Jens Mecklenburg

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Wie kommt die bäuerliche Landwirtschaft durch die Pandemie?

Gespräch mit Ernst Schuster von den Nordbauern
22. April 2021

Die Landwirtschaft steckt schon länger in der Krise. Immer mehr Höfe geben auf. Seit gut einem Jahr grassiert auch noch Corona. Welche Auswirkung hat die Pandemie für die bäuerliche Landwirtschaft? Welche Rolle spielen Hofläden bei der Versorgung der Bevölkerung? Welche Zukunft hat die Landwirtschaft im Norden? Ein Gespräch mit dem Vorsitzenden der Nordbauern Ernst Schuster.  

Ernst Schuster, Vorsitzender der Nordbauern ©Johanna Rädecke

Seit über einem Jahr hält uns die Pandemie in Atem. Was ist dein persönliches Fazit?

Die völlig ungewohnte und bis dahin unvorstellbare Situation einer weltweiten teilweisen Lähmung sozialer und wirtschaftlicher Aktivitäten zeigt uns die Grenzen menschlichen Handelns auf. Wir sollten die augenblicklichen Herausforderungen als Aufforderung verstehen unser Handeln und Wirtschaften stärker an natürlichen (ökologischen) Kreisläufen zu orientieren.


Welche Auswirkungen hat die Corona-Pandemie konkret für die Nordbauern?

Durch den Wegfall von Bauern- und sonstigen Märkten und jeglicher öffentlichen Warenpräsentation fielen für die Mitgliedsbetriebe wichtige Einnahmequellen und Werbeplattformen weg. Wir haben diese Situation aber genutzt, um neue Wege mit einer „Onlineverkostung regionaler Lebensmittel“ zu gehen. Eine interessante Erfahrung, konnten doch neue Partnerschaften aufgebaut werden und wir konnten Erfahrungen sammeln, die unsere Direktvermarkter für die Zukunft nutzen können. 


… und für die bäuerliche Landwirtschaft?

Große Auswirkung, besonders für Betriebe die stark auf Zusatzeinkommen aus Hofcafés, Lernort Bauernhof oder ähnliches angewiesen sind. 


Jetzt ist gerade Spargelsaison, dann folgen die Erdbeeren. Ohne Erntehelfer aus dem Ausland geht in der Regel nichts. Wie sieht es in Pandemie-Zeiten aus und ist es nicht ein ethisches Problem, unseren Spargel nur durch die Hilfe von Saisonarbeitern, die für Mindestlohn arbeiten, essen zu können?

Gerade an den saisonalen Produkten wie Spargel, Erdbeeren und ähnlichem ist die komplexe Struktur unserer Lebensmittelversorgung gut ablesbar. Hier kann der Preiskampf im Handel und bei den Verbrauchern nur durch die Zahlung von Mindestlöhnen für die Saisonarbeiter ausgeglichen werden, bei anderen Lebensmitteln sind hingegen Milliardensubventionen erforderlich, um billige Lebensmittel ins Supermarktregal zu bekommen. „Geiz ist eben nicht geil“, irgendjemand zahlt immer die Zeche. So geht es nicht weiter!

Die EU-Agrarreform soll mehr Geld für Klima- und Umweltschutz bereitstellen, dafür sollen die großen Betriebe weniger bekommen. Gut oder schlecht für die Nordbauern? 

Die Mitgliedsbetriebe der Nordbauern sind mit ihren Hofläden wichtige Versorger mit wichtigen und nachhaltig erzeugten Lebensmitteln im ländlichen Raum, sie sind wichtige soziale Treffpunkte und in normalen Zeiten kulturelle Erlebnispunkte mit Hoffesten und ähnlichen Veranstaltungen. Auch aber nicht nur über die EU-Agrarreform sollten diese Strukturen gestärkt werden, hier sind auch die Landes- und Bundesregierung gefordert. Wer lebendiges Leben auf dem Land erhalten will, muss auch an seine Bäuerinnen und Bauern denken.


Obwohl Regionalität schwer angesagt ist, geht das „Höfesterben“ munter weiter. Was sind die Gründe?

Das Höfesterben ist ein sehr komplexer Vorgang und spiegelt die Situation in der gesamten Wirtschaft. Die meisten landwirtschaftliche Betriebe befinden sich in der Situation, bei steigenden Kosten und stagnierenden bis sinkenden Preisen, ausreichend Ertrag für ihre Familie zu erwirtschaften. Bei der Preisgestaltung ihrer erzeugten Produkte stehen die Bauern am Ende der Nahrungskette. Motto: Friss oder stirb. Und selbst wenn sie „Fressen“, müssen immer mehr Betriebe aufgeben. 


