Schleppnetze reißen den Meeresboden auf, schädigen Meer und Klima. Daher will die EU-Kommission den Einsatz in Meeresschutzgebieten verbieten. Für Norddeutschlands Krabbenfischer, könnte dass das Aus bedeuten.
Angesichts neuer EU-Pläne für eine nachhaltigere Fischerei sehen Fischer an der deutschen Nordseeküste ihre Existenz in Gefahr. Vor allem ein geplantes Verbot von sogenannten Grundschleppnetzen in Meeresschutzgebieten, mit denen etwa Krabben gefischt werden, würde aus Sicht der Fischer das Aus vieler Betriebe bedeuten.
Symbolisch haben Fischer an vielen norddeutschen Küstenorten schwarze Holzkreuze aufgestellt, etwa in Greetsiel, Dangast und Büsum. Am Donnerstag suchte Niedersachsens Landwirtschaftsministerin Miriam Staudte das Gespräch mit Fischern im ostfriesischen Neuharlingersiel. Wird es künftig keine Krabbenbrötchen mehr an der Nordseeküste geben?
Worum geht es?
Grundschleppnetze sind Fanggeräte, die etwa von einem Kutter geschleppt werden und für das Fischen von Schollen, Seezungen oder Krabben am Meeresboden konzipiert sind. Meeresschützer sehen diese Fangmethode kritisch, da sie den Meeresboden und dort lebende Organismen schädigt und unerwünschter Beifang mit in den Netzen landet.
Wie sehr der Meeresboden durch diese Netze beeinträchtigt wird, hängt nach Angaben des bundeseigenen Thünen-Instituts von der Beschaffung des sogenannten Grundtaus am unteren Ende des Netzes ab. „Dieses kann aus leichten Gummi- oder Kunststoffrollen bestehen, die den Meeresboden nur leicht berühren, oder aus schwersten Stahlkugeln und Scheuchketten, die sich in weichen Boden eingraben“, schreibt das Institut auf seiner Website.
In der Krabbenfischerei kommen laut dem niedersächsischen Landwirtschaftsministerium fast ausnahmslos leichte Baumkurren ohne Ketten zum Einsatz, die wenig Druck auf den Meeresboden ausüben.
Was plant die EU?
Die EU-Kommission möchte, dass die Fischerei in ganz Europa nachhaltiger wird. Nach der EU-Biodiversitätsstrategie sollen bis 2030 mindestens 30 Prozent der EU-Gewässer unter Schutz gestellt werden. Um dieses Ziel zu erreichen, hat die Kommission einen Plan vorgelegt. Darin werden die EU-Mitgliedstaaten angewiesen, Maßnahmen zu ergreifen – unter anderem soll die Grundschleppnetzfischerei in Meeresschutzgebieten, also etwa in Nationalparks oder sogenannten Natura-2000-Gebieten, bis 2030 schrittweise eingestellt werden. Erste Maßnahmen sollen bereits bis Ende März 2024 feststehen. Der Plan soll zunächst beraten werden. Eine Verabschiedung könnte im Sommer folgen.
Welche Gebiete wären vor den deutschen Küsten betroffen?
Viele. Nach Angaben des Landesfischereiverbands Weser-Ems hat Deutschland rund 45 Prozent seiner Meeresgebiete als Natura-2000-Gebiete gemeldet. Innerhalb des Küstenmeers, also in der sogenannten Zwölfmeilenzone, ist demnach sogar mehr als die Hälfte Natura-2000-Gebiet – dazu zählen auch die drei Nationalparks für das Wattenmeer. Die Krabbenfischerei findet einer WWF-Analyse von 2016 zufolge zu fast 70 Prozent innerhalb der drei Nationalparks statt.
Was sagen die Küstenfischer?
