Johanna Rädecke

Redakteurin

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Piekfeine Brände aus Bremen

Spirituosen aus der gläsernen Manufaktur
11. Juli 2023

„Piekfein“ ist norddeutsch und steht für exquisit oder erlesen. In Bremen entstehen unter der Leitung von Birgitta Schulze van Loon seit 2011 die „Piekfeinen Brände“ in einer gläsernen Manufaktur am Europahafen. Neben famosen Bränden, Gin, Whisky und anderen Spirituosen, bietet sie auch Workshops zu verschiedenen Themen an.

©Piekfeine Brände

Ein Exot im Handwerk

Birgitta Schulze van Loon ist gebürtige Bremerin und fest in der hiesigen Kultur verankert. Die Liebe zu ihren Wurzeln spiegelt sich auch in ihrer Destillerie wider, welche die „Piekfeinen Brände“ herstellt. Obstbrände in Bremen, und dann noch von einer Frau gebrannt – sie ist ein wahrer Exot, wie man ihn hier im Norden sonst nicht antrifft. 

Ein Exot war sie auch, als sie beschloss, ihre Leidenschaft für Hochprozentiges zum Beruf zu machen. Ohne Brennerverbände im Norden führte der Weg sie nach Süddeutschland, wo sie ihre zweijährige Ausbildung zur Brennerin absolvierte. Eine Frau und eine Norddeutsche, so etwas stößt auf Skepsis. „In diesem überwiegend von Männern dominierten Beruf bin ich eine der ganz wenigen Frauen, die dieses Handwerk beherrschen und ausüben. Das ist auch ein knüppelharter Job“, sagt die Destillateurin. Für diesen habe sie auch Lehrgeld zahlen müssen. „Man arbeitet auch mit Chemikalien und das kann echt gefährlich werden, wenn Fehler passieren. Nach einem Arbeitsunfall musste ich mich sogar einer Hauttransplantation unterziehen“, sagt sie. Mittlerweile ist die Skepsis bei ihren KollegInnen und KundInnen jedoch verflogen – bei den qualitativ hochwertigen und aromatischen Spirituosen ist das jedoch auch kein Wunder.


Beste Früchte und lokale Kooperationen

Am Europahafen, einem ehemaligen Stückguthafen in Bremen, verwirklichte Frau Schulze van Loon am 11.11.2011 ihren Traum von einer gläsernen Manufaktur, in der sie Obstbrände, Obst- und Nussgeiste, Liköre, Bitter, Single-Malt-Whisky, Gin, Aquavit und Rum herstellt. Im Rau- und Feinbrandverfahren stellt sie Brände aus Äpfeln (Altes Land), Williams Christ Birnen und Pflaumen (beides Frankenland), Quitten (aus Bremer Privatgärten) oder Hagebutten (Nordseeküste) her. Doch auch von Ferner reisen die fein verlesenen Früchte an, damit sie den Qualitätsansprüchen der Brennerin genügen: Da sind Waldhimbeeren aus den Wäldern Rumäniens, Haselnüsse aus Piemont, Steinobst aus Südfrankreich oder Weinbergpfirsiche aus Spanien. Zu vielen Produzenten, insbesondere den Streuobstwiesenbauern aus dem Frankenland, pflegt sie seit ihrer Ausbildung freundschaftliche Verbindungen. „Sofern es möglich ist, die Qualität und der Reifegrad stimmt, beziehe ich meine Produkte so regional wie es geht. Aber gerade zum Beispiel im Alten Land wird im Plantagenbau vor der Reife geerntet. Für meine Brände ist es aber wichtig, dass die Frucht am Baum reift, da sind die Streuobstwiesen, die ich im Frankenland kennengelernt habe, einfach ideal.“

In Bremen selbst arbeitet Frau Schulze van Loon eng mit anderen Produzenten zusammen. Als Tribut an ihre Heimat – jede vierte Tasse Tee, die in Deutschland getrunken wird, wird über den Bremer Hafen importiert – findet sich Earl Grey Tea in ihrem Gin und ergänzt diesen mit einem harmonischen Bergamottenaroma. Den verwendeten Tee bekommt sie von einem kleinen ortsansässigen Teehersteller. Auch mit einer Kaffeerösterei und einer Craft Brauerei arbeitet sie zusammen: Hieraus entstehen Kaffeeliköre und Bierbrände.

