Wissen ist Macht

Die besten Kochbücher 2019 - Ein Gastbeitrag von Stevan Paul
28. Dezember 2019

Es war der Branchen-Aufreger des Jahres: auf der Frankfurter Buchmesse ging im Oktober einer der drei Hauptpreise des Deutschen Verlagspreises erfreulicher Weise und verdient an einen Kochbuch-Verlag: ausgezeichnet wurde der Hädecke Verlag, der sich über 60.000 Euro Preisgeld freuen durfte. Soweit, so sehr gut. Die Jury-Begründung kam dagegen weniger gut an, es war ein Satz in der Jury-Begründung des Jury-Vorsitzenden,  dem Literaturkritiker Denis Scheck, an dem sich die Branche rieb: „Der Hädecke Verlag ist eine Oase in der Wüstenei der Kochbuchszene.“ 

Stevan Paul. © Andrea Thode


Bunt, vielfältig und auch Qualität 

In einem Börsenblatt-Artikel zum Thema, durfte auch ich mit einer Wortmeldung beitragen und schrieb: „Es erschließt sich mir nicht, wie der Jury, gerade unter dem Vorsitz von Denis Scheck, der sich mit Worten wie auch mit dem Kochbuchmarkt auskennt, der Begriff ‚Wüstenei‘ einfallen konnte. Von Ödnis keine Spur, und auch der Bezug zur ‚Unordnung‘ will nicht greifen. Nie war der deutschsprachige Kochbuchmarkt bunter und vielfältiger, vor allem aber ist der Anspruch an Qualität und Originalität enorm gestiegen. Ich gratuliere der Jury zur Entscheidung, nicht zur Wortwahl.“


Meine Einlassung umreißt, wie gut es zumindest in der Qualität um den deutschsprachigen Kochbuchmarkt steht. Immer noch kommen viel zu viele Kochbücher auf den Markt, da sind auch reichlich schlampert gemachte Bücher darunter, die den Markt übersättigen. Meine im vergangenen Jahr im Effileee-Magazin geäußerte Anregung, doch lieber weniger, dafür wertigere und nachhaltigere Bücher, konzentrierter und auch langfristiger zu betreuen und zu bewerben – scheitert wohl auch künftig am Markt selbst, der auf Mischkalkulation und Risiko-Minimierung durch möglichst breite Programme baut.  


Und doch gib es sie und es werden immer mehr, die herausragend guten Kochbücher, die sorgfältig gearbeitet, traumschön gestaltet und inhaltlich erhellend und inspirieren sind, emotional und erzählend. Deutlich in diesem Jahr zu spüren: weniger vermeintliche Trendbücher zugunsten eines deutlichen Anstiegs von wissensvermittelnden Basis-Büchern – es scheint, als habe in unsteten Zeiten der Hunger nach verlässlichem Basis-Wissen zugenommen. Viele Kochbuch-Leser*innen verlassen dass sich immer schneller drehende Trend-Karussell und eine neue junge, politisch aufgeklärte und engagiert Generation von Kochbegeisterten, möchte wieder wissen: wie geht denn das, kann ich dies und das nicht selber machen? Wie geht denn kochen, wie geht gesunder Genuss für mich und meine Lieblingsmenschen. 


Mein eigener Beitrag in diesem Jahr, mein neues Küchen-Standardwerk kochen. entspringt diesem Geist und ist auch für diese Generation geschrieben, festgehalten sind umsichtig modernisierte Klassiker, viel Basis-Rezepte, viel Basis-Wissen, Kochen barrierefreies Handwerk! Ganz wichtig dabei: Lehren ohne zu belehren! Und mit dem neuen Baukasten-System, den Kombinations-Vorschlägen und Würzvarianten gelingt es auch, endlich wieder individuell für sich selbst zu kochen, statt fragwürdigen Heilsversprechen und windigen Trends hinterher zu hecheln. 


