
Ein Beitrag von Chris Greta
Wenn man mit Jan Hinrichsen spricht, sagt er, er sei Bauer. Er wollte schon immer Bauer werden. Sein Vater, Großvater, Urgroßvater und Ururgroßvater waren Bauern. Geht man zurück bis ins 17. Jahrhundert auf der winzigen Insel Föhr, gestrandet in der kalten Nordsee zwischen Deutschland und Dänemark, findet man den Namen Hinrichsen auf einem Hof hier. Autoren erfinden normalerweise Geschichten wie diese, um ein großes Mysterium aufzubauen. Aber diese Handlung führt einfach zu Jan und Marret, die mit ihrer Familie – Lina, Jonas und Anna – den Hof weiterführen. Doch dann kommt die Wendung. Jan hat die Milchkühe gegen eine Whiskybrennblase eingetauscht. Drei Zauberbohnen. Und plötzlich stellt sich heraus: Jan und seine Familie sind Meisterbrenner. Sie haben eine ganze Scheune voller wunderschön reifender Fässer, in denen ein Whisky liegt, wie man ihn nirgendwo sonst auf der Welt findet. … Der Whisky-Nerd kratzt sich am Kopf: „Das kann doch nicht dein Ernst sein…“ Aber doch, es stimmt. Dein Erzähler hier würde sich niemals als weltbekannten Whisky-Experten ausgeben – davon gibt es schon genug. Doch wenn die jemals den Weg auf die winzige Insel Föhr fänden, kämen sie ohne Zweifel zum selben Schluss. Es ist Mathematik, Physik, Mut und Glück.
Die Insel und ihr Schicksal
Föhr entstand aus den Überresten der letzten Eiszeit. Föhr und die umliegenden Inseln ragten als hohe Punkte aus dem Wasser, während sich Meeresablagerungen darumlegten und kleine Landmassen bildeten, umgeben von Salzwiesen. 1362 machte eine Sturmflut aus Föhr eine Insel. Die „Grote Mandrenke“, auch bekannt als die Marcellusflut, wuchs zu einer gewaltigen Sturmflut an, die Dörfer hinwegfegte, über 25.000 Menschen tötete und Föhr vom Festland trennte. Der Name bedeutet wörtlich: „Das große Ertrinken der Menschen.“ Aus den Marschen rund um diese Hochpunkte wurde Meer. Kein tiefes Meer, denn die Fähre muss noch heute einem sehr präzisen Fahrwasser folgen, und bei Ebbe kann man – wenn man sich auskennt– zu Fuß auf eine Nachbarinsel gehen. Kommt die Flut, verwandelt sich der Spaziergang blitzschnell in einen brutalen Schwimmversuch. Doch das alles schuf erstaunlich fruchtbares Land.

Bauernland, Kühe und Gerste
Viel Regen, Wind und sehr lange Sommertage bedeuten, dass der Hinrichsen-Hof fantastische Gerste hervorbringt. Dazu kommt, dass der Hof seit Generationen ökologisch bewirtschaftet wird – mit Rindern und Schweinen, die für Dünger sorgen. Das macht Roggen und Gerste ausgesprochen glücklich. Ich bin im September hier: täglich Wind, Regen und Sonne. Wirf eine dreiseitige Münze – irgendetwas davon passiert. Meist alles gleichzeitig. Hier, an der Westseite von Föhr, bringt die Nordsee Wind und Regen mit, bevor sie zum Kontinent weiterzieht. Die Nordsee hat ihren eigenen, düsteren Ruf. Man stellt sich Schiffe vor, die von hohen Wellen und Stürmen gepeitscht werden, und alte Seeleute, die in dunklen Pubs Geschichten erzählen. Wenn du hier bist, spürst du diese Geschichte. Das Wetter erinnert dich daran, wie klein du bist. Und die Menschen auf Föhr wachsen damit auf. Auf dem Hof der Hinrichsens gibt es schwere Lehmböden – perfekt für Rinder. Ich lebe in Texas, wo Rinder weit verstreut über trockene Plateaus stehen und mühsam nach Essbarem suchen. Hier dagegen leben sie mitten in einem All-you-can-eat-Buffet in Las Vegas. Hektarweise sattgrünes Gras, das fast täglich gegossen wird. Ich gebe zu, ich weiß nichts über Kühe, aber die hier haben es verdammt gut. Keine Raubtiere, keine Klapperschlangen, keine Feuerameisen, dafür tonnenweise Gras, sicher lecker, und niemand stört sie. Die Kälber bleiben bei ihren Müttern, und niemand steckt sie in einen tristen Feedlot neben der Autobahn. Wenn du im nächsten Leben als Kuh wiederkommst: tu es hier. Und sie bekommen sogar Leckerlis. Die übriggebliebenen Schrotkörner aus der Whiskyproduktion sind eiweißreich und köstlich – nach jedem Brand dürfen die Kühe sich darauf stürzen wie auf Frühstücksflocken. Ich war dabei, als Jan das Futter mit dem Lader verteilt hat. Kaum hören die Kühe den Motor, rennen sie heran, voller Freude, drängen um die besten Plätze und fressen so schnell sie können. Kein schlechter Job – bis zum Steak-Teil. Aber daran denken sie wohl nicht. Vielleicht werden ja auch wir Menschen irgendwo „gemästet“, ohne zu ahnen, dass wir am Ende Katzenfutter in einem Paralleluniversum werden. Im Winter kommen die Kühe in den großen Stall, um sich vor der Kälte zu schützen. Jan sagt, sie dürfen raus – aber sie bleiben lieber drin. Vielleicht mal kurz ein Ausflug, aber schnell wieder zurück. Es ist wie die Katze, die raus will, merkt, dass es kalt ist, und sofort kehrtmacht Richtung warmen Sessel.
