Jens Mecklenburg

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Von Bismarckhering & Rollmops

Die richtigen Beilagen für Labskaus
19. September 2023

Labskaus ist bekanntlich eine handfeste Angelegenheit, sein Name ist Programm. Die Bezeichnung für das Gericht ist seit Anfang des 18. Jahrhunderts bekannt, kommt aus dem englischen losbs-course und bedeutet ungefähr „Speise für derbe Männer“. Das Gericht für Seefahrer und Matrosen – später entdeckten es auch „Landratten“ für sich – stammt aus der Zeit der großen Segelschiffe, als die Auswahl an Lebensmitteln, die als Proviant mitgenommen werden konnten, mangels Kühlanlagen äußerst begrenzt waren. Seine Wesenszüge bestehen in Norddeutschland aus gepökeltem Rindfleisch (manchmal auch Schweinefleisch), Kartoffeln, Zwiebeln, Salzgurken und – darüber wird bis heute im Norden gestritten – Bismarckhering oder Rollmops.

Was hat es mit den beliebten fischigen Labskaus-Beilagen auf sich? Eine kleine Kulturgeschichte. 

Bismarckhering

Eigentlich war er zeitlebens hungrig. Mal stillte er seinen Hunger mit Krieg, mit „Blut & Eisen“. So verschlang er zum Beispiel 1864 gemeinsam mit Österreich die Herzogtümer Schleswig, Holstein und Lauenburg vom dänischen Esstisch. Immer stillte er seinen Hunger mit reichlich gutem Essen und Alkohol. Um Bismarcks zügellosen Appetit und Durst ranken sich zahllose Geschichten und Anekdoten. Zeugen einer Tafelrunde wollen 150 verschlungene Austern bei einem Mahl gezählt haben. Die für eine solide Eiweißvergiftung gereicht haben dürften. 5000 Flaschen Champagner soll er nach eigenen Angaben in seinem Leben getrunken haben. Aber auch Bier und guter französischer Wein war der Reichskanzler nicht abgeneigt. Seinem Leibarzt zufolge gehörten 16 Eier zu einem alltäglichem Bismarck-Frühstück und anschließend gab es noch ein paar Gläser Portwein, um sein „Blut in Wallung“ zu bringen. Nun, die heutigen Kanzler und Kanzlerinnen sind da deutlich bodenständiger und bescheidener.

Wenn Kanzlerin Angela Merkel Staatsgästen ihren Wahlkreis zeigte, landeten sie immer in Stralsund und da gibt es Saures: wird Bismarckhering serviert. 

Aber was hat Stralsund mit dem Bismarckhering zu tun? Und wie kam dieser zu seinem Namen?

Viele Legenden ranken sich um den Namen des sauer eingelegten Heringsfilets und eine kommt aus Stralsund. 

Dort lebte in der Mitte des 19. Jahrhunderts ein Geschäftsmann namens Johann Wiechmann. Und der war nicht nur tüchtig, er hatte auch noch Glück.

Tausend Goldmark gewann er in einer Lotterie und die investierte er in die Gründung einer Fischkonservenfabrik. Seine Frau Karoline hatte die Idee, Heringe in einen sauren Aufguss einzulegen und sie in Holzfässchen zu verschicken.

Johann Wiechmann war ein großer Verehrer Otto von Bismarcks. Um seiner Verehrung Ausdruck zu verleihen, wollte er seinem Idol ein Geburtstagsgeschenk machen. Also schickte er dem Fürsten ein Fässchen eingelegter Heringe. Bismarck bedankte sich artig in einem persönlichen Schreiben. Nach der Reichsgründung 1871, von nationalen Gefühlen übermannt, schickte Wiechmann ein zweites Fass an Bismarck, der nun Kanzler des Deutschen Reiches war.