Und ich bin nicht allein, es sind in diesem Jahr auffallend viele, gut gemachte, Basis-Wissen vermittelnde Kochbücher zu den unterschiedlichsten Themen erschienen – dieser Trend dominiert in diesem Jahr die NutriCulinay-Kochbuch-Bestenliste unter dem Motto: Wissen ist Macht! Wie immer ist die Reihenfolge der Bücher nicht als Ranking zu verstehen.


a mano, Claudio Del Principe, atVerlag


Hätte man es nicht schon bei jedem der mittlerweile drei im AT Verlag erschienenen Bücher des Schweizers gedacht, wäre spätestens jetzt dringlich zu notieren: mit diesem Buch über handgemachte Pasta hat Claudio Del Principe sein Meisterstück abgegeben. Einzigartig, wie es Claudio immer wieder gelingt, tiefgehendes Wissen mit einer poetischen Sprache zu vermitteln, die seine Kochbücher immer auch zu kulinarischer Literatur werden lassen. Und in der wachsenden Masse autodidaktischer Foodfotograf*innen, ist er ein König. Seine, ja, sinnlichen Bilder trennen ihn lang schon nicht mehr von den Profis, vielmehr ist seine Fotografie von einzigartig puristischer Schönheit. Sie merken, ich schwärme. Zwei Jahre lang habe ich zudem über die Anschaffung eines Pasta-Makers nachgedacht. Ich lass das jetzt.



Immergrün – die nordische Gemüseküche, Mikkel Karstad, Prestel


Im vergangenen Jahr legten Autor Mikkel Karstadt und Fotograf Anders Schønnemann mit „Gone Fishing“ eines der schönsten Kochbücher zum Thema vor, aufwendig gestaltet, mit opulenten Bildern. Mit ihrem Gemüsekochbuch der nordischen Küche übertreffen sich der dänische Koch und sein Fotograf nochmals! Dieses Wunderwerk ist eines der schönsten Kochbücher dieser Saison und eines der besten vegetarischen Kochbücher der letzten Jahre. Lasst Euch dabei nicht vom „nordischen“ abschrecken, das hier ist keine Bastelei mit Fichtensprossen sondern eine raffiniert gedachte, minimalistische, dabei süffige und supermachbare grüne Küche, die überall funktionieren dürfte und mit wenigen Zutaten überraschende Geschmacksbilder schafft. Irre gut!



Huhn und Ei – Rezepte und Geschichte aus Küche und Hühnerstall, Martina Meier und Kathrin Fritz, atVerlag


Das ist so eines dieser Basis-Bücher, die eine besondere Ecke der Kulinarik besonders hell erleuchten, die als vielgenutztes Basis- und Nachschlagewerk jede Kochbuchsammlung bereichern. Es geht ums Huhn, um Stadthühner und Bruderhähne, um alte Rassen, um Rezepte mit Huhn und Ei. Allein die von Martina Meier so schön wie respektvoll fotografierten Hühner rechtfertigen den Kauf (habt ihr schon mal versucht, ein Huhn zu fotografieren? Ich kann Euch sagen …). Die Rezepte und Texte von Kathrin Fritz sind auf den Punkt und eine Bereicherung. Im Kochteil mit Inspirationen aus aller Welt, geht es ganzheitlich auch um innere Werte und Hahnenkämme. 