„Typisch norddeutsch“ und fest in der Kultur verankert ist der Aquavit. Den „Bremer Kööm“ trinkt man nicht nur traditionell zum winterlichen Grünkohlessen, es ist sogar Grünkohl drin. Die Trinkempfehlung der Expertin lautet: Nicht zu kalt! Je kälter ein Destillat ist, desto weniger Aroma schmeckt man.

„Wir bemühen uns auch um Nachhaltigkeitsprojekte“, so das Verbandsmitglied von FEINHEIMISCH und slow food, „und hatten jetzt die Idee: Aus Korn wird Brot und aus Brot wird wieder Korn. Dafür vergären wir altes Brot unseres Kooperationsbäckers wieder in Korn.“ So entsteht ein Kreislauf, der gegen die Wegwerfkultur anarbeitet.

Bei dem jährlichen Bremer Quittentag können Privatpersonen aus dem Umland ihre Quitten zur Verarbeitung in die Destillerie bringen. Daraus wird dann Quittenbrand und Quittenlikör. 

Neben den Bränden und Geistern produziert die gläserne Manufaktur auch noch ein paar „Hidden Champions“: Dazu zählt Birgitta Schulze van Loon ihren fassgelagerten Piekfeinen Roggenkorn, den 5 Jahre alten Rum und „Rosalie“, ein Apérolikör aus Friesenrosen, Erdbeeren und Bitterorangen. „Meinen Korn liefere ich vor allem nach Berlin. Die Bereitschaft ist dort viel höher als hier in Norddeutschland, in einen vernünftigen und damit auch teureren Korn zu investieren.“

Rote Bete Geist ©Piekfeine Brände

Gemüsegeister für Feinschmecker

Eine Besonderheit ihrer Produktpalette sind wohl die Gemüsegeister – Destillate aus lokaler roter Bete, Spargel und sogar Grünkohl. Ein Traum für die kohlbegeisterte Bremer und eine findige Idee, die Feinschmeckern zugutekommt.

„Der Experimentierfreudigkeit sind bei Destillaten keine Grenzen gesetzt. Seinen Anfang mit dem Gemüse hat es genommen, als der Sylter Sternekoch Johannes King auf mich zukam und sagte: ‚Mach‘ mir doch mal einen Selleriegeist!‘“

Auch in ihren Workshops an den Tischdestillen wird viel mit den Gästen ausprobiert. Da wurde schon Wintertrüffel destilliert oder auch Mango und Grünkohl. Besonders Spargel und rote Bete fand breiten Anklang – ein angeregtes Gespräch und direktes Feedback der WorkshopteilnehmerInnen sei natürlich großartig für die Entwicklung neuer Produkte. Für die Gemüsegeister gibt es auch kleine Sprühaufsätze. Schulze van Loon empfielt: Ein Carpaccio von roter Bete lässt sich hervorragend mit dem dazu passenden Geist veredeln.

In diesem Jahr 2021 feiern die „Piekfeinen Brände“ ihr zehnjähriges Jubiläum. Das wird mit einer besonderen Whiskyvariante gefeiert, die schon in der Vorbereitung ist. „Wir bringen einen Whisky raus, der rauchig ist. Der hat zu unserem Jubiläum seine 3 Jahre Fasslagerung hinter sich und kommt dann pünktlich zu unserem Jubiläum in den Verkauf“, erzählt die Brennerin.

Mit ihrer breiten Produktpalette beliefern die „Piekfeinen Brände“ zahlreiche Gastronomen, sind auf Messen und Veranstaltungen vertreten. Corona sei Dank, wird nicht nur der Onlineshop erneuert und erweitert, die Piekfeinen Brände finden ihren Weg nun auch in den Lebensmittel-Einzelhandel. In Hamburg sind die Brände auch beispielweise in der „Hobenköök“ und bei „Oschätzchen“ käuflich.


Piekfeine Brände

br-piekfeinebraende.de | facebook | instagram

Birgitta Schulze van Loon

Hoerneckestraße 3, 28217 Bremen

Telefon: 0421 69668951


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