Braucht die bäuerliche Landwirtschaft spezielle Hilfen? 

Die bäuerliche Landwirtschaft braucht vor allem den kritischen Dialog mit Verbraucherinnen und Verbrauchern sowie politischen Entscheidungsträgern. Dieser Dialog wurde von uns gesucht, zum Beispiel mit der 2019 begonnenen Serie „Genuss aus der Region – Was wollen wir essen“. Wir sitzen doch letztendlich als Gesellschaft alle in einem Boot. Gemeinsam mit politischen Entscheidungsträgern müssen zum Beispiel Hemmnisse für die regionale Produktion und Vermarktung analysiert und beseitigt werden. Genannt seien hier immer mehr Bürokratie und Verwaltungsvorschriften und andere Marktmechanismen, die besonders die kleinen Betriebe treffen. 

Um regionale Lebensmittel für den Markt verfügbar zu machen ist die Förderung nachgelagerter Verarbeitung von Mühlen oder handwerklichen Schlachtereien dringend geboten. Bäuerliche landwirtschaftliche Direktvermarkter müssen als für die Versorgung des ländlichen Raumes relevante Betriebe eingestuft und gefördert werden.


Vor gut einem Jahr seid ihr mit einem Manifest für einen neue bäuerliche Landwirtschaft an die Öffentlichkeit gegangen. Wie wurde es aufgenommen, was ist seitdem passiert?

Wir haben mit vielen Menschen über unsere Thesen gesprochen und viel Zustimmung bekommen. Durch die Beschränkungen im Rahmen des Corona Lockdowns war allerdings eine größere öffentliche Diskussion nicht möglich. 

Dies werden wir aber nachholen und die Zeit ist reif für Veränderungen. Auch das Schleswig-Holsteinische Landwirtschaftsministeriums sucht das Gespräch mit allen interessierten und betroffenen Gruppen. Nur gemeinsam – Bauern, Handel, Verbraucher, Politik – werden wir gute Lösungen finden. 

Der Hofladen der Obstquelle Schuster ©Johanna Rädecke



Die meisten Nordbauern sind Direktvermarkter, viele haben Hofläden. Wie sind eure Erfahrungen in Corona Zeiten?

Der Lockdown hat dazu geführt, dass viele Menschen sich stärker um regionale Produkte bemühen, offensichtlich auch wieder mehr auf dem eigenen Herd kochen und in Hofläden einkaufen. Die Hofläden erweisen sich gerade jetzt in der Krise als wichtige Lebensmittelversorger und soziale Treffpunkte, auch unter der Maske kann der Kunde der Bedienung sein Sorgen offenbaren.


Da Veranstaltungen nicht möglich waren, habt Ihr eine Serie von Onlineverkostungen durchgeführt. Wie waren eure Erfahrungen? 

Unsere Mitgliedsbetriebe haben sich mit Herzblut auf die digitale Herausforderung eingelassen, so dass auch Verbraucherinnen und Verbraucher aktiv vor dem Bildschirm mitprobieren konnten und dazu wertvolle Informationen vermittelt bekamen. Wer wollte, konnte vorher ein Probierpaket anfordern und mit verkosten. Wir bleiben dran und überlegen, weitere Verkostungen anzubieten.


Was glaubst Du, welche Folgen wird die Corona-Krise langfristig für die bäuerliche Landwirtschaft haben?

Ich hoffe, dass durch die jetzige Krise das Bewusstsein für eine stabile und umfassende regionale Versorgung mit guten Lebensmitteln gestärkt wurde und die Landwirtschaftspolitik die in den Regionen verankerten Betriebe der landwirtschaftlichen Urproduktion unterstützt und stärkt. Alle reden von Regionalität – wir leben und produzieren sie.

(Das Gespräch führte Jens Mecklenburg für Nordische Esskultur)

 

Über Ernst Schuster und die Nordbauern

Ernst Schuster ist Obstbauer (Obstquelle Schuster) und Vorsitzender der Nordbauern Schleswig-Holstein. 2013 wurden die Nordbauern gegründet. Mittlerweile sind rund 50 landwirtschaftliche Betriebe und Genussmanufakturen zwischen Ost- und Nordsee dort organisiert. Fast alle Mitglieder sind Direktvermarkter. Man will der bäuerlichen Landwirtschaft eine Stimme geben und sucht den Dialog mit Verbrauchern, Handel und Politik. Die Nordbauern sind mit einem Manifest für eine neue Landwirtschaftspolitik an die Öffentlichkeit getreten.

 

Über Ernst Schuster und die Obstquelle Schuster

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