Jens Schlünzen

Whiskyexperte, Autor

Zum Portrait

Dänischer Westküstenwhisky

Stauning – Wie aus einem Märchen
7. Februar 2023
© Stauning

Es begann alles wie in einem Märchen. Es waren einmal neun Freunde an der dänischen Westküste nahe dem Rinkøbing Fjord. Sie wollten Whisky herstellen, aber hatten nicht viel außer zwei kleinen Pot Stills und einem alten Schlachthof. Erfahrung mit der Whiskyherstellung fehlte, aber die Leidenschaft für Whisky war in jedem Fall vorhanden. Und so starteten sie 2005 mit dem festen Willen, es zu schaffen. Neugierig fingen sie an zu experimentieren, denn wenn man ganz einfach unten anfängt, kann es nur bergauf gehen. Es sollte ein zu 100 Prozent dänischer Whisky sein, der jedoch auch Anklang beim Rest der Welt finden durfte. Einen eigenen Whisky wollten sie kreieren, der die Region widerspiegelt, und sie arbeiteten mit dem wenigen, das sie hatten. Getreide wurde von benachbarten Bauern besorgt und auf dem Fußboden des Kühlraums der ehemaligen Schlachterei zu Malz verarbeitet und mit dem Torf aus einem Museum getrocknet. Eine Getreidemühle für das Malz gab es nicht, und so musste dafür der Fleischwolf herhalten.

Tröpfelnde Glücksmomente

Der große Glücksmoment kam dann, als im August 2006 der erste Tropfen Rohdestillat aus der zweiten Brennblase tröpfelte. Es war vollbracht, und die Produktion belief sich auf 200 bis 400 Liter Alkohol pro Jahr. Nachdem ihr Whisky dem einen oder anderen Whiskyexperten zugänglich geworden war und sie sehr viel Lob für ihr Produkt und ihr Werkeln erhielten, wurde den Freunden klar, dass sie mehr produzieren müssten. Trotz Absage einer Bank, die ihnen empfahl, statt einer Destillerie eine Bäckerei zu eröffnen (aber was wissen die schon!), gelang es ihnen, das nötige Geld für einen Hof und dessen Umwandlung in eine Brennerei zu besorgen. Mit dem neuen Kapital und dem neuen Gebäude flippten sie jedoch nicht aus, sondern produzierten weiter wie bisher. Es wurden zwar zusätzliche Brennblasen angeschafft, aber genauso klein wie die alten, und die Herstellung lief wie gewohnt weiter. 2011 kamen dann die ersten kommerziellen Flaschen auf den Markt, Stauning Whisky blieb aber ein absoluter Geheimtipp, und es gab deutlich zu wenig davon, um das Produkt stärker zu vermarkten. Wenn man die Destillerie besuchte, konnte man den Whisky nicht probieren, weil keiner mehr da war. Sie kauften sogar ehemals verkaufte Flaschen zurück, um den Besuchern wenigstens zu zeigen, wie ihr Whisky aussah, so beliebt wurde Stauning. Fasziniert vom Wirken und Schaffen der neun Freunde wurde der große Konzern Diageo aufmerksam und zum Fan der kleinen Brennerei. Dank Diageos finanzieller Unterstützung wurde 2018 die erste neu gebaute dänische Whiskydestillerie eröffnet. Die Brennblasen waren immer noch so klein wie zuvor, nur gab es jetzt 24 davon. Die modernen Mälzböden haben eine Fläche von 1000 Quadratmetern, und die Produktionskapazität beträgt 900.000 Liter pro Jahr. Whiskys aus Gerstenmalz und Roggen werden jetzt produziert, natürlich aus regionalen Zutaten. Zwar ist alles irgendwie moderner, aber der Whisky wird so traditionell hergestellt wie eh und je, um den Charakter des dänischen Westküsten-Whiskys zu erhalten. Jetzt bietet die Brennerei auch Führungen und Verkostungen vor Ort an, die man allerdings vorher online buchen sollte. Das aktuelle Sortiment der Destillerie umfasst den Stauning Smoke Single Malt Whisky, den Stauning Rye Whisky, den Stauning KAOS Triple Malt Whisky, der alles beinhaltet, was Stauning herstellt, und den Stauning Bastard, einen Rye Whisky, der die letzte Reife in ehemaligen Mezcalfässern aus Mexiko erfährt.

© Stauning

Stauning Whisky
Stauningvej 38
6900 Skjern
Dänemark
www.stauningwhisky.com

Mehr über Stauning

So trinkt der Norden

Die besten Brauer & Brenner

Eine kulinarische Kulturgeschichte
KJM Verlag, 248 Seiten, Softcover, 22 Euro
Zur Buchbestellung Verlagsshop

Mehr Bücher von Nordischer Esskultur

Mythos Labskaus

Das. neue Hamburg Kochbuch

Mythos Grünkohl

Grog, Pharisäer, Bier und Köm:

So trinkt der Norden auf NDR-Nordtour