Foodtalker Boris Rogosch besucht Vilnius und verliebt sich in die Stadt, Ihre Menschen, Kultur und ihre Küche. So schmeckt Vilnius.

72 Stunden in Vilnius, der Hauptstadt Litauens – und am Ende steht eine kleine Verliebtheit. In die Bauten und Gassen der Altstadt, in die Gastfreundschaft, die Atmosphäre der Stadt, in die Mischung aus Geschichte, Gegenwart und kulinarischer Zukunft. Und vor allem: in das Essen.
Die Reise beginnt mit einer groben Vorstellung und vielen Tipps – viele davon von Denise Wachter, die nicht nur zur Reise inspiriert, sondern auch ein Kochbuch über die Küche von Vilnius und Litauen geschrieben hat. Gemeinsam mit ihr geht es um alte Rezepte, wilde Wälder, große Teller und kleine Geschichten – und um die Frage, warum Vilnius kulinarisch gerade ganz leise ganz groß wird.
Vilnius schmeckt für Denise Wachter, die litauische Wurzeln hat, nach Pfifferlingen aus dem Wald, nach saurer Sahne auf Kartoffelklößen, nach fermentierten Stachelbeeren, Rhabarberwein, frischem Roggenbrot – und nach Šaltibarščiai, jener pinken Suppe, die mehr ist als nur ein Gericht: ein Lebensgefühl.

Die moderne Szene zeigt sich vielfältig und mutig. Alte Klassiker stehen neben Küchen, in denen junge Chefs und Chefinnen ihre Handschrift finden und die baltische Küche neu denken.
Im Nineteen18, angesiedelt im architektonisch wunderschönen Senatorių Pasažas, überrascht Küchenchef Andrius Kubilius mit puristischem, regionalem Fine Dining – ohne große Show, dafür mit viel Tiefe.
Im Demo (Demolloftas) erzählt Tadas Eidukevičius hintergründige Geschichten zu jedem Gang – zubereitet mit litauischen Produkten, durch internationale Techniken zum Erlebnis gemacht.
Und im Pas Mus wird Vita Bartininkaite zur Botschafterin litauischer Produkte – was sie mit Natur, Geduld und Geschmack auf den Teller bringt, ist außergewöhnlich. Alle drei Restaurants wurden 2024 verdientermaßen mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet.

Doch auch abseits der Sterne lässt sich viel entdecken. Etwa im traditionellen Lokys, wo in dicken Steinwänden Pilzsuppe, Wildschwein und Kirschwein serviert werden. Oder im puristisch-stylischen Augustin, wo Blumenkohl und Kohlrabi wie kleine Gedichte schmecken. Und auf dem Halės Markt, wo zwischen Wurstständen, Eingelegtem, Gemüse und Streetfood echtes Leben pulsiert. Hier gibt es eingelegte Gurken, fermentierten Kohl – und natürlich Cepelinai, die traditionellen, mit Fleisch gefüllten Kartoffelknödel, serviert mit saurer Sahne und Speck mit Zwiebeln.
Ein besonderer Stopp ist das Baleboste – ein koscheres Lokal mit Pastrami-Bagels, Lachs, Hummus, gefilte Fisch nach alten Rezepten und einer Atmosphäre, die sofort einnimmt. Herzliche Menschen, ehrliche Küche, voller Geschichte. Es heißt, der Bagel sei in Vilnius erfunden – zumindest wurde er hier erstmals schriftlich erwähnt. Und man glaubt es gern, wenn man ihn hier probiert.
Süß wird es bei Konrado Cukrainė – einer Café-Konditorei mit nostalgischem Flair, Baumkuchen, Mohngebäck, Honigtorte und dem „kalten Hund“, dieser wunderbar altmodischen Schokoladen-Keks-Spezialität. Alles dort im besten Sinne handgemacht.