Ihr Frust ist groß. Sie finden, dass ein komplettes Verbot nicht verhältnismäßig ist. „Wenn das durchgeht, ist es aus“, sagte der Vorsitzende des Landesfischereiverbandes Weser-Ems, Dirk Sander, kürzlich beim Fischereitag in Neuharlingersiel. Für die Krabbenfischer gibt es laut dem Verband keine Alternative zur Grundschleppnetzfischerei. „Du kannst keine Krabbe im Wattenmeer und wo auch immer mit Netzen fischen, die nicht am Grund sind. Angeln kann man sie auch nicht“, sagte Sander. Wenn der Fang mit Grundschleppnetzen nicht mehr möglich wäre, müsste künftig noch mehr Fisch nach Deutschland importiert werden, sagen die Fischer.
Bereits jetzt geht die Zahl der Krabbenkutter kontinuierlich zurück, sagt der Vorsitzende der Sparte Krabbenfischerei im Landesfischereiverband Schleswig-Holstein, Jan Möller. „Anfang der 2000er-Jahre waren in Deutschland noch knapp 250 Kutter hauptberuflich unterwegs, 2010 noch 220, und so hat sich der Trend fortgesetzt, sodass wir heute in Niedersachsen und Schleswig-Holstein zusammen unter 200 Krabbenkutter haben.“ Komme das Verbot, werde bis auf maximal eine Handvoll Betriebe nichts übrig bleiben, warnt Möller, selbst Krabbenfischer in Büsum.
Was sagen die Landesregierungen?
Die Landesregierungen in Kiel und Hannover sind sich einig, dass die Pläne nicht nur die Fischerei treffen würde: „Ein Verbot würde nicht nur viele berufliche Existenzen vernichten, sondern auch erhebliche sozioökonomische Auswirkungen weit über die Fischerei hinaus verursachen. Wir brauchen hier einen ausgewogenen Kompromiss zwischen Schutz und Nutzung“, sagt Fischereiminister Werner Schwarz aus Schleswig-Holstein. Auch aus Sicht des niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums hätte ein Verbot „schwerwiegende sozioökonomische Auswirkungen“.
Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein haben daher bereits ein gemeinsames Ministerschreiben an das Bundeslandwirtschaftsministerium gerichtet, in dem auf die katastrophalen Folgen eines solchen Verbots für die Küstenfischerei hingewiesen wird. Sie bitten den Bund, sich bei den weiteren Abstimmungen auf EU-Ebene gegen ein pauschales Verbot jeglicher grundberührender Fischerei in Meeresschutzgebieten auszusprechen. Auf der Agrarministerkonferenz in Büsum wollen die beiden Länder dazu auch einen Antrag einbringen.
Niedersachsen hat sich diesen Forderungen bislang nicht angeschlossen. Ob ein Verbot verhältnismäßig sei, müsse im Einzelfall entschieden werden, teilte das Ministerium von Fischereiministerin Staudte mit. Dies hänge von den Schutzzielen und der Art der Schleppnetzfischerei ab. Grundsätzlich halte es die Ministerin für sinnvoll, auf nachhaltigere Fangmethoden umzustellen. Dafür müsse auch in die Entwicklung alternativer Fangmethoden investiert werden, hieß es.
Was sagen Umweltschutzverbände?
Natur- und Meeresschützer sehen den Aktionsplan der EU-Kommission positiv. Der Plan mache klar, dass beim Meeresschutz dringend etwas passieren müsse, sagt etwa der Leiter des WWF-Wattenmeerbüros, Hans-Ulrich Rösner. Bislang habe sich die Fischerei des Themas nicht ausreichend angenommen. Intakte Meeresböden und Meeresökosysteme seien erst die Voraussetzung für Fischerei. Nun müsse es Gespräche für eine Lösung geben, sagt Rösner. „Damit meinen wir eine Lösung, die den notwendigen Schutz der Meere sicherstellt, aber auch für die Fischerei in die Zukunft führt.“ Eine regional verankerte, naturverträgliche Fischerei sei im Interesse aller.