Der Käse-Atlas, Tristan Sicard, DK


Dieses Buch habe ich mir gewünscht, auf dieses Buch habe ich gewartet. Ein modernes und ziemlich vollständiges Lexikon des Käses. Es ist trefflichst illustriert von Yannis Varoutsiko und los geht es stimmig, mit einem Lexikon der Kuhrassen, alles wird so kurz und bündig wie eingängig erklärt. Die klare und liebevolle Buchgestaltung sorgt für rasche Orientierung und Wissens-Vermittlung auf den Punkt und ohne Geschwurbel. Ein Schatz ist dann der große Käse-Teil selbst, die Texte zu Herkunft und Geschichte der einzelnen Käse weltweit (!) sind kurz und spannend, macht Lust auf Käse, auf neue Entdeckungen. Nie wieder wie die Kuh vor der Käseauslage stehen! Und im Anschluss lernt man viel auch über den Umgang mit Käse, wie man Käse schneidet und serviert, wie man originelle Käseplatten zusammenstellt, über Getränkebegleitung und Beigaben zum Käse. Dieses Buch lohnt und bleibt!



tofu – Rezepte, Kultur, Menschen, Claudia Zaltenbach, Hädecke


Irgendwann schrieb ich der Autorin mal in einem Facebook-Kommentar, dass ich mich freue, dass sie immer jene Themen behandelt, auf die ich selbst als Kochbuchautor keine Lust habe. Ich bin unsicher, ob sie das darin verborgene Kompliment erkannt hat. Denn ich liebe, wie es Claudia Zaltenbach immer wieder gelingt, extrem komplexe Themen wie Miso und jetzt eben Tofu, mit der ihr eigenen Tiefe und Akribie zu  Papier zu bringen – als leseleichte, bunte und ungemein lehrreiche Kochbücher, mit Reportagen aus den Ursprungsländern, mit ansprechenden Rezepten die man sofort nachkochen möchte. Tofu ist heute noch nicht in allen Küchen angekommen, das liegt auch an den bescheidenen Qualitäten, die wir hier in Deutschland bekommen. Das wird sich ändern, der extrem vielseitige und wandelbare Tofu (plus Tofuhaut, Yuba und Okara) ist ein riesen Zukunftsthema – dieses wissenstiefe Buch, ist der Schlüssel dazu! 



Abenteuer Geschmack, Antje de Vries und Vivi D’Angelo, GU


Die Weltenbummlerin unter den Köchinnen, hat dankenswerter Weise bei der Münchner Fotografin Vivi D’Angelo Station gemacht – herausgekommen ist dabei ein Buch, das uns auf den Geschmack bringt! Es wurden schon andere Bücher zum Thema verfasst, schwergewichtige Theorie von wortmächtiger, wissenschaftliche Tiefe – die findet sich auch in Antjes Buch, nach der Eingangstheorie geht es aber direkt in die Küche: an 15 der gängigsten Gemüsen dekliniert die Köchin, was Geschmack ist, wie er entsteht, wie sich der Geschmack von Gemüse alleine schon durch Schnitt- und Zubereitungsarten ändert und variiert, was dann auch Würze beizusteuern vermag – und wie sich diese Erkenntnisse dann, so überraschend wie schlüssig, in Gerichten und Kombinationen entfalten und letztendlich den Geschmack eines ganzen Tellers prägen. Ganz nebenbei ist dieses spannende und unkomplizierte Food-Experiment auch ein buntes und undogmatische Kochbuch der Gemüse-Weltenküche – mal klassisch schön, und dann auch wieder dem Thema entsprechend, mit ganz neuen Blickwinkeln und Ansichten fotografiert, von Vivi D’Angelo. 



St. John, Fergus Henderson und Trevor Gulliver, Echtzeit


Als ich im Oktober 2010 das St. John Bread& Wine in London besuche, ahne ich noch nicht, wie stark Fergus Hendersons Küche ab jenem Abend auch meine Arbeit als Rezeptentwickler beeinflussen würde. Eventuell ahnte ich es als ich abschließend notierte:

„Wer sich an dieser Stelle das Menü nochmal gedanklich auf der Zunge zergehen lässt, staunt, wie wir, sicher über die Kreativität, das intensive Wechselspiel der Aromen und Texturen, zwischen wenigen, ausgewählten Produkten. Eine schon beschämende Schlichtheit, die zeigt, dass sich große Kochkunst auch in Bescheidenheit beweisen kann.“

Seit diesem Besuch überprüfe ich jede meiner Rezeptideen auf möglichen Tand, auf Überfluss und Effekthascherei, dieser Besuch war für mich die Entdeckung des süffigen Minimalismus, das Ob der Einfachheit, dass ich seitdem probiere und pflege. Und ohne mich auch nur in der Nähe dieses Meisters zu sehen: es sind vor allem die Schnellen Teller, die ich ohne jede weitere Vorgabe seit zehn Jahren für das Effilee-Magazin entwickeln kann, die der Philosophie Fergus Hendersons verpflichtet sind. 