Von Kühen zu Körnern
Einige Felder sind perfekt für Vieh, andere haben tiefschwarze Erde ideal für Gerste und Winterroggen. Und diese Gerste hat Glück. Denn sie bekommt genau die richtige Menge Regen auf gepflegtem, fruchtbarem Boden, dazu Sonne. Die Körner werden fett, süß und prall. Perfekt für Whisky. Das andere große Geheimnis: Wasser. Nur wenige Whisky-Produzenten weltweit können so perfektes Wasser vorweisen. Auf Föhr gibt es so viel Wasser, dass man Pumpstationen braucht, um es hinaus ins Meer zu befördern. Ich habe das Leitungswasser hier probiert – es kommt direkt aus den Hofbrunnen – und es ist fantastisch. Ich war schon immer ein „Wassertourist“ – genieße die klaren Quellen auf Reisen, stöhne aber auch über das flüssige Elend, das mancherorts aus dem Hahn kommt. Föhrer Wasser steht ganz oben auf meiner Liste. Nur übertroffen von dem Quellwasser, das am Appalachian Trail aus den Bergseiten läuft – mein Favorit, weil es nicht nur köstlich war, sondern mich auch am Leben hielt. Aber dieses Wasser hier – einzigartig.
Das Rezept für einen perfekten Sturm

Also: perfektes Wasser. Perfekte Böden und Wetter für perfekte Gerste. Doch das alles hätte schiefgehen können, wenn die Brenner Mist gebaut hätten. Zum Glück gehören die Hinrichsens zu einer langen Linie von Landhütern, die das verstehen. Und ja, sie hatten auch Glück. „Wir machen unseren Whisky nur aus unserer eigenen Gerste. Wir kaufen niemals zu, weil wir genau wissen, was in unserer Gerste steckt“, sagt Jan Hinrichsen. „Wir mälzen sie genau zum richtigen Zeitpunkt, hier vor Ort, unter ständiger Aufsicht. Erst wenn sie perfekt ist, kommt sie ins Maischbottich, zusammen mit unserem Wasser und der Hefe.“ Die meisten Brennereien, die man kennt, arbeiten in solchen Mengen, dass diese Detailtreue unmöglich ist. Hier gibt es keine Abkürzungen, kein „Ach, passt schon“. Vielleicht ist es friesische Kultur. Vielleicht das Erbe von 400 Jahren Verantwortung. „Wir haben die Brennerei gebaut, um sie viele Generationen in der Familie zu halten. Unser Ziel ist, nur Gerste von unserem Land zu verwenden. Wir wollen gar nicht riesig werden“, erzählt Jan. „Lieber wenig großartigen Whisky machen, als viel Durchschnittszeug.“ Die meisten Leute schaffen es nicht einmal, das Porzellan ihrer Großmutter zu hüten. Stell dir vor: 400 Jahre, kleine Insel, Familienhof– und dann ein paar Fehler, und alles ist ruiniert. Ich habe viele Whiskys probiert – Scotch, Irish, Bourbon, Single Malts, Blends, Billigplörre und Hochpreisiges. Der Whisky vom Hinrichsen Hof ist echt. Und einzigartig. „Einzigartig“ kann vieles heißen. Man kann auch einen völlig verrückten Freund so nennen. Hinrichsen’s Friesen-Whisky ist der gute Typ von einzigartig. Wenn man die Geschichte hinter der Flasche kennt, versteht man, warum er so schmeckt. Zuerst: Fassstärke. Du kannst ihn verdünnen, musst aber nicht – und schon gar nicht mit Hinrichsen-Wasser. Gieße ein Glas ein. Nimm einen Schluck. Lehn dich zurück. Lass ihn über die Zunge wandern. Gib ihm Zeit. Da sind Dutzende Aromen. Süß, würzig, komplex, lebendig. Da ist der Sommerregen, der plötzlich kommt und gleich wieder verschwindet. Da sind die endlosen, süßen Sommertage, wenn die Sonne früh aufgeht und spät verschwindet. Da ist der Nordseewind, der die Halme stärkt. Da ist die salzige Luft, die Schiffe zerschlägt und einst die Wikinger hierher brachte. Da sind 400 Jahre kluge Landwirtschaft, Familienwissen und liebevolle Pflege. Keine Chemie. Keine Spritzmittel. Die Kühe fressen sattes Gras, geben Dünger, der die Gerste nährt, die wiederum zu Whisky wird – und deren Reste wieder an die Kühe gehen. Ein geschlossener Kreislauf. George Carlin sagte einmal über Kaffee: „Wenn du mehr als zwei Silben brauchst, um Kaffee zu bestellen, bist du ein Arschloch.“ Überträgt man das auf die Landwirtschaft: Dünger reicht als Wort.

