Johanna Rädecke

Redakteurin

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Kyrö: Von der Sauna in die Destille

Roggenwhisky und mehr aus Finnland
25. April 2023
Die Gründer von Kyrö fühlen sich nackt am wohlsten ©Kyrö/ Kimmo Syv

Finnen sind gerne nackt, und das nicht nur in der Sauna, sondern generell.

Wie die Geschichte von mindestens der Hälfte der finnischen Bevölkerung beginnt auch die der Brennerei Kyrö in einer Sauna. Damals, vor ungefähr acht Jahren, saßen die fünf Gründer inmitten heißen Dampfs, schlürften ausländischen Roggenwhisky, der in der Hitze natürlich bekömmlicher wird, und fragten sich, wieso es eigentlich keinen finnischen Rye Whisky gibt. Immerhin hat das Land mehr als genug davon. Sie beschlossen, es selbst zu machen. Zur Überraschung aller Beteiligten schien die (Schnaps-)Idee, eine eigene Destillerie zu gründen, am nächsten Morgen immer noch hervorragend. Und so begann die Geschichte Kyrös. Als erstes wurde eine Heimat für die erste Roggendestillerie in Finnland gesucht. Eine alte leerstehende Molkerei in Isokyrö nicht weit entfernt von Vaasa (Partnerstadt von Schwerin und Kiel) wurde erwählt. Zuerst in Heimarbeit und in Auftrag startete die Herstellung (der erste Gärprozess fand in der Wohnung der Eltern statt, während diese verreist waren). 2014 wurden dann die eigenen Pot Stills angefeuert. Nach acht langen Jahren hatte das Warten im Winter 2020 ein Ende, der Kyrö Malt Rye Whisky steht nun abgefüllt in Flaschen und wartet darauf, getrunken zu werden. Doch auch die Wartezeit wurde genutzt: Der Gin erhielt in den vergangenen Jahren bereits internationale Aufmerksamkeit.


Warum Roggen? 

Ganz Finnland ist mit Roggen bedeckt und seine Bewohner verbrauchen pro Kopf mehr Roggen als jedes andere Land. Nicht so abwegig, dass Kyrö’s Gründer Roggen als Herzstück der Destillerie auserkoren haben. Gin, Likör und nun der Whisky werden von Kyrö zu 100% aus Vollkornroggen hergestellt. Finnischer Roggen unterscheidet sich deutlich von seinen internationalen Pendants: Die rauen Witterungsbedingungen führen zu einem viel kleineren und zäheren Korn, was die Arbeit mit dem Getreide schwieriger macht, aber als Belohnung für die Mehrarbeit ein einzigartig intensives Geschmacksprofil ergibt. Whisky ist vielleicht nicht das Erste, was einem in den Sinn kommt, wenn man an Finnland denkt, aber das wird sich bald ändern: Kyrö Malt Rye Whisky erzielte Gold Outstanding (98/100 Punkte) IWCS. 

Der Whisky vereint sowohl schottische als auch amerikanische Whisky-Tradition, denn 100% gemälzter Vollkornroggen, was an sich bereits eine Seltenheit ist, wird nach schottischer Methode mit zwei Brennblasen destilliert und in neuen, amerikanischen Weißeichenfässern gereift. Diese Art der Destillation bewahrt die tiefen Aromen des finnischen Roggenmalzes und stellt sicher, dass der Whisky unglaublich geschmeidig ist. „Finnland hat vielleicht nicht viel Whisky-Tradition. Aber wir kennen unseren Roggen und bauen ihn so an, dass er äußerst köstlich ist“, so Chefdestillateur Kalle Valkonen.

Unser Whiskykolumnist, der Kieler Whisky-Experte Jens Schlünzen (Whiskyle) sagt: „In der Nase wirkt er zuerst süß, fruchtig und würzig. Er braucht ein wenig Luft, bis sich alles erschließt. Die Frucht lässt nun Aromen von Sanddorn und Orangenschale erkennen. Die würzigen Noten manifestieren sich in süßem Roggen mit leichten Röstaromen. Beim Trinken ist die Würze etwas intensiver, weil sie auch von der frischen Eiche gestärkt wird. Im Nachklang wird der Whisky leicht trocken, bedingt durch die Gerbstoffe der frischen Fässer und die Würze wird durch Lakritz feinjustiert.“

©Kyrö

Von Finnland bis Berlin

Zum Glück der deutschen FeinschmeckerInnen und GenusstrinkerInnen erkannten die fünf Kyrö-Gründer die Wichtigkeit, ihr Produkt in die Welt zu tragen. Und so fanden nicht nur die Spirituosen den Weg nach Deutschland, sondern auch Mikko Koskinen, Kyrö Mitbegründer, um einen neuen Standort inmitten der progressiven deutschen Gastronomie- und Barhauptstadt Berlin zu etablieren und mit Ideen und Aktivitäten die lokale Szene zu unterstützen. Hier entwickelte sich auch die Kampagne, welche die schnapsbrennenden Finnen in ihrer ganzen Pracht zeigen: Wer die Produzenten kennenlernen möchte, kann dies auf Youtube tun. Hier nimmt uns Mikko mit auf einen Spaziergang über finnische Wiesen, nachdem sich vorher alle Gründer in ihrer Sauna vorstellen. Neben der typischen Nacktheit bekommen Zuschauer auch die aktuellen Spirituosen, Tutus und Bären zu Gesicht.

Die Kampagne konzentriert sich auf finnische Fakten: „Wir tragen Vollbart, weil es kalt ist, nicht, weil es kühl ist und wir sind nicht aus Schottland und spielen kein Golf. All dies mag ein wenig brutal klingen. Andererseits ist Finnland bekannt dafür, dass es das erste Land in Europa ist, in dem Frauen das Wahlrecht hatten und der Molotowcocktail erfunden wurde, für die dunklen und kalten Winter (im nördlichen Teil geht die Sonne in 30 Tagen nicht auf) und dafür, dass es das glücklichste Land der Welt ist. Diese Kontroversen unterstützen die Idee einer echten nordischen Punk-Haltung, um die es bei Kyrö geht“.

Doch Kyrö steht nicht nur für qualitative Produkte und finnische Nacktheit. „Als wir begannen, eine größere Erweiterung unserer Produktion im Jahr 2017 zu planen, dachten wir, dass es selbst für eine kleine handwerkliche Destilliere eine ökologischere Art der Whiskyherstellung geben müsse. Es endete damit, dass wir einen Deal mit einem lokalen Biogas-Hersteller abschlossen, der lokale Lebensmittelabfälle zur Gasproduktion verwendet. Jetzt wird unser gesamter Whisky mit lokalem Biogas hergestellt, das wir auch zum Beheizen von Gebäuden und unseres Whisky-Lagers während des Winters verwenden“, so Mikko.

Jens Mecklenburg (Hrsg.)

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www.kyrodistillery.com

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Kyrö Whisky im Test

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