Gabriele Haefs

Autorin

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Ganz Wales auf einer Insel erleben

Von Druiden, Heilerinnen, Porree und Toffee
24. März 2021

Zugegeben, das ist ein bisschen übertrieben, so würzigen Lavendel wie auf Caldey gibt es hier nicht, aber dennoch, diese Insel hat alles, hohe Berge, breite Strände, tiefe Täler, wunderbare Kneipen, geheimnisvolle Gräber, nirgendwo außerhalb von Irland stehen so viele Oghamsteine in der Gegend herum, fast überall wird Kymrisch gesprochen, es gibt köstliches Lobsgaws (Labskaus). Die Rede ist von Anglesey oder Ynys Môn. Wie bedeutend diese Insel, die offenbar einst das Hauptquartier der Druiden war, einmal gewesen sein muss, zeigt sich daran, dass die Stadt Caernarvon, heute ein wichtiger zentraler Ort auf dem walisischen Festland, wo in der Burg der jeweilige Prince of Wales in sein Amt eingeführt wird, ebenso heißt: „Stadt gegenüber von Môn“.

Ynys Môn. © Alan Denney/ flickr. CC BY-NC-SA 2.0

Der Prince of Wales kann uns hier egal sein, aber für alle mit Interesse an höfischem Klatsch kann erwähnt werden, dass der älteste Sohn des derzeitigen Fürsten von Wales einige Jahre auf Ynys Môn gelebt hat. Damals war Prinz William frisch vermählt mit Catherine und hieß offiziell William of Wales (weil die Royals im Alltag keinen bürgerlichen Nachnamen benutzen, sondern eben einen Titel, und der junge William hatte noch keinen). Dann wurde er zum Herzog von Cambridge ernannt und verließ Ynys Môn. Wenn sein Vater irgendwann doch König wird, wird William Fürst von Wales und kehrt vielleicht zurück, wer weiß? Ob er inzwischen Kymrisch gelernt hat, wissen wir leider auch nicht.

Es gibt so viel über Ynys Môn zu erzählen, es wäre leicht, 111 Gründe vorzustellen, aus denen man diese Insel lieben muss. Die meisten Reisenden fahren aber einfach durch, auf dem Weg nach Irland oder von Irland, denn die Fähre nach Dublin bzw. Dun Laoghaire geht von der Ynys Môn vorgelagerten Insel Holy Island ab, wo der Hafen Holyhead liegt. Und die Reisenden wollen eilig weiter, entweder auf die Fähre oder aufs Festland, die Lust, in Wales zu verweilen, stellt ich immer erst ein, wenn eine gewisse Entfernung zurückgelegt worden ist.

Man merkt, das muss nun gleich gesagt werden, oft nicht so ganz, dass man sich auf einer Insel befindet. Ynys Môn ist 714 kmgroß und damit nach der Isle of Man die zweitgrößte britische Insel. Vom restlichen Wales aber ist sie nur durch die Straße von Menai getrennt, und die ist arg schmal, eher wie ein breiter Kanal, bei den ersten Besuchen auf Ynys Môn fährt man über eine Brücke und wartet gespannt darauf, dass endlich die Insel auftaucht. Nach ungefähr einer halben Stunde begreift man dann doch, dass man schon längst dort ist. Noch besser getarnt, was das Inseldasein angeht, ist Holy Island, da ist man plötzlich in Holyhead, und wenn man vorher nicht wusste, dass man abermals auf eine neue Insel überwechseln muss, wird man es nie erfahren.

Ynys Môn ist also reich an Sehenswürdigkeiten, und da wir nicht wussten, wo wir überhaupt anfangen sollten, haben wir eine hilfsbereite Insulanerin um Tipps gefragt. Die Dichterin und Theatermacherin Ness Owen schlägt vor, erst einmal dem Wanderweg zu folgen, der um die ganze Insel herumführt, allerdings ist der ziemlich lang mit seinen ca. 200 km. Und da sei vielleicht ein Aufenthalt an einem der vielen Strände angenehmer? Bei gutem Wetter kann man baden oder einfach herumliegen und ein Buch über walisische Geschichte lesen, es gibt auf der ganzen Insel wunderbare Strände, aber die schönsten sind auf Ynys Gybi, was der kymrische Name von Holy Island ist.