Auch die Bierszene ist spannend: In der Alaus Biblioteka, der Bierbibliothek von Vilnius, trifft man auf Tomas Josas, Bierspezialist und Gastgeber zwischen über 300 Sorten. Hier zeigt sich, wie vielfältig, eigenständig und traditionsreich Litauens Braukultur ist – ein Ort, an dem Bier nicht nur getrunken, sondern erzählt wird.
Übernachtet wird im Hotel Narutis, direkt in der Altstadt. Ein wunderschönes, altes Haus mit modernem Komfort und Blick über die Dächer von Vilnius – ruhig, stilvoll, perfekt gelegen. Alles in der Altstadt ist von hier aus fußläufig erreichbar: Restaurants, Cafés, Märkte. Denn das ist das Schöne an Vilnius – man kann diese Stadt nicht nur erschmecken, sondern auch wunderbar erlaufen.
Diese Reise ist mehr als ein Reisebericht. Sie ist eine Einladung. Eine Hommage an eine Stadt, die sich nicht laut aufdrängt, aber lange bleibt. Vilnius ist dabei, sich kulinarisch neu zu erfinden – mit Gefühl, mit besonderen Charakteren, mit großem Respekt vor dem, was war. Und vielleicht ist genau jetzt der richtige Moment, um sie zu entdecken – bevor es alle tun.
Über Vilnius
Vilnius ist die Hauptstadt Litauens und mit rund 600.000 Einwohnern das politische, wirtschaftliche und kulturelle Zentrum des Landes. Die Stadt liegt im Südosten Litauens an den Flüssen Neris und Vilnia, die sich in der Altstadt vereinen. Vilnius ist bekannt für seine außergewöhnlich gut erhaltene Altstadt, in der Baustile wie Gotik, Renaissance, Barock und Klassizismus aufeinandertreffen. Seit 1994 zählt sie zum UNESCO-Weltkulturerbe und gilt als eine der größten historischen Altstädte Osteuropas. Die Stadt vereint mittelalterliches Flair mit modernen urbanen Impulsen, einer jungen Kreativszene und einer aufstrebenden Gastronomie, die regionale Traditionen neu interpretiert. Ihre multikulturelle Geschichte spiegelt sich bis heute in Architektur, Küche und Stadtbild wider.

Weitere Infos
Denise Snieguole Wachter Kochbuch VILNIUS
Nineteen18 (Senatorių Pasažas)
Demo (Demolloftas)
Paupys Markt (Paupio Turgus)
Die pinke Suppe und das Fest in Vilnius
Die „pinke Suppe“ – auf Litauisch Šaltibarščiai – ist eine der bekanntesten und beliebtesten Spezialitäten Litauens. Sie gilt nicht nur als klassisches Sommergericht, sondern ist mittlerweile auch ein kulturelles Symbol der Stadt Vilnius. So sehr, dass sie sogar zum Mittelpunkt eines ganzen Festivals geworden ist.
Am 31. Mai findet in Vilnius das Pinke Suppe-Fest statt – ein humorvoll inszeniertes Event, bei dem sich die gesamte Stadt in Pink kleidet. Restaurants bieten kreative Variationen der pinken Suppe an, darunter sogar pinkes Suppe-Eis oder ein pinker Latte Macchiato. Straßen, Schaufenster und sogar Menschen erstrahlen in Rosa. Merchandise wie pinke Socken mit Suppenmotiv sind ebenso Teil des Spektakels. Die Stadt hat sich dieses ikonische Gericht als kulinarisches Aushängeschild zu eigen gemacht – mit Erfolg.
Ursprünglich hat die pinke Suppe ihren Ursprung in der litauischen Hausmannskost. Vermutlich von den Tataren eingeführt, wurde die klassische kalte Joghurtsuppe mit roter Bete, einem in Litauen tief verwurzelten Gemüse, angereichert. Im Laufe der Zeit entwickelten sich bis zu 30 verschiedene Varianten – mit Kefir, fermentierter Bete, Wildkräutern, Flusskrebsen oder sogar Fleisch. Heute ist die Suppe das ganze Jahr über erhältlich, am beliebtesten aber im Sommer – serviert mit heißen Kartoffeln.


Rezept für Šaltibarščiai (Pinke Suppe)
Zutaten (für 4 Personen):
- 500 g gekochte rote Bete, geraspelt oder klein gewürfelt
- 1 Liter Kefir (alternativ: Buttermilch oder Naturjoghurt)
- 200 ml saure Sahne
- 1 Salatgurke, gewürfelt
- 4 Frühlingszwiebeln, in feine Ringe geschnitten
- 1 kleines Bund frischer Dill, fein gehackt
- 4 gekochte Eier, halbiert oder geviertelt
- Salz und Pfeffer zum Abschmecken
- Optional: Zitronensaft oder ein Schuss Essig für mehr Frische
- Beilage: frisch gekochte, warme Kartoffeln
Zubereitung:
- Die gekochte rote Bete fein reiben oder klein schneiden.
- In einer großen Schüssel den Kefir mit der sauren Sahne glatt rühren.
- Die rote Bete, Gurken, Frühlingszwiebeln und den Dill unterheben.
- Mit Salz, Pfeffer und ggf. etwas Zitronensaft oder Essig abschmecken.
- Die Suppe gut kühlen – idealerweise einige Stunden im Kühlschrank, damit sich die Aromen verbinden.
- Gekochte Eier in die Suppe geben oder beim Servieren auflegen.
- Zusammen mit heißen Salzkartoffeln servieren.
Diese Suppe vereint das Herz der litauischen Küche – erdig, frisch, cremig, einfach und dennoch raffiniert. Ein Stück Tradition in leuchtendem Pink – und ein Genuss, der auch über Vilnius hinaus immer mehr Fans findet.
Weitere Rezepte findet man im Kochbuch „Vilnius“ von Denise Wachter.
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