Jens Mecklenburg

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Schlachthöfe in der Kritik

Werden Werkverträge für osteuropäische Arbeiter verboten?
20. Mai 2020

Die Betreiber von Schlachthöfen stehen zunehmend in der Kritik. Die Bundesregierung erwägt ein Verbot von Werkverträgen in Schlachthöfen. Robert Habeck fordert einen Mindestpreis für Fleisch. Die Branche sieht sich stigmatisiert.


Die Bundesregierung will die Arbeitsschutzanforderungen in Schlachthöfen erhöhen, nachdem in zahlreichen Betrieben ein Ausbruch des Coronavirus bekannt wurde. Bereits in der vergangenen Woche hatte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) in einer aktuellen Stunde im Bundestag angekündigt, insbesondere bei den vielen Werkverträgen und Subunternehmen in der Branche „aufräumen“ zu wollen. Berichten zufolge sieht sein Beschlussvorschlag ein weitgehendes Verbot von Werkverträgen in Schlachthöfen vor.

Grundlegende Reform nötig

Die Beratungen darüber wurden nun gestern auf Mittwoch verschoben. Es gebe noch Beratungsbedarf, zitiert die Deutsche Presse-Agentur aus Regierungskreisen in Berlin. „Wir brauchen verbindliche Quoten für die Kontrollen, schmerzhafte Bußgelder bei Verstößen und klare, unmissverständliche Verantwortung eines Arbeitgebers für seine Betriebsabläufe“, hatte der Bundesarbeitsminister angekündigt. Auch die Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner und der nordrhein-westfälische Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (beide CDU) forderten, Bußgelder auf bis zu 30.000 Euro zu verdoppeln.

Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) appellierte an die Bundesregierung, eine „grundlegende Reform“ der Fleischindustrie auf den Weg zu bringen. Es müsse neue Gesetze und „glasklare Regeln“ für die Branche geben, sagte NGG-Vizechef Freddy Adjan den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Dazu gehöre vor allem das Verbot von Werkverträgen im Kernbereich der Unternehmen.

Das System der Werkverträge – also der Anheuerung von Subunternehmen – habe die schlimmsten Zustände in der Branche ermöglicht, beklagte Adjan. Die Betriebe dürften das Schlachten nicht mehr „an dubiose Billigfirmen vergeben und damit die Verantwortung auslagern“, kritisierte der NGG-Vizechef. Die Fleischkonzerne hätten „skrupellos die Gesundheit von Zehntausenden Menschen gefährdet“.


Mindestpreis für Fleisch 

Doch nicht nur die Werkverträge stehen in der Kritik. Debattiert wird auch über die Fleischpreise. Der Unionsfraktionsvize Georg Nüßlein (CSU) plädierte dafür, die Mehrwertsteuer auf Fleisch von derzeit sieben Prozent zu erhöhen. „Der unanständige Preiskampf beim Fleisch ist die Wurzel vieler Übel. Er bringt unsere Landwirte in Existenznöte, schadet dem Tierwohl und ist für die problematischen Arbeitsbedingungen in Schlachthöfen verantwortlich“, sagte der CSU-Politiker in der Augsburger Allgemeinen und forderte zudem ein Ende von Billigpreiswerbung für Fleisch.

Der Grünenvorsitzende Robert Habeck bekräftigte seine Forderung nach einem Mindestpreis für Fleischprodukte. „Wenn wir von Bauern gute Arbeit, Tierschutz und Klimaschutz verlangen, dann müssen wir sie auch dafür bezahlen“, sagte er der Bild-Zeitung. Preise für Fleisch oder Milch, die unter den Produktionskosten der Bauern lägen, seien „schlicht eine Schweinerei“.

Vertreter der Fleischwirtschaft kritisieren die Vorschläge aus der Politik. „Mit dem sachfremden und politisch fahrlässigen Vorstoß zu einem Verbot von Werkverträgen allein in der Fleischbranche ignoriert die Politik die Fakten und stigmatisiert unsere Branche“, sagte der Präsident des Zentralverbandes der Deutschen Geflügelwirtschaft, Friedrich-Otto Ripke.

Deutschlandweit war in zahlreichen Betrieben bekannt geworden, dass sich Mitarbeitende mit dem Coronavirus Sars-Cov-2 infiziert hatten. Zuletzt wurden 92 Mitarbeitende in einem Betrieb im Landkreis Osnabrück positiv getestet, nach Angaben des Landeskreises sind darunter auch „zahlreiche Kräfte, die von Subunternehmen beschäftigt werden“ und teils in Sammelunterkünften untergebracht waren. Insgesamt sollen sich bundesweit rund 1.000 Mitarbeiter von Schlachthöfen infiziert haben. Die Produktion des Betriebs in Osnabrück wurde am Montag ausgesetzt. Zuvor waren bereits u.a. Betriebe in Nordrhein-Westfalen, Bayern und Schleswig-Holstein betroffen. Begünstigt werden die Infektionen durch die Enge in Sammelunterkünften ausländischer Arbeiter und die fehlende Einhaltung von Hygieneregeln in der Corona-Krise.