Jens Mecklenburg

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Tiere & Pflanzen brauchen Platz und Erholung

Bundesumweltministerium legt Bericht zur Lage der Natur vor
20. Mai 2020

Ob Insekten oder Vögel – ein Regierungsbericht verzeichnet bei vielen Pflanzen und Tieren „dramatische Einbrüche“. Und nennt einen Hauptschuldigen.

Schmetterlinge leiden, Wiesen verschwinden: Tieren und Pflanzen geht es vor allem in ländlichen Regionen immer schlechter. Die Ursache ist laut Umweltministerin Svenja Schulze klar.

Kiebitzfamilie. © Thorsten Krüger

Zu viel Dünger, zu viele Pestizide, riesige Felder mit wenig Abwechslung: Die intensive Landwirtschaft in Deutschland nimmt immer mehr Tieren den Lebensraum. Dies geht aus einem Bericht zur Lage der Natur hervor, den Umweltministerin Svenja Schulze am Dienstag in Berlin vorstellte. „Besonders kritisch ist die Lage bei Schmetterlingen, Käfern, Libellen“, so die Ministerin.

Während im Wald und auch in Städten die Zahl der Vögel wachse, nehme sie in der Agrarlandschaft ab, sagte Schulze. „Wir haben heute nur noch ein Zehntel der Rebhühner und Kiebitze, die wir vor 25 Jahren hatten.“

Der Bericht fasst Daten von Behörden und ehrenamtlichen Naturschützern aus den vergangenen sechs Jahren zusammen. Neben Rückgängen der Artenvielfalt verzeichnen die Experten auch Erfolge für den Naturschutz – insbesondere in Wäldern, teilweise aber auch in Dörfern und Städten sowie bei der Renaturierung von Flüssen. Gut geht es demnach etwa der Kegelrobbe an der Nordsee und dem Steinbock in den Alpen.

Ministerin Schulze sprach von einem „gemischten Bild“, insgesamt gehe es der Natur nicht gut genug. Zwar berücksichtige der Bericht nur einen Bruchteil der mehr als 50.000 Arten, die in Deutschland lebten, er sei aber repräsentativ genug, um Rückschlüsse zu ziehen. Der Treiber hinter den Verlusten im sogenannten Offenland sei „ganz eindeutig“ die intensive Landwirtschaft, da brauche es „dringend eine Trendwende“. Die SPD-Politikerin mahnte an, das kürzlich verschärfte Düngerecht nun konsequent umzusetzen, und bekräftigte, dass noch in diesem Jahr ein Insektenschutzgesetz kommen solle.


Landwirte beklagen hohe Kosten 

Der Bauernverband zog den Befund selbst nicht in Zweifel, wehrte sich aber gegen Schuldzuweisungen. „Viele Landwirte sind bereit, mehr im Vertragsnaturschutz zu tun, aber es bestehen bürokratische Hemmnisse und mangelnde Anreize“, sagte der stellvertretende Generalsekretär Udo Hemmerling. Die Naturschutzpolitik setze viel zu stark auf staatliche Auflagen. „Die Landwirte bleiben viel zu oft auf den Kosten des Naturschutzes sitzen, das muss sich ändern.“ Schulze forderte, die EU-Agrarsubventionen so umzubauen, dass öffentliche Leistung – zu der auch Naturschutz gehöre – belohnt werde.

Dem Bericht zufolge sind 63 Prozent der Tiere und Pflanzen sowie 69 Prozent der Lebensraum-Typen, die in der EU von der sogenannten FFH-Richtlinie erfasst sind, in unzureichendem oder schlechtem Erhaltungszustand – betroffen sind vor allem Grünland, Seen, Feuchtgebiete, Meere und Küsten. Die FFH-Richtlinie schützt Tiere, Pflanzen und Lebensräume. Für Vögel gibt es eine eigene Richtlinie.

Der Bericht, der nur alle sechs Jahre erscheint, dient dazu, der EU-Kommission über die Umsetzung beider Richtlinien Rechenschaft abzulegen. Gegen Deutschland läuft ein EU-Verfahren, weil bestimmte wichtige Gebiete – genannt Natura-2000-Gebiete – nicht ausreichend geschützt werden. Schulze verwies dazu auf die Bundesländer, die für die Umsetzung zuständig seien. Die Präsidentin des Bundesamts für Naturschutz, Beate Jessel, kritisierte, dass zum Beispiel Verstöße von Landwirten nicht geahndet würden, die Wiesen oder Weiden unerlaubt zu Äckern umwandelten.

Neue Agrarpolitik?

Europas Agrarpolitik steht vor einer neuen Förderperiode und soll reformiert werden. Die Verhandlungen stehen auch auf der Tagesordnung der deutschen EU-Ratspräsidentschaft, die im Juli beginnt. Parallel will Schulze die Arbeiten an einem nationalen Insektenschutzgesetz forcieren, sagte die Ministerin. Ihr Ziel sei es, das Gesetz noch dieses Jahr zu verabschieden. Es würde auch den Einsatz von Pestiziden erschweren.

Immerhin habe aber die Coronakrise mit ihren kleinen Fluchten ein Gutes, sagt Schulze. „Die Wertschätzung für die Natur ist gewachsen.“ 

Distelfalter © NABU