Es gibt wohl kein walisischeres Souvenir als einen Liebeslöffel, Love Spoon oder Llwy Garu. Wenn Sie noch keinen gesehen haben: Das sind kunstvoll mit Schnitzwerk verzierte Holzlöffel, bisweilen so reicht verziert, dass man sie wirklich nur noch an die Wand hängen und stumm bewundern kann, essen oder eine Suppe umrühren kann man damit nicht. Solche Löffel schnitzte also in früheren Zeiten der walisische Jüngling, um sie seiner Angebeteten zu überreichen.
Natürlich liegt es irgendwie nahe, wenn man schon Holzlöffel hat, diese auch zu verzieren, und wenn einer besonders schön geworden ist, verschenkt man ihn. Folglich gibt es ähnliche Löffel auch in anderen Ländern, bekannt sind schöne Exemplare aus Schweden, aus den Sagas wissen wir, dass sich die Wikinger mit Löffelschnitzen die langen Winter vertrieben, und wenn wir uns in die Liebeslöffelforschung stürzen, stellen wir bald entsetzt fest, dass das älteste erhaltene Exemplar aus – Deutschland stammt, datiert wird es auf das Jahr 1664. So genau wollten wir das nun wirklich nicht wissen, und wenden uns schnell wieder dem walisischen Liebeslöffel zu, dem Llwy Garu.
Love Spoons
Es gibt diese Löffel zuhauf walisischen Museen, doch leider haben die frühen Sammler sie offenbar nicht weiter wichtig genommen. Die Löffelsammlungen sind nicht datiert, die Löffel nicht nach Herkunft sortiert, wir können also nichts darüber sagen, ob es regional unterschiedliche Muster gibt. Wir wissen auch nichts darüber, von wem die Löffel einer Sammlung stammen – alle von demselben Schnitzer vielleicht, der ein großer Herzensbrecher war, oder so erfolglos, dass er es immer wieder mit einem neuen Löffel probierte, aber bei keiner Dame landen konnte. Das ist frustrierend, aber nicht zu ändern. Offenbar schien der schöne Brauch des Löffelverschenkens um die Wende zum 20. Jahrhundert so stark zurückzugehen, dass eifrige Sammler alles zusammenrafften, was sie kriegen konnten, ohne sich um die Archivierungsarbeit zu scheren. Und so klagt der Volkskundler Trefor M. Owens in einer Untersuchung über die Love Spoons: „Es gibt kaum einen walisischen Volksbrauch, über den wir so wenig wissen, wie über das Verschenken von Liebeslöffeln.“
Allerdings sah es nur so aus, als ob der Brauch zurückginge, aus heutiger Sicht kann man sagen, dass er auf sein altes Niveau zurückfiel. Während des 19. Jahrhunderts gab es nämlich einen gewaltigen Aufschwung im Löffelschnitzen. Das hatte leider keine romantischen Gründe, sondern religiöse. Wales wurde damals von mehreren Wellen von Erweckungsbewegungen heimgesucht, Sekten breiteten sich aus und gewannen immer neue Anhänger, und wenn sie sich auch in der Auslegung der Heiligen Schrift hier und da unterschieden, so hatten diese oft pietistischen Sekten eins gemeinsam: So ungefähr alles, was Spaß machte, war verboten, Musik, Tanz, Kartenspiel, Nachtfreierei, die Liebe, der Leichtsinn, der Suff, alles sündhaft und damit untersagt. Zu Hause sitzen und einen schönen Löffel schnitzen, das durfte ein tugendhafter Jüngling aber doch noch, denn damit konnte er zeigen, dass er ein arbeitsamer Bursche war, und das konnte dann wiederum zu einem Verlöbnis führen und ein bisschen Frohsinn ins Leben bringen. Im frühen 20. Jahrhundert ließ der Einfluss der Sekten langsam nach und neue Vergnügungen lenkten die bisher tugendhaften Jünglinge ab. Warum auch mühsam Löffel schnitzen, wenn man die Angebetete ins Kino einladen kann?
Löffel für die Wand
Aber in Wales werden weiterhin Liebeslöffel geschnitzt, wenn auch nicht nur zu Verführungszwecken. Eigentlich gibt es an jedem besseren Andenkenkiosk eine gute Auswahl, auch wenn es sich um eher schlichtere Modelle handelt – die wirklich kunstfertigen sind nicht zu bezahlen, und folglich werden sie für die große Liebe reserviert, oder sie werden beim entsprechenden Wettbewerb auf dem Eisteddfod vorgeführt. Es gibt dabei unglaubliche Mengen von Verzierungen. Interessant ist, dass fast immer der eigentliche Löffelteil, Laffe genannt, schlicht bleibt, als sollte man mit dem Löffel auch dann noch Suppe essen können, wenn es eigentlich unmöglich ist – weil z.B. drei Laffen an einem mit vielen Figuren verzierten Stiel befestigt sind. Es gibt geometrische Verzierungen, aber auch Figuren, Männlein, Weiblein, Tierlein, Blumen, Ritter und holde Damen, edle Rösser, walisische Drachen, Schiffe, ach, es gibt einfach alles. Oft ist der Stiel mit Schnitzwerk versehen, aber die wahren elaborierten Ornamente sind darüber angebracht, an einer Art hölzernen Platte, an der der Stiel befestigt ist, so dass der Löffel gleich an die Wand gehängt werden kann. Interessanterweise ist selbst dann die Laffe glatt und schlicht. Eine Erklärung dafür kann nicht einmal der gelehrte Forscher Owen liefern. Verschenken kann man so einen Llwy Garu immer, aber ein Tag bietet sich ganz besonders dazu an, nämlich der 25. Januar. Der Tag der Liebesheiligen St. Dynfed. Auch der Valentinstag am 14.2. ist ein guter Löffel-Verschenk-Termin.