Fergus Henderson prägte vor allem aber die kulinarischen Entwicklungen der letzten Jahre mit seinem Buch Nose to Tail, das zum Klassiker geworden ist. Ganzheitliche Essen, innere Werte. 20 Jahre nach diesem Klassiker legen Fergus Henderson und Kompagnon Trevor Gulliver nach: über 100 neue Rezepte,  feiern die Entwicklung des St. John über 25 Jahre, Dabei ist das Buch mehr als eine Werkschau, es erklärt genau, selbst die Rezepte liefern in Fließtext geschriebene, erzählende Einführungen, Erinnerungen und  Anleitungen, die neben dem WIE auch das WARUM erklären, dabei  unterhaltsam Wissen vermitteln. Das macht dieses Buch auch zum Nachschlagwerk, St. John sollte in keiner Koch-Bibliothek fehlen!



Speisekammer – Vorräte einfach selbst gemacht, Lisa Eisenman Frisk & Monica Eisenman, Hölker Verlag 


Dieses kulinarische DIY-Buch ist in Umfang und Vollständigkeit wohl einzigartig. In über 350 Rezepte bleibt wohl kaum ein Wunsch offen, wir erfahren wie man fermentiert, beizt, räuchert, wie man Käse und Wurst macht. Wir lernen wie gute Saucen entstehen, wie man Pasta macht und Brot bäckt, Limonaden herstellt und Eis und Snacks …you name it!  Diese unglaubliche Vielfalt ist auch noch traumschön aufgemacht und fotografiert! Jetzt ist es aber so, dass ich Lizenz-Käufen und vor allem den damit einhergehenden Übersetzungen als häufige Fehlerquelle, skeptisch gegenüberstehe. Ich habe mir also das Buch der schwedischen Schwestern ganz genau angesehen, denn mit viele der Themen habe ich selbst schon praktische Küchenerfahrung – schöne Überraschung: die Rezepte sind präzise, fachlich fundiert und gelingen. Wenn ihr Euch nur ein Buch zum Thema Selbstversorgung anschaffen wollt, dann ist es dieser schöne und reiche Band. 



Endlich Wein verstehen – Einfach. Klar. Ungefiltert., Madelyne Meyer, atVerlag

Es ist ein Riesenvergnügen, Madelyne Meyer über Wein reden zu hören, präzise, fachlich versiert und dabei komplett undogmatisch und mit einem herrlich halbtrockenen Humor! Auf ihrem Wein-Blog Edvine uncorked begeistert sie länger schon einen wachsenden Fan-Kreis mit ihrer jugendfrisch-lässigen Bearbeitung des Themas Wein, elitär war vorgestern. Charmant: eine Lernschwäche brachte die Betriebsökonomin auf ihr großes Talent, als Illustratorin auch komplexe Sachverhalte zunächst selbst zu verinnerlichen, und diese dann auch gekonnt darstellen und vermitteln zu können. Die Betriebsökologin arbeitet schon auf Weingütern in Kalifornien und Bordeaux, wo sie auch Wine Marketing und Management studierte. Und das alles macht wohl Madelynes Weinbuch so einzigartig, unterhaltsam, komplex auch, dabei lernleicht ermutigend und bunt aufbereitet. Einfach toll!



Die Drei aus dem Norden.


