre verbrachte der Roggenbrand dort, bevor er dann unverdünnt in Fassstärke mit 60,5% Alkohol abgefüllt wurde. Das klingt für den „normalen“ Whiskytrinker erst einmal nach einer starken Herausforderung und vorherige Whiskys der Destillerie wurden auch reduziert auf einen Alkoholgehalt von 46 oder 55 Prozent. In diesem Fall jedoch ist die Chance für den Genießer da, den Whisky selbst mit Wasser auf verschiede Alkoholstärken zu trimmen, je nach Gusto.
Wie Pumpernickel
Zunächst habe ich ihn ohne Wasser aus einem Nosingglas verkostet, um das volle Paket zu erhalten. Das erste Riechen lässt sofort die geschmacksgebenden Komponenten zum Vorschein kommen. Die Frucht und die Würze des Roggens sind vorhanden, die Aromen des ehemaligen Weinfasses folgen und getreidige Noten, die sich meist dezent als Gummi darstellen, sind auch da. Ja, Gummi. Ein sensorischer Fachbegriff bei Getreide. Einfach mal bei der Getreideernte dem Mähdrescher hinterherlaufen und tief einatmen.
Doch zurück zum Whisky. Nach den beschrieben Geruchskomponenten macht sich dann ganz leicht der Alkohol bemerkbar. Beim ersten Schluck ist dann der starke Alkoholgehalt nicht zu leugnen. Er trägt aber sehr schön die Süße und die Würze des Roggens. Er wird leicht trocken und so wirkt der Nachklang etwas kurz, trägt aber schön die Aromen des Weinfasses und des Mets. Mit ein paar Tropfen Wasser „verdünnt“ werden Würze und Süße verstärkt. Erhöht man den Wassergehalt mehr und mehr, nimmt der Einfluss des Getreides immer weiter zu. Die Süße schwindet und der Whisky wird herber. Eine leicht säuerliche Note vermittelt die Vorstellung von Schwarzbrot. Und tatsächlich, wenn man paar Tropfen des unverdünnten Whiskys zwischen den Händen verreibt und dann riecht, bekommt man den Eindruck, dass eine Scheibe Pumpernickel mit Weingelee vor einem auf dem Teller liegt. Ralf ist mit dem „kuling“ ein wahrer Roggenwhisky gelungen. So schmeckt der Norden an der Ostseeküste.
Was nachzutragen bleibt, wie es zum Namen kam: Andrea Stelzer erzählt, dass der Name aus dem skandinavischen Sprachraum kommt und Bezeichnung für eine Windböe, für stärkeren Wind ist. Und da sie gerne in Dänemark unterwegs sind und ihr kuling auch Ecken und Kanten hat, bot sich der Name an. Cool, besser kuling. Ich wünsche allen viel Spaß beim Nachverkosten.