Gabriele Haefs

Autorin

Zum Portrait

Schwarzgebranntes

Schnapserlebnisse auf Norwegisch
26. Februar 2023

Ehe wir uns dem geselligen Schnapstrinken widmen können, noch schnell ein Wort über das Schmuggeln als Alkoholbeschaffungsmethode. Ein Blick auf die Landkarte zeigt, dass Norwegen das perfekte Land für umfassende Schmuggeltätigkeiten ist – die endlose Küste mit den vielen felsigen Buchten, die lange Grenze zum billigeren Schweden, mit den vielen unbesetzten Grenzübergängen, wo höchstens ein Schild freundlich auffordert, wer etwas zu verzollen habe, solle bitte die unten angegebene Nummer anrufen! Leider muss ich gesehen, dass ich nicht die geringste Ahnung vom Schmuggeln habe – deshalb wir das Thema hier nur aus Pflichtbewusstsein gestreift. Wenn Sie gerade einen Streifzug durch norwegische Antiquariate planen: Unbedingt empfehlenswert ist der Romanklassiker „Schmuggler“ (norwegisch „Smuglere“, 1953, deutsch 1953) von Arthur Omre (1887 – 1967). Omre hatte selbst wegen Alkoholschmuggels gesessen und schildert die Jahre der norwegischen Alkoholprohibition (1916 bis 1927), die nie so streng war wie die der USA, und die 1927 durch eine Volksabstimmung aufgehoben wurde.

Neben Vinmonopolet und Schmuggel ist also das Selbstbrennen in Norwegen eine beliebte Methode zur Alkoholbeschaffung. Ganz vorn in der Produktionsmenge liegt der Bezirk Hedmark, was eigentlich verwundert, denn diese ostnorwegische Gegend grenzt schließlich an Schweden. Aber Selbstbrennen ist eben immer noch billiger als preisgünstig Einkaufen, jedenfalls wird in Hedmark viel gebrannt. In anderen norwegischen Gegenden natürlich auch, je weiter man sich von der Küste entfernt, desto mehr. So abenteuerlich das klingen mag, es muss auch zugegeben werden, dass es Schwarzgebrannter in Norwegen immer wieder Schlagzeilen macht. Witzig ist es, wenn er in Osloer Nobelrestaurants anstellte von wirklich edlen Tropfen serviert wird und die Gäste das nicht mal merken. Gar nicht witzig, wenn durch miesen Fusel Menschen erblinden oder gar zu Tode kommen, was aber auch alle paar Jahre passiert. Aber es gibt eben auch schöne Schnapserlebnisse.

© Gabriele Haefs

Schnapserlebnisse

Die klassische norwegische Hjemmebrentsituation ist die: Sie sind unterwegs, übernachten in einem kleinen Ort, je weiter nach Norden, desto wahrscheinlicher ist eine solche Begegnung. Sie sitzen im Imbiss, sonst gibt es nichts, wo man hingehen könnte. Und dort gibt es, manchmal, Bier, meistens aber Kaffee. Und da sitzen Sie nun des Abends bei Ihrem Kaffee und kommen mit Einheimischen ins Gespräch. Egal ob auf Norwegisch oder auf (beiderseits) gebrochenem Englisch, die Fragen sind immer gleich, woher kommt ihr, wieso seid ihr gerade hier in unserem Kaff – es folgen wenig schmeichelhafte Beschreibungen des Ortes, von den Gästen wird natürlich erwartet, dass sie heftig widersprechen und jedenfalls die landschaftlichen Schönheiten preisen. Wenn dieses Ritual vollzogen ist, werden die Gäste willkommen geheißen, wie es sich gehört. Mit einem Schnaps.

Wenn Sie gut hingesehen haben, haben Sie vermutlich schon beobachtet, wie Ihre Gesprächspartner sich, ehe sie das Gespräch mit Ihnen suchten, aus einer kleinen Flasche in regelmäßigen Abständen ihre Kaffeetasse aufgefüllt haben. Und nun sind Sie dran. Die Flasche taucht wieder auf, verstohlen, es soll ja niemand sehen, auch wenn alle wissen, was vor sich geht. Ihr Kaffee wird angereichert, oder, wenn Sie gerade ausgetrunken haben, wird ein Schluck einer bräunlichen, gelblichen oder auch durchsichtigen (eher selten) Flüssigkeit in Ihre Tasse gegossen. Und dann können Sie nur noch anstoßen und sich freuen, weil Sie hier echte norwegische „heimgebrannte“ Ware kosten dürfen. Keine Angst übrigens, blind werden Sie nicht, Ihre Gesprächspartner haben ihr Produkt ja schon längst im Selbstversuch auf Unschädlichkeit getestet. Wenn Sie zu tief in die Tasse schauen, riskieren Sie höchstens einen grimmigen Kater. Und ja, es ist natürlich Geschmackssache, aber ich habe noch keinen Hjemmebrent getrunken, der nicht geradezu furchtbar geschmeckt hätte, wie billiger Fusel eben.

Aber in einem Imbiss irgendwo im Nirgendwo in der norwegischen Pampa zum Schnaps eingeladen zu werden, ist einfach zu schön, was spielt der Geschmack da schon für eine Rolle …