Doch dieses Mal war es nicht nur der Patriot Wiechmann, sondern auch der Geschäftsmann, der an den Kanzler schrieb. Ob er in Zukunft diese Spezialität unter dem Markennamen „Bismarckhering“ verkaufen dürfe, lautete die „untertänigste“ Bitte. Der Kanzler gab angeblich handschriftlich sein Einverständnis. Schade nur, dass sich das nicht beweisen lässt. Wurde das angebliche Schreiben Bismarcks bei einem Bombenangriff auf Stralsund im Oktober 1944 Opfer der Flammen.

Andere Zeitzeugen wissen hiervon zu berichten: Während eines Frontbesuchs im deutsch-dänischen Krieg 1864 aß Bismarck bei einem Wirt in Flensburg zu Mittag. Den Hering des Wirtes soll der Reichskanzler besonders gelobt haben. Von da an führte der Wirt den Fisch als „Bismarck-Hering“ auf seiner Karte.

Oder gab das Zitat von Bismarck „Wenn der Hering so teuer wie der Hummer wäre, gälte er mit Sicherheit in den höchsten Kreisen als Delikatesse“ dem Hering seinen Namen? Vielleicht ist die Namensgebung auch auf die Stadt Bismark in der Altmark zurückzuführen? Oder auf seinen Hausarzt, der ihm aus gesundheitlichen Gründen empfohlen hatte, möglichst viel Hering zu essen.

Wie dem auch sei. Wem nach eigener Aussage ein gutes Glas Rotwein wichtiger war als 30 Seiten Weltgeschichte, dem gereicht es wohl zur Ehre, wenn man seiner in Form einer Labskausbeilage gedenkt.

Rollmops

Seinen Ursprung soll der Rollmops in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gehabt haben, als man in der Biedermeier-Zeit Form und Aussehen des Rollmopses mit der Form der Hunderasse Mops assoziierte. Dabei ist der Mops dem Hering nun wirklich nicht ähnlich, auch nicht gerollt. Vielleicht wollte man zum Ausdruck bringen, dass ein Mops keine Ähnlichkeit mit Hunden hat und ein Rollmops nicht mit einem Hering? Überzeugt aber auch nicht, da zumindest beim Rollmops – Heringslappen halbiert, um ein Stück Gurke gewickelt, mit einem Zahnstocher durchbohrt und mit ein paar Gewürzen in einem Glas aufbewahrt – der Fisch noch eindeutig zu erkennen ist. 

Der Rollmops gilt ja als Spezialität der Berliner Küche und soll in Berlin erfunden worden sein. Dies mag als Erklärung reichen.

Was ist aber nun genau ein Rollmops? Es sind in Essig und Salz eingelegte Heringslappen. Die von Kopf, Flossen (mit Ausnahme der Rückenflosse), Gräten und Innereien befreiten Heringslappen werden dazu viele Tage in einer Lake aus Essig und Salz als saure Marinade eingelegt; Das Innere der Rolle wird üblicherweise mit einem Stück saurer oder Gewürzgurke und manchmal auch Zwiebel gefüllt. 

Nun hat der Rollmops bis heute (leider!) ein kleines Image-Problem. Viele glauben, man könne ihn nur nach durchzechten Nächten essen. Dabei ist er gesund, nahrhaft und kann wunderbar schmecken.

Hering hat ein dankbares Fleisch, es adaptiert fremde Aromen mit großer Gefügigkeit. Selbstgemachter Rollmops hat absolut nichts mit den imageschädigenden Fertigprodukten aus den Supermarktregalen zu tun, die den Möpsen mit Saccharin und Natriumglutamat zusetzen. Es sei versichert: Selbstgemachter Rollmops kann eine wahre Delikatesse sein und lindert nicht nur den Kater beim Frühstück. Er ist und bleibt ein perfekter Begleiter zum Labskaus.

Jens Mecklenburg & Gabriele Haefs

Mit Illustrationen von Till Lenecke

Mythos Labskaus. Eine kulinarische Kulturgeschichte

Band 1 der „Edition Nordische Esskultur“

KJM Verlag, 140 Seiten, Softcover, 20 Euro

 

Hier bekommt man das Buch

 

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