Jens Mecklenburg

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Amrumer Inselgeschichten

Die Abenteuer des Hark Olufs
12. Oktober 2024


Vielen gilt Amrum als die schönste Nordseeinsel, weil sie auf engstem Raum ein ungewöhnlich vielfältiges Landschaftsbild bietet. Doch Amrum hat viel mehr zu bieten als schön gelegene Inseldörfer, eine herrliche Dünenlandschaft und den endlos breiten Kniepsand. Die schöne Nordseeinsel bietet spannende Geschichten und hat so einige Persönlichkeiten hervorgebracht. Wie den Schiffsjungen Hark Olufs (1708 bis 1754), der nach einem abenteuerlichen Leben zum Reichsten der Insel werden sollte.
 

© Ingo Wandmacher

Wer sein Glück finden wollte fuhr zur See

Die Insel war über Jahrhunderte arm. Wer sein Glück finden – und Geld verdienen wollte – fuhr zur See. Kapitäne und Mannschaften von den Inseln und Halligen Nordfrieslands waren begehrtes Personal in den Flotten Europas. Die Männer gingen Saison um Saison fort, fuhren bis in die Arktis und ins ferne Asien. Sie wurden Ostindienfahrer oder Kommandeure von Walfangflotten. Manche wurden wohlhabend und kehrten heim, andere erfroren, ertranken oder starben an tropischem Fieber. Romantik war nicht vorgesehen. Die Amrumer wussten, dass Seefahrt auch Lebensgefahr bedeutet. Wer Rang und Namen hatte, Glück im Leben und genug Geld, der bekam auf der Insel ein ehrendes Andenken – und einen besonderen Grabstein: Der Friedhof, der alte „reguläre“, von Nebel neben der St. Clemens Kirche ist einer der außergewöhnlichsten Deutschlands – hier stehen 170 historische Grabsteine, die Geschichten erzählen. Lebensgeschichten. Und die spannendste, unglaublichste und verrückteste dieses steinernen Geschichtsbuches von St. Clemens ist die von Hark Olufs:


Vom Sklaven zum General

Geboren wurde Hark Olufs im Sommer 1708 in Süddorf, sein Geburtshaus steht noch heute. 1721 wurde er Matrose auf einem der Schiffe seines Vaters, es trug den Namen „Hoffnung“ – und diese gab Olufs wohl nie auf. Zwischen Hamburg und Nantes wurde er drei Jahre später im Ärmelkanal von Seeräubern gefangen genommen und mitsamt Schiff und Mannschaft nach Algier verschleppt. Die Familie konnte die von den Sklavenhändlern geforderte Summe zum Freikauf nicht aufbringen, auch die dänische Sklavenkasse lehnte Unterstützung ab, da die „Hoffnung“ unter Hamburger und nicht unter Dänischer Flagge fuhr, so musste ein Kredit aufgenommen werden. Der Freikauf blieb erfolglos, da versehentlich an Stelle von Hark Olufs ein Bremer Seemann mit ähnlichem Namen freigelassen wurde.
 

© Ingo Wandmacher

Hark Olufs wurde auf dem Markt von Algier verkauft und landete beim Bey von Constantine, dem Statthalter dieser damaligen osmanischen Provinz.

Dank seiner Tüchtigkeit und Sprachbegabung – Hark lernte sehr schnell Arabisch und Französisch – gelang ihm eine bemerkenswerte Karriere. Schon nach dreieinhalb Jahren wurde Hark Olufs Schatzmeister seines Herrschers und hatte als solcher zahlreiche Vergünstigungen. So gehörten zum Beispiel der Besitz von Kamelen, Schafen, Ländereien und die Arbeitskraft von zwei Schreibern zu seinen neuen Vorrechten. Nach weiteren vier Jahren stieg er zu einem Kommandeur in der 500 Mann starken berittenen Leibgarde des Beys auf und war an einigen erfolgreichen Scharmützel mit benachbarten Fürsten verwickelt. Olufs konvertierte zum Islam, was ihm seine Karriere erst ermöglichte. 1735 wurde Hark Olufs von seinem Bey, wohl auch als Dank für seine militärischen Verdienste, freigelassen und kehrte ein Jahr später in Generalsuniform nach Amrum zurück. Dort begegnete ihm, dem nun Wohlhabenden und Muslim, nicht nur Freude, sondern auch Misstrauen. Erst nach Rekonvertierung zum Christentum, Konfirmation und Heirat wurde er endgültig wieder in die Gemeinschaft der Insulaner aufgenommen. Olufs starb im Alter von nur 46 Jahren auf seiner Insel – beigesetzt auf dem Kirchhof von St. Clemens in Nebel. Wer den Friedhof von Nebel betritt, findet die sprechenden Steine auf der linken Seite wie eine Allee aufgereiht. Man kann hier viel Zeit verbringen, und sich die Geschichten auf den restaurierten Steinen anschauen. Hark Olufs Stein erkennt man an der eingemeißelten Krone und dem Schwert, mit Köcher, Pfeil, Bogen und Trompeten.

Ganz zu Ende ist diese Geschichte aber noch nicht: Einer Sage nach soll sich sein Geist in den Nächten zwischen dem Friedhof in Nebel und seinem Haus in Süddorf herumtreiben. Ein mutiger Mann fragte den Geist, warum er umherirre. Er habe seinen Hinterbliebenen nicht verraten, wo er seine Schätze versteckt habe und bat den Mann, seinen Kindern mitzuteilen, dass die Schätze unter der Schwelle der Hauseingangstür versteckt seien – und tatsächlich sollen dort reichlich Münzen gefunden worden sein. Und der rastlose Olufs hatte endlich seine Ruhe und ward nie wieder gesehen. Seine abenteuerliche Geschichte blieb aber bis heute lebendig. Auf einer Insel voller Mystik und Magie.

Tipps:

Die Abenteuer von Hark Olufs erzählt eine Dauerausstellung im Naturzentrum in Norddorf. Der Eintritt ist frei, es wird um eine Spende gebeten.

Udo Weinbörner: Der General des Bey. Das abenteuerliche Leben des Amrumer Schiffsjungen Hark Olufs. Horlemann Verlag, 336 S.,TB, 12.95 Euro.

Der lesenswerte Abenteuerroman basiert auf der Lebensgeschichte von Hark Olufs.

www.naturzentrum-amrum.de, www.amrum.de, www.nordseetourismus.de

© Kai Quedens