Heilige heilt Irrsinn

Ein weiterer Lieblingsort sind die beiden Felsbögen Bwa Gwyn und Bwa Du (was einfach Weißer Bogen und Schwarzer Bogen bedeutet), zwei riesige vom Meer geschaffenen Felsbögen, einer ist weiß, einer schwarz. Sie sind allerdings schwer zu finden, wenn man den Weg nicht kennt, kann man sie leicht übersehen.

Der Bwa Gwyn besteht aus schwer verwittertem Quarzgestein, früher wurde dort Tonerde zur Porzellanherstellung abgebaut, der Weg auf die Oberseite des Bogens ist vorhanden, aber die Begehung ist nur für Schwindelfreie zu empfehlen, es geht sehr steil nach unten und kann durchaus gefährlich sein, zumal das Gestein durch die starke Verwitterung eben arg rissig ist.

Der ganz in der Nähe gelegene Bogenzwilling, der Bwa Du, sieht unheimlich aus, weil er eben schwarz ist und tief in die Felsen hineinführt, man kann sich gut vorstellen, wie irgendein Druide hier ganz besonders geheime Beschwörungen vorgenommen hat. Aber auch hier waren dann die in Wales so emsigen Heiligen am Werk, und so liegt ganz in der Nähe der Brunnen Ffynnon Wenfaen, St. Gwenfaens Brunnen. Die Heilige Gwenfaen war eine Einsiedlerin, die im 6. Jahrhundert hier lebte, Ruinen einer uralten Kirche sind noch vorhanden, und eben der Brunnen. Zu ihren Lebzeiten stand Gwenfaen im Ruf, Geisteskrankheit heilen zu können. Die Druiden von Ynys Môn waren begreiflicherweise nicht entzückt von dieser christlichen Konkurrenz und beschlossen, Gwenfaen von ihrer Insel zu vertreiben. Doch Gwenfaen kletterte einfach auf den nächstgelegenen Felsen, hob die Hände – und Engel kamen und trugen sie davon. Das stärkte natürlich Gwenfaens Ruf als Wundertäterin noch weiter. Nach ihrem Verschwinden wurde der Brunnen deshalb zum Wallfahrtsziel, angeblich funktioniert das noch heute: Wenn man einen schönen Quarz mitbringt (besonders gut macht sich ein Rosenquarz) und in den tiefen Brunnen fallen lässt, wird man angeblich jeglichen Irrsinn verlieren. Am Tag der heiligen Gwenfaen, dem 4. November, gibt es deshalb eine kleine Wallfahrt von der Kirche von Rhoscolyn aus zum wundertätigen Brunnen.


Auf Ynys Môn wird köstlich gekocht 

So viel sind wir nun gewandert, nun müssen wir einfach eine Pause machen und die lokale Küche testen. Natürlich wird auch auf Ynys Môn mit Porree gekocht, und das Nationalgericht der Insel heißt Eier von Ynys Môn: Wyau Môn oder Anglesey Eggs. Dieses Rezept ist angeblich für vier Personen, doch so köstlich es auch schmeckt und so herzhaft man zulangt, es bleibt immer etwas übrig, allein wegen der vielen Eier.

 Man nehme:

  • 16 hartgekochte Eier
  • 3 Pfund gekochte und zermatschte Kartoffeln
  • 6 Porreestangen, in Ringe geschnitten und gekocht
  • Butter

Soße:

  • 50 g Butter, 50 g Mehl , 1/2 l Milch,  175 g geriebener Käse, am besten Cheddar
  • Salz, Pfeffer, Senf nach Belieben


Den Backofen auf 200 Grad vorheizen 

Kartoffeln mit Porree und Butter vermischen, gut quirlen, um eine lockere hellgrüne Mischung zu erhalten.

Käsesoße anrühren. Butter zerlassen, Milch hinzugeben, langsam Mehl einrühren. Dann würzen und 100 Käse dazugeben. In einer vorgewärmten Auflaufform verteilen. Eier in Scheiben schneiden und in die Mitte legen. Mit Käsesoße übergießen, mit dem Rest des geriebenen Käses bestreuen. Für 20 Minuten in den Backofen stellen, dann servieren.