An dieser Stelle könnte ich nur scheitern, oder Euch mindestens zwei spannende Büche vorenthalten, denn in diesem Herbst erschienen nebeneinander drei jeweils ausgezeichnet Bücher zum Thema „nordische Heimatküche“ – und damit sind nicht die skandinavischen Pioniere gemeint – drei Köche aus Norddeutschland zeigen auf höchst unterschiedliche Art, was sie unter  einer neuen regionalen Küche des Nordens verstehen. So spannend, ich muss und möchte Euch alle drei Bücher vorstellen und ans Herz legen.



Gutsküche – Geschmack ist meine Heimat, Matthias Gfrörer


Der Titel verrät es schon ein bisschen, der Küchenchef der Gutsküche Wulksfelde in Hamburg führt uns mit seiner Geschmacks-Philosophie einmal durchs Jahr: natürlich saisonal, naturnah, verliebt in die Produkte, die uns die Natur schenkt. Bei den Rezepten gelingt der Spagat zwischen dem eigenen Anspruch als Chef der Gutsküche und einer nahbaren Küche für die Leser*innen, die  hier eine Fülle von „,machbaren“, dabei durchaus neuen und überraschenden Geschmackskombinationen finden. Nordisch ja, aber auch weltoffen und neu gedacht, etwa wenn Rotkohl im Ganzen gekocht auch optisch zum Star wird, oder die Kürbissuppe auf Basis gerösteter Ofengemüse eine komplexere Würze erfährt. Im Gespräch anlässlich der Buchpräsentation in Hamburg erklärte Matthias mir, dass er mit dem Buch die Leute ermutigen will, wieder loszukochen, Kochen als Handwerk zu verstehen – das ist gelungen! Daran haben auch die Food- und Reportage-Photos von Elissavet Patrikiou ihren Anteil, die charmant und nah, auch die privaten Seiten der Gutsküchen-Familie zeigen. 



norddeutsch by nature – die neue Küche aus Deutschlands Norden, Ben Perry. Christian Verlag


Ben Perry habe ich nicht kommen sehen. Plötzlich steht er vor mir, auf der Frankfurter Buchmesse, drückt mir erst die Hand und dann sein Buch in selbige – schon nach kurzem Blättern war ich Fan. Ein altes handgeschriebenes Kochbuch seiner Uroma Meta aus dem Nachlass der Großmutter, wurde für Benjamin Perry zum Auftrag: mit dem Bulli machte sich der Besitzer einer Kochschule auf die Reise durch Norddeutschland, auf alten und neuen Spuren, auf der Suche nach Tradition und Handwerk, nach dem Status Quo der Norddeutschen Küche. Das ist, erfreulicherweise ohne rückwärtsgewandte Sentimentalität, richtig gut gelungen. Der Bogen der Rezepte spannt sich weit, Altes und Neues mischt sich, die Gerichte allesamt superappetitliches Soulfood, mit Basis und Geschichte. Ein Schatz sind die Interviews und Porträts norddeutscher Produzenten, vom Kutterfischer über den Moorbauern bis hin zu Brauern, Brennern, Rinder-Züchtern. Die Bilder von Fotograf Tommy Hetzel machen das Herz weit und den Bauch hungrig, das Buch gestaltete Lena Daetz. Ein heutiges Heimatkochbuch – in Familientradition!



Meine Hofküche, – regional, saisonal und richtig lecker, Marianus von Hörsten, GU


