Welche Landwirtschaft wollen wir?

Ein Kommentar von Ernst Schuster, Vorsitzender der Nordbauern
9. Dezember 2019

Die Bauern sind in Aufruhr. Wohin geht die Reise der Landwirtschaft nach den massiven Bauernprotesten und dem Dialog im Kanzleramt? 

Die Politik verspricht eine größere Wertschätzung für die Landwirtinnen und Landwirte, sie verspricht aber auch kein „weiter wie bisher“. Was heißt das?

Mit mehr Wertschätzung allein lässt sich die Krise in der Landwirtschaft sicher nicht überwinden und auch der von allen Beteiligten ständig widerholte Aufruf an den verantwortungsbewussten Verbraucher, mehr auf Regionalität zu achten, bereit zu sein, einen angemessenen Preis für die „Mittel zum Leben“ zu zahlen, wird uns alleine nicht weiterhelfen.



Worum geht es?

Ernst Schuster, Vorsitzender der Nordbauern in Schleswig-Holstein.

Ausgelöst wurde der Protest durch drohende Zulassungsbeschränkungen von Pflanzenschutzmitteln und Düngern. Tatsächlich ist der Protest aber ein sich Aufbäumen gegen den rasant voranschreitenden Strukturwandel im ländlichen Raum, inklusive der massiven Aufgabe von Höfen in den letzten Jahrzenten. Stichwort „Bauernhofsterben“. 

Schon heute ist Landwirtschaft nicht allein durch traditionelle Bäuerinnen und Bauern geprägt. Kapitalgesellschaften und Investoren bestimmen zunehmend in der Produktion die Entwicklung. Die Globalisierung lässt grüßen. Man produziert für den Export, für den Weltmarkt. Auch treiben die Ausbreitung von Städten, Neubaugebiete in Dörfern und die Bodenspekulation von landwirtschaftlichen Flächen die Preise derartig in die Höhe, dass viele kleine und mittlere bäuerlich wirtschaftenden Betriebe auf der Strecke bleiben.

Landwirtschaft 2020 kann nicht losgelöst von anderen Wirtschaftsbereichen gedacht werden. Die Wertschöpfungskette in der Lebensmittelproduktion umfasst neben der Landwirtschaft die Verarbeitungsindustrie, Logistiksysteme und Handelswege. Durch hohe Investitionen in landwirtschaftliche Produktionsanlagen und Agrartechnik sind auf Jahrzehnte wirkende Abhängigkeiten zur Finanzindustrie gegeben. Diese Einflussgrößer wirken genauso auf die Entwicklung der Landwirtschaft wie Nitratbelastung des Grundwassers, Phosphorbelastung unserer Seen und Flüsse und Rückgang der Insektenvielfalt. Viele Betriebe haben finanziell keine Luft mehr zum Atmen. Auch, weil die Preise, die sie für ihre Produkte erhalten, zu niedrig sind. Die Preise bestimmen der Handel und der Weltmarkt, nicht der Bauer. 

Ein weiteres: Anforderungen durch gesellschaftliche Standards haben zu umfangreichen Pflichten bezüglich Selbstkontrolle und Dokumentation geführt. Dieser ständig zunehmende Aufwand für diverse Zertifikate wie kostenpflichtige Qualitätssicherungssysteme, EU-Zulassungsverfahren für Schlachtbetriebe plus EU Handelszulassung beim Handel mit Fleisch, Gentechnikfreiheitsnachweis in der Tierhaltung und viele andere sind Kostenfaktoren die mit abnehmender Produktionsmenge die Kalkulation der Waren stark belasten oder zu Ertragseinbußen der Unternehmen führen, dies gilt insbesondere für Betriebe mit einer breit gefächerten Produktions- und Vermarktungsstruktur. Der bürokratische Aufwand ist zu hoch, macht vor allen den kleineren und mittleren Betrieben zu Schaffen.



Ein Bunter Strauß von Maßnahmen sind nötig

Der Ruf nach Regionalität, stärkerem Austausch zwischen den Akteuren am Markt, nämlich Bäuerinnen/Bauern und Verbrauchern sowie mehr Direkteinkauf bei den Herstellern ist wünschenswert. Es gibt allerdings nicht das Allheilmittel zur Gesundung der Landwirtschaft. Weiter zu entwickeln sind Konzepte, die bewusst konsumierenden Menschen den Zugang zu hochwertigen, handwerklich hergestellten Lebensmitteln ermöglichen. Gleichzeitig sind die Grundlagen für eine klima- und umweltgerechte Produktion auch in großen landwirtschaftlichen Betrieben so zu gestalten, dass die vorhandenen effizienten Wirtschaftsstrukturen den Bedarf der Gesamtbevölkerung decken kann.

Schon jetzt gibt es Betriebe die gezielt an der Weiterentwicklung von Produktionsmetoden und -techniken arbeiten. Genannt seien hier die Nutzung von Untersaaten zur Verringerung der Auswaschung von Nährstoffen, Anlegen von Blühstreifen zur Förderung von Insekten, der Einsatz von Nützlingen zur Vermeidung chemischer Präparate und vieles mehr. Ebenso finden immer häufiger Begegnungen zwischen Bauern/Bäuerinnen und Konsumenten in sogenannten Verbraucherinformationsveranstaltungen statt.

Wünschenswert ist, dass sich auch die Akteure im politischen Raum noch stärker mit den vorhandenen Aktivitäten auseinandersetzen. Gleichzeitig zukunftweisende Entwicklungen in der Forschung durch Pilotprojekte zu fördern. Dies vor allem auch auf regionaler Ebene.  

Zur Versorgungssicherung des ländlichen Raumes bietet sich eine stärkere Förderung von Produktionsbetrieben mit Hofläden in Dörfern an. Hier lassen sich in Zusammenarbeit mit Landwirten und der dörflichen Bevölkerung Zentren wiederbeleben oder schaffen, die gleichzeitig kulturelles Zentrum sein können und einen Anlaufpunkt für ärztliche Versorgung und andere Dienstleistungen bieten. 

Die Lage ist kompliziert und komplex: Lassen Sie uns gemeinsam ohne Scheuklappen über die Zukunft unserer Landwirtschaft und damit über die Zukunft unserer Nahrung sprechen. Wir Nordbauern sind dazu bereit.

Zu den Nordbauern