Jens Mecklenburg

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Vom Hering zum Matjes

Labskausgeschichten
4. Juli 2023
©Henning Plotz

Matjes ist eine norddeutsche Spezialität und einer der beliebtesten Begleiter zum Labskaus. Was aber ist ein Matjes eigentlich? 

Ein Matjes ist ein junger Hering. Er ist keine »Jungfrau«, wie häufig behauptet wird, sondern hat sich in seinem Leben schon mindestens einmal fortgepflanzt, nur nicht in dem Jahr, wo er gefangen und zum Matjes veredelt wird. Ein Hering kann stolze 25 Jahre alt werden. Aber nur aus den besten drei- bis vierjährigen Heringen, gefangen im Frühjahr und bevor sie Milch und Rogen angesetzt haben, wird Matjes produziert. In dieser Zeit beginnen sie, eiweißreiches Plankton zu fressen, und steigern dadurch ihren Fettgehalt, der für den Geschmack wichtig ist. Das angefressene Fett benötigen die Heringe, um ihre Geschlechtsmerkmale, Milch (Samen) und Rogen, auszubilden. Zuerst wird der Hering gekehlt, das heißt ausgenommen. Ein kleiner Rest, die Bauchspeicheldrüse, verbleibt im Fisch, da seine natürlichen Enzyme den Hering zum Matjes reifen lassen. Mit Salz vermengt reift der Hering nun sieben Tage im Fass und wird anschließend sorgfältig von Hand filetiert. Da die jungen Heringe heutzutage gleich nach dem Fang schockgefroren werden, können sie das ganze Jahr über, ohne an Qualität zu verlieren, frisch verarbeitet werden. Die Heringe, aus denen Matjes gemacht wird, werden vor allem in der zentralen Nordsee, vor Schottland und Island und vor den Gewässern Norwegens gefangen.

Kulthering

Der Name für den jungfräulichen Hering hat der Legende nach, seine Wurzeln im holländischen Wort für Mädchen, Meisjes. Während die Holländer Matjes meist als kleinen Snack zwischendurch goutieren, hat sich in Norddeutschland eine reichhaltige Tisch- und Esskultur um den »Kulthering« entwickelt. Er wird im Fischbrötchen gereicht, mit zahlreichen Beilagen verspeist und natürlich zum Labskaus serviert. Ein frisches Matjesfilet sollte unbedingt silbrig-braun glänzen, die Filetunterseite leicht rötlich – hieran lässt sich auch ein an der Gräte gereifter Matjes gut erkennen. Qualitätsmatjes ist zart mit leichtem Biss und duftet und schmeckt mildsalzig nach Meer, Algen und feiner Butter. Ein schmackhafter Matjes hat einen Fettgehalt von mindestens 12 und höchstens 20 Prozent. Heute gilt Matjes als eine norddeutsche Delikatesse. Früher wurde der Hering nur deshalb in Salz eingelegt, um ihn lange haltbar zu machen. Er musste vor dem Verzehr erst gewässert werden, um genießbar zu sein. Konsistenz und Geschmack litten darunter. Heute wird bei guter Matjes-Herstellung – wie zum Beispiel in Glückstadt an der Elbe und Eckernförde an der Ostsee – gerade so viel Salz verwendet, dass der Matjes seine charakteristischen Geschmacksaromen besonders gut ausbilden kann. Auch die Frische bei der Verarbeitung und die sorgfältige Handarbeit sorgen dafür, dass aus dem Hering eine zarte und aromatische Delikatesse wird. Matjes mundet aber nicht nur gut, sondern ist auch gesund. Er hat einen hohen Natriumgehalt und enthält viel Phosphor, Kalium, Magnesium und Kalzium. Ein Matjes liefert fast den Tagesbedarf an Jod. Angesichts seines hohen Fettgehalts ist Matjes besonders gesund. Das Fisch-Informationszentrum in Hamburg schätzt, dass rund 100 Millionen Matjesfilets von je 40 bis 45 Gramm jährlich in Deutschland verzehrt werden. Die meisten natürlich im Norden der Republik. Und bestimmt schmücken zahlreiche Exemplare davon einen Labskausteller.

Jens Mecklenburg & Gabriele Haefs

Mythos Labskaus

Eine kulinarische Kulturgeschichte

Aus der Edition Nordische Esskultur

KJM-Buchverlag, 136 Seiten, 20 Euro

 

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