Jens Mecklenburg

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Zierliches aber robustes Landschaf

Lebendiges Kulturgut: Skudde
10. Januar 2024

Die kleinste deutsche Schafrasse – die Skudde – ist sehr alt und gehört zu den nordischen, kurzschwänzigen Heideschafen. Fasern aus Skuddewolle, die in Grabstätten in der Nähe der Wikingersiedlung Haithabu in Schleswig-Holstein gefunden wurden, ließen vermuten, dass die Rasse bereits vor 2000 Jahren als Nutztier gehalten wurde. Von hier, vermuteten Wissenschaftler, haben sich die Skudden über den gesamten nordeuropäischen Kontinent – von den Shetland-Inseln bis ins Baltikum – verbreitet.

Neuere Untersuchungen konnten hingegen keinen Nachweis erbringen, dass die Skudde ein altes „Wikinger-Schaf“ ist. Fest steht aber, dass die zierliche Skudde das Landschaf Ostpreußens, besonders Masurens, war. Besonders im ehemaligen Ostpreußen prägte das äußerst robuste, an raue Umgebung anpassungsfähige Schaf über Jahrhunderte das Landschaftsbild. Dass es in extensiver Haltung auf nährstoffarmen Böden sehr gut gedeiht und sich dabei schmackhaftes, wildbretartiges Fleisch anfuttert, machte es bei Großgrundbesitzer wie Kleinbauern und Tagelöhnern beliebt. Mit Einführung er Leistungsrassen wurde die Skudde immer mehr zum Schaf „der kleinen Leute“. Sie kommt übrigens in den Farben weiß, schwarz, gelegentlich braun oder grau vor. Der Versuch, sie durch Kreuzung zu „veredeln“ scheiterte, da es kaum Nachwuchs gab.

Seit 1945 gilt die Skudde in ihrem Heimatland als ausgestorben und wird in Deutschland auf der Roten Liste der gefährdeten Nutztierrassen geführt. Das liegt zum einen an ihrer rauen Mischwolle, die nicht mehr den heutigen Ansprüchen und Moden der Textilindustrie entspricht – den Tieren aber einen hervorragenden Allwetterschutz garantiert – und an ihrem geringen Gewicht: Selbst große Böcke wiegen gerade mal ein Drittel dessen, was herkömmliche Fleischschafrassen auf die Waage bringen: um 50 Kilogramm. Die kleine deutsche Skuddenzucht (einige Hundert Tiere) geht im Wesentlichen auf die wenigen Tiere zurück, die 1941 vom Münchner Zoo erworben wurden und von dort den Weg in andere Tiergärten und später zu Einzelzüchter fanden.

Ein Rudel Wild

Das besondere Kennzeichen des an jungsteinzeitlichen Schafe erinnernde Tier ist das große, schneckenartig gewundene Gehörn des Bocks. Beeindruckend! Lässt man Skudden, wie sie früher gehalten wurden, ungestört auf großen, vielfältig bewachsenen Naturflächen weiden, so werden sie im Verhalten einem Rudel Wild immer ähnlicher. Skudden sind von Natur aus scheu, sehr lebhaft und äußerst aufmerksam. Stampfen und fauchen sie, sollte man einen großen Bogen um sie machen. Auch menschliche Berührungen mögen sie nicht. Wegen ihrer Anspruchslosigkeit sind sie hervorragende Landschaftspfleger. Als lebendes Kulturgut sollte man die alte Landschaftsrasse hegen und pflegen. Einige Tiere weiden im Wikingermuseum Haithabu. Ob nun direkter oder indirekter Nachfahre des Wikinger-Schafs – unbedingt eine Bereicherung für das Freilichtmuseum und seine Besucher/innen und eine Maßnahme zum Erhalt des wertvollen Genpools. Aber wird das reichen, der Skudde dauerhaft das Überleben zu sichern?

Skudde in „Arche des Geschmacks“ aufgenommen

© Ingo Wandmacher

Slow Food hat die Skudde in ihre „Arche des Geschmacks“ aufgenommen. Ein Projekt, mit dem sich der Verein für bedrohte Nutztierrassen, Kulturpflanzen sowie traditionelle Zubereitungsarten einsetzt und die biokulturelle Vielfalt schützen möchte. Die Skudde ist in Deutschland der 74. Passagier und die fünfte Schafrasse. Axel Reetz, Mitglied in der Arche-Kommission, sagt: „Skudden bilden nicht nur für die Schafzucht eine wichtige Genreserve, sondern auch für unser kulinarisches Erbe. Sie können uns fleißige Helfer sein, wenn es darum geht, magere Landschaften intakt zu halten. Wenn wir aber nichts tun, verlieren wir diese wertvolle Reserve, wie bereits viele andere zuvor. Deswegen machen wir es uns zur Aufgabe, lebendige Netzwerke rund um die Skudde zu gründen.“