Jens Schlünzen

Whiskyexperte, Autor

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Lillebräu – Von der Kunsthochschule zum Bierbrauen

Herz der Kieler Craft-Beer Szene
6. August 2021
Lillebräu - Max Kühl und Florian Scheske
Max Kühl und Florian Scheske – ©Lillebräu

Die Liebe zum Detail war es vielleicht, die Max Kühl und Florian Scheske zusammengeführt hat. Als Jobanfänger im Verlagswesen und im Studium des Fahrzeugbaus beschäftigt, ergriffen beide unabhängig voneinander die Chance, an der Muthesius Kunsthochschule in Kiel zu studieren. Max wählte Kommunikationsdesign, und Florian startete im Industriedesign. Hier lernten sie sich kennen, und nach ausgedehnten Exkursionen in Australien, den Vereinigten Staaten und Chile beschlossen sie ihre Mikrobrauerei zu gründen und Kiel die abhanden gekommene Bierkultur zurückzubringen. Craft Beer, mit dem Ursprung im Amerika der 1970er Jahre, war ihre Vision. In den USA war die Zeit für Erneuerung eher reif, es galt dort eine Vielzahl von doch recht wässrigen Standardbieren, die sich hauptsächlich an den Etiketten unterschieden, zu bereichern. 2010 in Deutschland erstmals als Begriff und Ergänzung zum weltweit beliebten Pils nach deutschem Reinheitsgebot eingeführt, bietet »Craft Beer« mehr Möglichkeiten als jenes und schmeckt nicht nur kombiniert mit Chips beim Fußballgucken im TV, sondern etabliert sich durch die Vielfalt als wahrer Speisenbegleiter. Genau das hatte in Kiel gefehlt, und so machten sich die beiden Jungs daran, ihren ersten Biersud anzusetzen. Noch nicht in einer Brauerei, sondern in einer kleinen Versuchsküche misslangen die ersten Produkte, wie es sich für richtige Brauherren gehört. Nach besseren Ergebnissen mieteten sich die beiden als Kuckucksbrauer in mittelständischen Brauereien ein. Drei Jahre zogen ins Land, und die Biere wurden besser, waren über den Freundeskreis hinaus bekannt und beliebt geworden, so dass der nächste logische Schritt unternommen werden musste. Sie investierten 1,5 Millionen Euro und eröffneten im November 2018 in einem ehemaligen Coca-Cola-Werk am Kieler Eichkamp ihre eigene Brauerei »Lillebräu«. Namensgeber war die Figur Lillebror aus Astrid Lindgrens Kinderbuch Karlsson vom Dach. Die 1000-Quadratmeter-Halle bietet Platz für ihre hochmoderne Brauanlage mit 3000- und 6000-Liter-Gärtanks, Abfüllanlage und Lagerplatz für Malz, Fässer und Flaschen. Doch hier wird nicht nur Bier gebraut und verkauft.

Lillebräu - Produkte
©Lillebräu – Produkte

Brauerei als Begegnungsstätte

Der »lille Schankraum« mitten in der Brauerei, mit Blick auf die Produktionsprozesse, ist eine Begegnungsstätte und das sympathische Herz der Kieler Craft-Beer Szene geworden. Hier gibt es natürlich all ihre Biere frisch vom Zapfhahn – jeden Donnerstag bis Samstag. Gastbiere befreundeter Brauereien, ein Spezialbier der Woche aus der Flasche sowie Apfelsäfte aus umliegenden Obsthöfen und Mostereien stehen zur Auswahl. Um das leibliche Wohl abzurunden, stehen an jedem der drei Öffnungstage des Schankraums abwechselnd verschiedene Foodtrucks aus Kiel vor der Tür, um die Gäste mit ihren Kreationen zu verwöhnen. Es finden auch Events in der Brauerei statt, zu denen man sicherheitshalber einen Tisch reservieren sollte. Das »lille« kann aber auch zu Hause genossen werden, denn die schlichten braunen Pfandflaschen mit den übersichtlichen Etiketten, die natürlich von den Designern selbst gestaltet wurden, sind mittlerweile im Kieler Handel gut vertreten. Auch in über 40 Bars und Restaurants in Kiel, Hamburg und Umgebung werden Lillebräu-Biere angeboten. Lillebräu ist Mitglied von FEINHEIMISCH – Genuss aus Schleswig-Holstein und Partner des Schleswig-Holstein Gourmet Festivals. Das Standardsortiment setzt sich aus den sechs Sorten Pilsener, Stout, Helles, Weizen, Pale Ale und Lager zusammen und wird durch einige Saison- und Sonderbiere, wie zum Beispiel das »Kieler Woche Bier«, ergänzt. In limitierter Auflage sind auch aktuell zwei Bierbrände zu haben, die hier gebraut und bei den Freunden in Czernys Küstendestillerie in Friedrichsort gebrannt wurden. Sie heißen »Hüll Melon« und »Tettnanger« und sind mit unterschiedlichen Hopfensorten produziert worden. Alle Biere sind wirklich gut gemacht, vor allem das Stout hat geschmacklich viel zu bieten. Es ist im Alkohol etwas höher als die britischen Marktführer und deutlich süffiger. Man erhält mit dem Stout eine ganze Mahlzeit. Um stetig auf dem Laufenden zu sein und die Brauerei für die Zukunft zu unterstützen, gibt es für die Fans von »lille« auch die Möglichkeit, ein Bier-Papier zu erwerben. Für 175 Euro wird der Name des Papierbesitzers auf den Lagertanks der Brauerei verewigt, und man bekommt jeden Monat ein Bier im Schankraum gezapft oder aus der Flasche. Und das für 25 Jahre. Es gilt zu beobachten, wo Lillebror und Karlsson noch überall hinfliegen und was sie Neues kreieren. Die Herzen der Bierfans der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt haben die beiden Quereinsteiger längst erobert.

Lillebräu
Eichkamp 9c
24116 Kiel
www.lillebraeu.de

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