Jens Mecklenburg

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Labskaus

Ein Mythos erobert den Norden
1. Mai 2023

Der nahrhafte Kartoffelbrei mit gepökeltem Fleisch steht für eine vergangene Seefahrtepoche, eine raue maritime Männerwelt und einen romantisierenden Rückblick auf diese Zeit. Labskaus findet sich bis heute vor allem an Orten, wo es Häfen, Seeleute und die Hanse gab. Der Legende nach soll Labskaus schon vor Jahrhunderten auf Segelschiffen gegessen worden sein.

Es wird erzählt, ein einfallsreicher Schiffskoch habe Pökelfleisch durch den Wolf gedreht und mit anderen Zutaten wie Schiffszwieback zu Brei verkocht, weil viele Matrosen an Skorbut erkrankt und deshalb zahnlos waren. Der Fleischwolf aber wurde erst Mitte des 19. Jahrhunderts erfunden. Richtiges Seemannsgarn ist die Theorie, nach der Labskaus entstand, als es einem Smutje in seiner Kombüse bei schwerem Sturm nicht mehr möglich war, etwas Vernünftiges zu kochen. Also nahm er alles, was er finden konnte, und mixte es zu einem herzhaften Brei, der so gut in der Schüssel, auf dem Teller oder an den Löffeln klebte, dass man ihn auch noch bei hohem Wellengang verzehren konnte. Ein etwas rauer Matrosenspruch lautete: »Alles, was der Seemann im Laufe der letzten Woche verloren hat, findet sich im Labskaus wieder«. Die heutigen Konservierungs- und Kühlmöglichkeiten standen im Segelschiff-Zeitalter nicht zur Verfügung. Deshalb gehörten zum Schiffsproviant vor allem Gepökeltes, Eingewecktes und andere lang haltbare Lebensmittel. Viele Seeleute hatten durch die Mangelkrankheit Skorbut ihre Zähne verloren und aßen nur noch Kleingehacktes oder Püriertes. Mancher Schiffskoch konnte die Verwendung von minderwertigen oder schon verdorbenen Zutaten so kaschieren.

Die eigentliche Entstehungsgeschichte dieses Grundnahrungsmittels für Seefahrer und Küstenbewohner beginnt aber viel früher. »Lobscouse« wurde 1706 von dem englischen Autor und Satiriker Ned Ward erstmals erwähnt. 1878 feierte das Labskaus in einem seemännischen Wörterbuch seine deutschsprachige Premiere. Der Ursprung des Wortes »Labskaus« ist unbekannt. Es gibt zahlreiche Deutungen, die aber alle erst aus dem 19. Jahrhundert stammen. Mit vermutlich englischem Ursprung von lobscouse entlehnt, wurde es möglicherweise über lout’s course vom dialektalen lob’s course mit der Bedeutung »Speise für derbe Männer oder Flegel« entwickelt. Eine andere Variante stammt vom Fleischstück Lappen, das heißt dem Bauchlappenstück des Rindes, und dem Hinzufügen von Kaus für niederdeutsch »Schüssel, Schale«.


Nach anderer Quelle soll der Begriff aus dem Norwegischen für »leicht zu Kauendes« stammen. Möglich erscheint auch eine Herkunft aus dem Baltikum: Die Ausdrücke labs kauss in der lettischen bzw. labas kaušas in der litauischen Sprache bedeuten jeweils »gute Schüssel«. Man weiß also nichts Genaues.


Aber Labskaus gibt es wirklich und – darüber ist sich die Labskaus-Wissenschaft einig – hat seinen Ursprung in den Kombüsen und ihren kulinarischen Widrigkeiten vergangener Jahrhunderte. Kaum ein Gericht steht so für den Norden wie Labskaus. Wer Labskaus versteht, verstehe den Norden und seine Menschen. Wer hätte gedacht, dass in einem einfachen „Mischmasch-Gericht“ so viel Geschichte(n), Sehnsucht, Poesie und Geschmack stecken kann. 



Labskaus-Gedicht eines unbekannten Seemanns 

Was wäre am Ende, lieber Gott, 

die ganze Seefahrt wert, 

ständ nicht zuweilen so ein Pott mit Labskaus auf dem Herd. 

Und fragt man einen Seemann mal, 

ob Labskaus oder Kuss, 

ruft er: „Hier gibt es keine Wahl, 

ich bin für beides, Schluss!“

Die Zeichnungen stammen vom Hamburger Illustrator Till Lenecke


Ein Podcast über Labskaus und norddeutsche Küche:

 

Jens Mecklenburg & Gabriele Haefs

Mit Illustrationen von Till Lenecke

Mythos Labskaus. Eine kulinarische Kulturgeschichte

Band 1 der „Edition Nordische Esskultur“

KJM Verlag, 140 Seiten, Softcover, 20 Euro

 

Hier bekommt man das Buch

 

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