Nicht zuletzt! Koch Marianus von Hörsten lebt länger schon ein bisschen auf der Überholspur: auf dem Demeter-Biohof Wörme in der Nordheide aufgewachsen, eröffnete der Gewinner der „Global Young Chefs Challenge 2017“ in Lyon, sowie der Next Chef Awards 2018, in diesem Frühjahr mit Kompagnon Aaaron Hasenpusch in Hamburg das Restaurant Klinker – „nebenher“ ein Studium der Geografie und Friedensforschung an der Uni Hamburg. Klar ist da viel Zeit, um eben noch geschwind ein Kochbuch zu machen. Ernsthaft, das Buch ist richtig gut geworden, zeigt die Philosophie des talentierten Kochs. Dabei ist der elterliche Hof Dreh- und Angelpunkt der durchaus anspruchsvollen, aber nachkochbaren Saisons- und Regionalküche. Ein Glücksfall für das Buch ist die renommierte Hamburger Fotografin Julia Hoersch, deren Bilder dieses Buch authentisch und elegant gleichermaßen machen. Ein Augenschmaus, hier passt das Wort!



Kochbuch des Jahres: 


Eleven Madison Park – The Next Chapter, Daniel Humm, Matthaes Verlag


Das Kochbuch des Jahres ist für mich ein ganz besonderes Werk eines großen Kochs: Daniel Humm, der seit der gütlichen Trennung von seinem langjährigen Geschäftspartner Will Guidara in diesem Jahr, jetzt Alleinverantwortlicher ist für das New Yorker Spitzenrestaurant Eleven Madison Park, dass der Schweizer zu Weltruhm führte.

Eleven Madison Park – The Next Chapter ist so etwas wie die erweiterte und zusammengeführte Ausgabe des ursprünglich zweibändigen Werkes, mit 80 neuen Rezepte von Daniel Humm. Große Werke wie dieser Band erreichen oft nur Spezialisten, Fans und Insider, das ist schade, denn Humms Philosophie, der eigen Anspruch, die Art wie er kocht, das alles hat Leuchtturm-Qualitäten.  Humm könnt ihr übrigens auf Netflix kennen lernen, in Episode 2 der Doku-Serie 7 Days Out erlebt ihr die Neueröffnung des legendären Restaurants nach einer Renovierung. 

Vor allem aber gelingt es diesem prächtigen Band Mensch, Küche und Philosophie in einem Kunstwerk aus Fotografie, Illustration, Malerei und Musik  zu einem großen Ganzen zusammen zuführen. Das Buch ist mehr als ein Kochbuch, es ist auch ein Lesebuch mit langen, interessanten Texten (von Daniel Humm/Jeffry Tascarella), mit inspirierenden, interdisziplinären Bildern, hochwertig und elegant aufgemacht.  Fotograf Francesco Tonelli macht das Essen zum Star, nichts lenkt ab, alles pur auf weiß fotografiert und nur mit Licht ideal ausmodelliert. Meisterhaft. Dazu die zarten, dabei (gerade auch botanisch) exakten Illustration Janice Barnes, federleicht und wunderschön.

Und dazu dann Humms Küche! Minimalismus trifft auf Komplexität in jedem einzelnen Detail – das Nachkochen ganzer Gerichte erfordert ganz sicher kulinarische Vorbildung und Übung. Doch darum geht es gar nicht, das Buch schärft und inspiriert ein tieferes Verständnis für die Zusammenhänge von Aromatiken und Geschmacksbildern. Und dankenswerter Weise sind die komplexen Rezepte in Mini-Rezepte aufgeschlüsselt, die sehr wohl zum Nachkochen einladen.  

Eleven Madison Park – The Next Chapter gehört für mich in die Bibliothek der schönsten zeitgenössischen Kochbücher und ist nicht nur für lange Winterabende empfohlen!

Über Stevan Paul

Stevan Paul ist Food-Journalist, Kochbuchautor und gelernter Koch. Er lebt in Hamburg. Über 400 Rezepte entwickelte und veröffentlichte der weitgereiste Rezeptautor in Büchern und Magazinen allein im vergangenen Jahr. Als freier Journalist schreibt er kulinarische Texte, Kolumnen und Reisereportagen für Magazine und Tageszeitungen.

Dieser Beitrag erschien erstmalig auf seinem Blog.

 

 

Hier geht es zu seinem aktuellen Kochbuch.

 

 

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