Jens Mecklenburg

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Hang zu Heide und Moor

Weiße Gehörnte Heidschnucke
5. September 2024

Die Weiße Gehörnte Heidschnucke stand und steht ein wenig im Schatten anderer Schafrassen. Sie gehört zusammen mit der Weißen Hornlosen und der Grauen Gehörnten Heidschnucke zur Rassegruppe der Schnucken. Das sind die kleinen, leichten Landschafe, die besonders gut an das karge Leben in Heide und Moor angepasst sind, sehr robust und voller Energie.

Die Weiße Gehörnte Heidschnucke stammt wie ihre Grauen und Hornlosen Verwandten aus den moorigen Gebieten Niedersachsens, genauer dem Weser-Ems-Gebiet. Auch heute noch bildet die Region um Cloppenburg das hauptsächliche Zuchtgebiet, aber auch in Ostfriesland und Schleswig-Holstein lebt die Heidschnucke. Die Schnucken zählen zu den ältesten Schafrassen Mitteleuropas und wurden über lange Zeit weder getrennt betrachtet noch züchterisch „bearbeitet“. Einzelne weiße Exemplare kamen hin und wieder vor, die grauen Tiere überwogen jedoch. Erst in den 1920 Jahren wurden die hübschen Tiere mit den harten Klauen und dem weichen Charakter gezielt gezüchtet, zuerst nur nach Farbe, später wurde auch auf mehr Gewicht wert gelegt. Die Unterscheidung zwischen hornlosen und gehörnten weißen Heidschnucken begann erst in den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts, genau wie die Festlegung der Zuchtziele.
 

Gute Mutter

Die Weiße Gehörnte Heidschnucke zeichnet sich als gute Mutter aus und kümmert sich intensiv um ihren Nachwuchs. Die Lämmer kommen nach fünfmonatiger Tragezeit schwarz zur Welt und bleiben es auch bis zur ersten Schur, erst danach zeigt sich die weiße Färbung. Mindestens 100 Tage werden sie gestillt und haben genug Zeit sich zu entwickeln, im Vergleich zu den Wirtschaftsrassen eine Ewigkeit. Doch die natürliche Entwicklung zahlt sich aus, die Weiße Gehörnte Heidschnucke erreicht ein vergleichsweise hohes Alter von 15 Jahren.

Ihre im Vergleich geringere wirtschaftliche Nutzbarkeit und der fortschreitende Rückgang der Heide- und Moorflächen zugunsten trocken gelegter landwirtschaftlicher Flächen bedrohen die zartgliedrigen Überlebenskünstler in ihrer Existenz: sie gelten als zu klein (ein Schaf wird 50 Zentimeter, ein Bock 60 Zentimeter hoch), lassen sich nicht mästen und Nachwuchs kommt auch nur saisonal, also einmal im Jahr.

Doch die Lieferanten von langhaariger, hübscher und sehr gut wärmender Wolle haben ihre Nische abseits der landwirtschaftlichen Massentierhaltung gefunden. Als Landschaftspfleger der geschützten Moor- und Heideflächen ihrer Heimat bewähren sie sich ausgezeichnet, ohne ihr anspruchsloses Fressverhalten wären viele wertvolle Biotope der Verbuschung zum Opfer gefallen.


Mit Hörnern aber friedlich

Die Weiße Gehörnte Heidschnucke erkennt man am langen, keilförmigen Kopf und den schneckenförmigen Hörnern bei den Böcken, den sichelförmig nach hinten gebogenen Hörnern bei den weiblichen Tieren. Neben der Beweidung von kargen Böden und Heideflächen und der wärmenden Wolle spielt natürlich das Fleisch der Schnucke für viele Menschen eine wichtige Rolle. Und das Fleisch der Heidschnucken ist eine Delikatesse: aromatisch und zart, mit kurzen Fleischfasern. Durch die extensive Haltung (meist auf Naturschutzflächen) mit entsprechend vielfältigem Futterangebot erhält es einen feinen wildähnlichen Geschmack. Braten von Rücken und Keule machen jeden Feinschmecker glücklich. Im Jahr 2011 wurden allerdings nur noch 700 Heidschnucken gezählt, so gelten sie in ihrem Bestand als extrem gefährdet und stehen auf der Roten Liste der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen. Dank ihres Einsatzes für den Naturschutz in Heide und Moor und durch ihre gute Fleischqualität sollte uns die Weiße Gehörnte Heidschnucke aber noch lange erhalten bleiben. Was wäre die Heide ohne ihre Schnucken?

Weiße Gehörnte Heidschnucke. © Ingo Wandmacher