Das Toffeezentrum der Welt 

Wirklich, so ist das. Und weil auf Ynys Môn so wunderbarer Toffee hergestellt wird, wird er auch zu allen möglichen Gelegenheiten verschenkt. Vor allem zu Neujahr, wird uns erzählt. Mein Neujahrsgeschenk von Ynys Môn heißt Taffi Triog und ist braun und knusprig. Ich war total entzückt von diesem schönen Geschenk, machte ein Foto und schickte es auf Facebook herum. Die Reaktionen waren umwerfend! Alle Bekannten aus Wales, die nicht auf Môn wohnen, warnten: Es ist gefährlich für die Zähne, nie im Leben geht das gut, pass ja auf deine Plomben auf. Man will ihnen ja nicht unterstellen, dass sie nur neidisch waren, weil sie nichts bekommen hatten, aber dennoch … Von Môn her kam ganz einfach der Rat: Im Mund zergehen lassen, dann passiert nichts. Stimmt. Und köstlich ist es auch, und hilft gegen Husten.

Weshalb hier nun ein Toffeerezept von Ynys Môn kommt!


Man nehme:

  • ¾ Tasse geschälte Mandeln
  • 2 Tassen ungesalzene Butter
  • 3 Tassen Rohrzucker
  • 1/3 Tasse Wasser
  • ¼ Tasse Zuckerrohrsirup
  • 500 Gramm Zartbitterschokolade

Die Mandeln auf einem Backblech auf Backpapier auslegen und für ca 10 Minuten in einen auf 200 Grad vorgeheizten Backofen stellen. Alle 3 Minuten durchschütteln, herausnehmen, wenn sie dunkel werden und nach Mandel riechen. Abkühlen lassen, dann klein hacken.

Butter, Zucker, Wasser, Sirup und Salz bei Mittelhitze in einen Gusseisentopf köcheln lassen. Regelmäßig umrühren, damit Zucker und Butter schmelzen. Dann das Ganze einmal zum Kochen bringen. Danach bei häufigem Umrühren köcheln lassen, bis sich das Toffee in spe auf 150 Grad abgekühlt hat. Falls es sich zu zersetzen droht (mit einer Schicht aus zerlassener Butter ganz oben), heftig rühren, bis alles wieder miteinander verschmolzen ist. Und immer wieder umrühren, weil die Masse in diesem Stadium leicht anbrennt.

Wenn es aussieht wie Toffeemasse, in eine mit Alufolie ausgelegte Auflaufform packen. Oben glattstreichen. Einige Minuten warten, bis das Toffee anfängt, fest zu werden, dann in Vierecke schneiden. Abkühlen lassen. Danach auseinanderbrechen, weil trotz Schneidens die Vierecke gern weiter aneinanderkleben.

Nun kann man sie essen – oder z.B. in geschmolzene Schokolade tunken, mit Mandeln bestreuen, mit Gummibärchen oder Marzipanherzen belegen, ganz nach Belieben.

Ein Tipp: Wenn Sie “Sweetshops on Anglesey” googeln, finden Sie eine wöchentlich aktualisierte Hitparade der Toffeeläden auf der Insel, die Sie natürlich sofort besuchen werden, hilft alles nix.

Noch ein Tipp, oder auch nicht: Neuerdings wird auf Ynys Môn Wodka mit Toffeegeschmack hergestellt, wir haben ihn nicht probiert, geben aber, ohne Garantie auf irgendwas (außer vielleicht auf einen gewaltigen Kater) den Werbeslogan der Hersteller wider: Our toffee vodka is strong (27.5%), it’s not too sweet, it’s not too sickly and it has a crystal clear golden colour. It’s TOFFOC. 

Iechyd da, sagen wir da nur (und das ist Kymrisch und heißt “Prost!”)

 

Gabriele Haefs:

111 Gründe, Wales zu lieben. Eine Liebeserklärung an das schönste Land der Welt.

Schwarzkopf & Schwarzkopf, 300 Seiten, Paperback, 14,99 Euro.