Jens Mecklenburg

Herausgeber & Autor

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Gut Kochen mit Stevan Paul

Ein Gespräch über Kochen & Kochbücher
6. September 2019

„Die Leute sollen wieder Lust bekommen zu kochen!“, sagt Stevan Paul über seine Motivation, ein ambitioniertes Basiskochbuch zu schreiben, ein Buch, „das in den Alltag der Menschen passt“.

Stevan Paul in der Küche
© Andrea Thode/ Brandstätter Verlag


Was macht ein gutes Kochbuch aus?

Ein gutes Kochbuch ist mehr als eine reine Rezeptsammlung, es ist erzählend, es vertieft die Dinge. 


Was war die Idee zu diesem Buch?

Wie schön wäre es doch, einfach wieder echt gut zu kochen! Ich glaube, das wünschen sich viel Menschen, back to basic, nachhaltiger Minimalismus auch in der Küche, Individualität! Mit meinem Buch gelingt es, kreativ und intuitiv für sich selbst zu kochen. Mein Buch passt in den Alltag der Leser*innen, auf jeder einzelnen Seite barrierefrei zugänglich, auch ohne jedes Grundwissen. Ein Kochbuch das lehrt, ohne zu belehren, denn „kochen.“ ist kein Autoren-Buch, ich koche nix vor, ich mache Angebote. Kochen statt Nachkochen ist das Motto, mit einem gänzlich neu gedachten Rezeptsystem, mit dem sich ganze Tellergerichte, aber auch Teilrezepte frei kombinieren lassen. Daraus entsteht eine unendliche Vielfalt. Das ist wohl einzigartig: das Buch ist eine Einladung selbst zum eigenen Geschmack, zur eigenen Küche zu finden.


Wie lange hat die Arbeit an dem Buch gedauert?

Von der ersten Idee und der Vorschlagsrunde im Verlag an, vergingen zwei Jahre. Wir haben die Rezepte im vergangenrn Jahr an insgesamt dreißig Tagen im Studio fotografiert, verteilt auf das Jahr, um immer die optimale Qualität an Produkten zur Verfügung zu haben. Fotograf Andrea Thode und Stylistin Tanja Trific haben dabei meine Idee einer Mischung französischer Opulenz und nordischer Gradlinigkeit auch optisch trefflich umgesetzt. Im vergangenen Winterhalbjahr habe ich das Buch dann in vier Monaten am Stück geschrieben.


Wie kommen Sie auf Ihre Rezeptideen?

Ich reise gerne, spreche mit Köchen und Kollegen, ich lese ständig alles zur Kulinarik, Zeitschriften, Magazine, Kochbücher, Blogs… dabei beschränke ich mich nicht auf Deutschland, ich lese viel auch die Kulinarik-Seiten englischsprachiger Zeitungen und Magazine im Netz. Da werden künftige Strömungen und Trends zuerst verhandelt. 


Wovon lassen Sie sich leiten?

Ausschließlich vom eigenen Appetit, ich bin ein Bauchmensch. Neue Rezepte erdenke ich zum Beispiel immer morgens, direkt nach dem Aufstehen, dann bin ich hungrig, da habe ich die besten Ideen. (lacht)


Wir leben in wilden kulinarischen Zeiten zwischen Fast- und Superfood. Zwischen Ernährungsratgebern und der Suche nach regionaler Authentizität. Welche Funktion erfüllen heute Kochbücher/sollten sie erfüllen?

Kochbücher sind Leitfäden und die können, wenn Sie schluderig gemacht sind, auch in die Irre führen. Wir Kochbuchautor*innen haben da eine Sorgfaltspflicht unseren Leser*innen gegenüber. 

© Andrea Thode/ Brandstätter Verlag


Kochen die Menschen heute besser oder schlechter als vor 20, 30 Jahren?

Das Angebot und die Möglichkeiten haben sich radikal verändert, das Internet hat die kulinarische Welt kleiner gemacht und beinahe alles ist immer und überall erhältlich. Gleichzeitig arbeiten wir alle immer länger und mehr, es fehlt die Muse. Es gibt aber auch positive Entwicklungen. Im Überfluss erinnern sich immer mehr Menschen regionaler Werte, eine neue Generation interessiert sich dafür, wo ihr Essen herkommt, wie es produziert wird. Sie haben sich vom Konsument zum kritischen Pro-sument gewandelt. Wir verdanken dieser Generation auch Trends wie Craftbeer, Streetfood, Third Wave Coffee, die neue Lust am Brot backen – das sind alles Trends die aus einem Gefühl heraus entstanden sind: wir haben es satt, uns von der Industrie abspeisen zu lassen, wir wollen echten Geschmack, Transparenz und Qualität.


Einerseits legen die Menschen heute immer mehr Wert auf Regionalität, Bio, Nachhaltigkeit, artgerechte Tierhaltung, andererseits kochen immer weniger Menschen zuhause, essen und trinken im Stehen und Gehen. Wie passt das zusammen?

Es ist einerseits unserer schnelllebigen Zeit geschuldet, dass neue „To Go“-Ernährungsformen, Fertigessen und functional foodso erfolgreich sind. Gleichzeitig sind das aber auch einfach zwei Gruppen von Leuten: die einen sehen Essen als etwas an, das notwendigerweise erledigt werden muss, andere sehen darin eine Bereicherung, den Genuss, ein Stück Kultur. Diese Kulturvermittlung ist eine Überzeugungsarbeit, die wir Foodjournalisten und Kochbuchautoren leisten können. Allerdings glaube ich nicht mehr daran, dass das mit erhobenem Zeigefinger gelingt. Seit Jahren schreibe ich für gutes Essen, bei „kochen.“ habe ich erstmals ganz bewusst auf jede Art von Bauernhof-Romantik und Bio-Belehrung verzichtet. Vielleicht gelingt es ja, die Menschen über die reine Freude am Kochen und dem Genuss, für gute und bessere Produkte zu begeistern.


Wie sehen Sie die kulinarische Entwicklung der nächsten Jahre? 

Ich denke es bleibt bunt, es wird ökologischer, Industrie und Handel müssen reagieren und tun es hier und da auch schon. Wünschenswert wäre es, wenn auch die Politik sich endlich ernsthaft und ganzheitlich mit den Themen Ernährung und Genuss beschäftigen würde, und zwar unabhängig von wirtschaftlichen Interessen, die leider insbesondere unsere Klima- und Agrar-Politik immer noch prägen. Es gibt Dinge, die lassen sich nur über Gesetze steuern. Voraussetzung wäre da aber eine gewisse fachliche Weitsicht, und an der mangelt es derzeit gehörig. 

 

Stevan Paul: kochen.

Brandstätter Verlag, 408 Seiten, ca. 250 Abbildungen, Leinenband mit Lesebändchen, 40 Euro.

„kochen.“ ist ein opulenter Band, der dem Handwerk „Kochen“ gewidmet ist. Die über 500 Rezepte passen für Einsteiger ebenso wie für Tieftaucher, die Raffiniertes und Neues entdecken wollen. Stevan Pauls Buch besinnt sich auf das Kochen als lustvolles und eigentlich ganz einfaches Handwerk.

 

 

Über Stevan Paul

Stevan Paul ist Food-Journalist, Kochbuchautor und gelernter Koch. Er lebt in Hamburg. Über 400 Rezepte entwickelte und veröffentlichte der weitgereiste Rezeptautor in Büchern und Magazinen allein im vergangenen Jahr. Als freier Journalist schreibt er kulinarische Texte, Kolumnen und Reisereportagen für Magazine und Tageszeitungen.

https://www.stevanpaul.de/