Jens Mecklenburg

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Nordbauern gehen mit Manifest an die Öffentlichkeit

Ein Gespräch mit dem Vorsitzenden Ernst Schuster über die Gründe
10. März 2020

Bei den Bauern brodelt es. Trecker-Demos, Gipfel bei der Kanzlerin. Nun gehen auch die Nordbauern auf die Barrikaden und veröffentlichen ein Manifest. Was steckt dahinter? Ein Gespräch mit dem Vorsitzenden Ernst Schuster. 

Ernst Schuster © Nordbauern

Warum gehen die Nordbauern mit einem Manifest an die Öffentlichkeit?

Ernst Schuster: Als Verbund direkt vermarktender Betriebe ist es unser Anliegen auf die schwierigen Rahmenbedingungen für kleinere Betriebe in der Lebensmittelproduktion hinzuweisen und auf eine Verbesserung der Situation zu drängen. Ist doch komisch: Alle wollen regionale Lebensmittel, nur uns als regionale Produzenten wird das Leben Jahr für Jahr schwerer gemacht. 


Wen wollen Sie mit dem Manifest ansprechen?

E. S.: Hauptadressat sind politische Entscheidungsträger, die in unterschiedlichsten Funktionen wichtige Entscheidungen für die Existenz- und Arbeitsfähigkeit unserer Betriebe verantworten. Natürlich wollen wir Konsumentinnen und Konsumenten für unsere Anliegen begeistern und sie von der Bedeutung bäuerlicher Landwirtschaft überzeugen. 


Worin unterscheiden sich die Forderungen der Nordbauern, von denen der Bauernproteste um „Land schafft Verbindung“?

E. S.: Wir sehen Landwirtschaft nicht als homogene Einheit der Nahrungsmittelversorgung. Wir fordern eine differenzierte Betrachtung und Förderung der 3 großen Gruppen, um die es geht, wenn man von „der Landwirtschaft“ spricht:

  • Landwirtschaft als Teil der Energieversorgung.
  • Landwirtschaft als Nahrungsmittelversorger für den Export (Weltmarkt) und den Massenmarkt in Deutschland.  
  • Und wir als bäuerliche Landwirtschaft, als Nahversorger und sozikultureller Anker im ländlichen Raum. Ohne uns wird der ländliche Raum noch weiter veröden.


Was erhoffen Sie sich?

E. S.: Wir wollen das endlich Rahmenbedingungen geschaffen werden, die auch kleinen Betrieben mit handwerklicher Lebensmittelproduktion in den nächsten 20 – 30 Jahren eine Existenzmöglichkeit bietet.


Was sind Ihre wichtigsten Forderungen?

E. S.: Entlastung von Auflagen, die die großen Player kaum tangieren, uns aber umso mehr. Eine gezielte Förderung von Direktvermarktern zum Erhalt existierender Vermarktungs- und Sozialstrukturen. Förderung von Übernahmen und Neugründungen kleiner Betriebe im ländlichen Raum. Stärkung der Ausbildung in Landwirtschaft und Lebensmittelverarbeitung. Regionalität auch in der Schul- und Kantinenverpflegung durch eine realistische Preisgestaltung zu ermöglichen. Glauben Sie, dass in unseren Schulen und Kantinen mit regionalen Lebensmitteln gekocht wird? Nein, die sind den Großanbietern in der Außer-Haus-Verpflegung viel zu teuer. Nachvollziehbar bei den geringen Sätzen, die zum Beispiel für die Schulverpflegung ausgeben wird. Im Einkauf dürfen die Lebensmittel für ein Schulessen nicht mehr als 60 bis 80 Cent kosten. Absurd! 


Wie kann der Verbraucher Sie unterstützen?

E. S.: Wir bieten Verbrauchern eine Fördermitgliedschaft in unserem Verein an. Diese ist auch eine Einladung zur kritischen Auseinandersetzung mit unseren Produkten und unserer Produktionsweise. Wir sind Transparent und suchen das Gespräch mit unseren Kunden. Für die produzieren wir schließlich. Jedes Jahr laden wir zu ausführlichen Betriebsbesichtigungen ein, ebenso zu spannenden Informationsveranstaltungen.

(Das Gespräch führte Jens Mecklenburg für Nordische Esskultur)


Über Ernst Schuster und die Nordbauern

Zum Überleben sind gerade kleinere bäuerliche Betriebe darauf angewiesen, ihre Produkte direkt an den Verbraucher zu bringen. Was lag also näher als die Gründung eines Vereins, um die Vernetzung zwischen Erzeugern, Handel und Verbrauchern zu fördern. So wurde 2013 der Verbund „Nordbauern Schleswig-Holstein e.V.“ gegründet. Mittlerweile sind rund 50 landwirtschaftliche Betriebe und Genussmanufakturen zwischen Ost- und Nordsee dort Mitglied.

Vorsitzender Ernst Schuster, den einige respektvoll den schleswig-holsteinischen „Apfelkönig“ nennen (die Obstquelle Schuster wird mittlerweile von seiner Tochter Doris geführt), sagt: „Ziel des Vereins ist die gemeinsame Interessenvertretung direktvermarktender Betriebe in Schleswig-Holstein. Gemeinsam wollen wir den Direktvermarktern eine Stimme geben, um beim Handel und in der Öffentlichkeit besser gehört zu werden.“ 

Die Mitglieder sind hauptsächlich Direktvermarkter mit eigenem Hofladen, die Ihre Produkte selberherstellen, verarbeiten und vermarkten. Es sind fast alle Branchen vertreten. Konventionelle und Biobauern versuchen gemeinsam Lösungen für die Herausforderungen, die sich kleineren Betrieben stellen, zu finden. Auf den ersten Blick „ein bunter Haufen“ landwirtschaftlicher Individualisten aber allesamt anerkannte Genusshandwerker des Nordens. 

Die Nordbauern erheben ihre Stimme, um für den Erhalt der traditionellen bäuerlichen Landwirtschaft zu kämpfen. Chefdirigent Ernst Schuster ist es gelungen, aus zahlreichen Solostimmen einen stimmgewaltigen Chor zu formen.