Von der Scheune zum Café
Die Hinrichsens hatten eine Vision. Klar, Milchkühe gab es hier seit Jahrhunderten. Die Cousins, die im 19. Jahrhundert in die USA auswanderten, machen heute noch Milch. Aber Jan sah: Diese Gerste hier ist anders. Ein perfekter Sturm aus Wetter, Böden und langen Tagen. Also traf die Familie eine Entscheidung: Alles ändern. Die Scheune zur Brennerei umbauen. Den Heuboden zum Mälzboden und Fasslager. Den Kuhstall zum Café. Die Milchkühe verkaufen. Eine handgefertigte deutsche Brennblase kaufen. Heute wirkt es, als sei es schon immer so gewesen. Aber bedenkt man die Transformation – atemberaubend. Marret hat aus dem Stall eines der gemütlichsten Cafés der Welt gemacht. Sie kocht und bäckt alles selbst, und ich schwöre: Es ist das Beste, was ich je gegessen habe. Ich bin bei Restaurants kritisch. Ich merke sofort, wo ich sitzen will und wo nicht. Bei Marret? Jeder Platz perfekt. Musik perfekt. Licht perfekt. Alte Scheunenfenster restauriert, doppelt verglast, warm, hell. Regale voller selbstgemachter Köstlichkeiten: Currywurst im Glas, Marmeladen, BBQ-Soße, die besser ist als alles aus Texas. Und Whisky. Eine ganze Wand voll Whisky. Oben, im alten Heuboden, reifen die Fässer. Betritt man den Raum, sieht man die alten Balken, Lichtstrahlen, endlose Reihen schlafender Fässer. Es erinnert an die letzte Szene in Indiana Jones, als die Bundeslade in einer Kiste verschwindet und die Kamera zurückzoomt in endlose Reihen. So fühlt sich das an. Ein heiliger Ort. Nimm den alten Kupfer-Whiskythief, zieh eine Probe, lass sie ins Glas gleiten – und du spürst: Diese 400 Jahre waren kein Zufall. Es war Arbeit. Entscheidungen. Können. Talent. Und ja, auch etwas Glück.
Glück, Kismet – und dein Glas
Alles zusammen: Eine Familie, die hart gearbeitet hat, um „Glück zu haben“. Aber ist Glück nicht oft nur die Fähigkeit, Chancen zu erkennen und zu nutzen? Die Hinrichsens hatten Glück. Sie haben es sich verdient. Und jetzt kannst du es auch. Es ist nicht leicht, nach Föhr zu kommen – Züge, Fähre, lange Wege. Aber am Ende dieser Reise steht ein Hof, wie kein anderer. Iss Marrets Essen im Café. Gönn dir den „Besten Burger am Ende der Welt“. Lass dir von Jan oder Jonas oder Anna oder Lina die Brennerei zeigen. Sie holen ein Dram aus einem staubigen Fass, führen dich ins geheime Verkostungszimmer – vielleicht der gemütlichste Ort auf Erden – und du probierst. Das ist Glück. Das ist Schicksal. Das ist: am richtigen Ort, zur richtigen Zeit. Und wenn du gehst, nimm eine Flasche mit. Du hast die Quelle gefunden – also nimm Beweise mit nach Hause. Ja, eine Bauernfamilie hatte Glück. Und jetzt kannst du es auch.

Über Chris Greta
Chris Greta lebt in Austin, Texas, USA. Er hat The Still Life Stories ins Leben gerufen, um kleinen, familiengeführten Brennereien eine Stimme zu geben – damit die Welt erfährt, wer sie sind und was sie machen.
Zuvor hatte er drei kreative Werbeagenturen gegründet, mit denen er Marken für junge Unternehmen aufgebaut hat.
Website und soziale Medien: www.TheStillLifeStories.com
Hinrichsen´s Farm
Haus 23
25938 Dunsum auf Föhr
Deutschland
info@hinrichsens-farm.de
www.hinrichsens-farm.de
www.hinrichsens-whisky.de
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