Es hat einige Jahre gedauert, bis die Westberlinnern und -berliner mit dem Umland einigermaßen warm wurden. „Nimm dir Essen mit, wir fahren nach Brandenburg“, hieß es noch 2005 in einem bekannten Lied. Heute wird Brandenburg jedes Wochenende geradezu überrannt.
Viele aus der Hauptstadt zieht es in die Uckermark, die Toskana des Nordostens. Der Landstrich ist hinreichend hügelig, um die von der Post-DDR-Agrarindustrie ausgeplünderte Landschaft hier fast pastoral wirken zu lassen.
Die Uckermark ist Sehnsuchtsort und zugleich magische Barriere für die Berlinerinnen und Berliner. Danach kommt – nichts. Genauer: das Zwischennichts. Erst etliche Dutzend Autobahnkilometer weiter nach Norden gelangt man endlich an die Ostsee, zum Beispiel nach Usedom oder Rügen.
Was viele aber nicht wissen: die Uckermark endet nicht in Brandenburg, sie geht in Mecklenburg-Vorpommern weiter. Die mecklenburgische Uckermark liegt gewissermaßen zwischen der brandenburgischen Uckermark und dem Zwischennichts.
Genau am Übergang ins Zwischennichts befindet sich der Milchschafhof am Fuchsberg. Autoreisende aus Berlin auf dem Weg an die Ostsee könnten bequem von der A20 abbiegen, um eines der nördlichsten Weingüter Deutschlands oder die Feinkostmanufaktur der Deutschen Wildtierstiftung besuchen. Aber die meisten haben es eilig und fahren achtlos weiter. Ein Fehler.
Ostfriesenschafe in der Uckermark
Wir verlassen die Ostseeautobahn und fahren in die Brohmer Berge, die auch das „Tor zur Ostee“ genannt werden. Dort treffen wir Oliver Barf, Schäfer und Käsemacher. 2015 hat der junge Berliner Wissenschaftler die Großstadt hinter sich gelassen und ist in ein Haus bei Schönhausen gezogen. Der Zufall wollte, dass bei dem Haus zwei Mutterschafe lebten, samt einem Buch über Schafzucht als Dreingabe. Der Grundstein für die Milchschäferei am Fuchsberg war gelegt.
Heute umfasst die Ostfriesische Schafherde von Oliver Barf über 80 Muttertiere, etliche Böcke und je nach Jahreszeit unterschiedlich viele Lämmer. Die Milchschafe werden ganzjährig auf der Weide gehalten und kehren zum Melken und über Nacht in einen modernen Offenstall zurück. Acht Monate lang werden sie gemolken; über Winter haben sie Mutterschutz, um sich in Ruhe ihren Lämmern zu widmen.
Gemeinsam mit zwei Mitarbeitern und zwölf Hüte- und Herdenschutzhunden bewirtschaftet Oliver Barf den Bio-Betrieb, zu dem seit 2017 auch eine Hofkäserei gehört. Mutig und raffiniert zugleich sind die Käse, die hier entstehen. Man schmeckt die Lust des Käsemachers, Neues auszutesten, den Geschmack der Erzeugnisse bewusst zu formen und die Qualität immer noch weiter zu steigern. Barf zählt zu den kulinarisch spannendsten Käsemachern in Mecklenburg-Vorpommern.
Ins Gespräch kommen
Der stichfeste und zugleich cremige Schafjoghurt erinnert an fetten griechischen Joghurt, nur eben noch „schafiger“. Der Salzlagenkäse nach Feta-Art hat eine würzige Reife. Auch die Naturrinde des Bergkäses duftet der Nase kraftvoll entgegen: Probier’ mich!
Im Hofladen lässt sich Oliver Barf gerne in ein Gespräch verwickeln über die Schafhaltung, die Herdenschutzhunde, den Wolf, der ab und zu vorbeikommt, und das Handwerk des Käsemachens.
Einen noch tieferen Einblick gewinnt man bei einer Hofführung oder einem Landvergnügen-Stopp mit dem Wohnmobil. Der Milchschafhof liegt nur drei, vier Kilometer abseits der Autobahnabfahrt Strasburg/Uckermark, Richtung Norden. – Außer Käse unbedingt noch eine Lammknacker mit auf den Weg an die Ostsee nehmen!
Produkte:
Joghurt, Frischkäse, Weichkäse, Salzlakenkäse (Feta-Art), Gouda, Bergkäse, Fleisch- und Wurstspezialitäten vom Weidelamm und den hofeigenen Schweinen.
Einkaufsmöglichkeiten:
Hofladen (Fr 14–18 Uhr und nach tel. Vereinbarung), Wochenmärkte in Neubrandenburg, (Bio-)Läden in der Region.
Milchschafhof am Fuchsberg
Dorfstr. 45, 17337 Schönhausen
Tel. 0157 588 43 863
www.milchschafhof-am-fuchsberg.de
Käse aus Mecklenburg-Vorpommern
Über zwei Dutzend bäuerliche Hofkäsereien und Käsemanufakturen stellen in Mecklenburg-Vorpommern auf traditionell handwerkliche Weise Joghurt, Quark und Käseerzeugnisse her. Das Käsehandwerk ist ein noch kaum entdeckter Schatz im nordöstlichsten Bundesland. Entsprechend klein ist die Käseszene im Land, aber sie wächst.
Die meisten Käsereien in MV sind kleinere, von Familien oder Gemeinschaften geführte Betriebe, die nach der Wende vor allem in der vorpommerschen Küstenregion entstanden sind. Die Mehrzahl der Betriebe sind bio-zertifiziert.
Um das Käsehandwerk in MV bekannter zu machen, ist 2020 das Projekt »Regionaler Käseteller« des Büros für kulinarische Maßnahmen in Stralsund entstanden. Pamela Dorsch und Udo Tremmel haben in einer dreiwöchigen Tour mit dem Wohnmobil über 20 Käsereien besucht und porträtiert. Im August 2021 kamen weitere Betriebe hinzu. Begleitet wurde das Projekt durch den „Landfotografen“ Eberhard Schorr aus Berlin, der sich auf die Fotografie bäuerlicher Bio-Landwirtschaft spezialisiert hat.
Porträts, Adressen und Tipps für Einkauf und Genuss finden sich unter www.käse-mv.de.