Gabriele Haefs

Autorin

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Die Bibliotekbar: Zum Five o’Clock Tea zwischen Büchern

Stadtbummel durch Oslo
12. Juli 2023
© Kerstin Reimers

Vor dem Eingang steht ein ausgestopfter Bär, die Gäste werden von einem livrierten Portier empfangen, kurzum, wir betreten hier nicht irgendeine Eckkneipe. Das Bristol gehört zu den altehrwürdigen Hotels in der Osloer Innenstadt. Es wurde 1920 eröffnet, und der Architekt Finn Rahn (1879 – 1936) entwarf das Hotelinnere im »maurischen Stil«, wie er das nannte, mit Deckengewölben, Bögen, Nischen … marokkanisches Essen bekommt man hier allerdings nicht. In der Bibliotekbar gibt es Sandwiches, Kuchen und Wiener Schnitzel – und einen Five o’Clock Tea, wie er auch in englischen Palästen nicht edler zelebriert wird (dazu ist allerdings eine Anmeldung erforderlich). Der Name »Bibliotekbar« ist übrigens etwas irreführend: Die Bar ist mindestens ebenso sehr ein Café! Oft sitzen dort am späten Vormittag Osloer Damen nach dem Einkaufsbummel und zeigen sich gegenseitig ihre Neuerwerbungen. Auch Bücher werden herumgezeigt! Norwegens schriftstellerische Prominenz veranstaltet in der Bibliotekbar nämlich gern Buchvorstellungen. Erscheint das neue Werk, sitzt der Autor hier und empfängt einen Rezensenten nach dem anderen. Wenn Sie gerade in Oslo sind, wenn das neue Buch von Jo Nesbø oder Anne B. Ragde veröffentlicht wird – in der Bibliotekbar haben Sie die beste Chance, sich Ihr Exemplar signieren zu lassen. Man sitzt in Nischen zwischen Regalen voller Bücher, die irgendwelche Gäste im Laufe der Jahrzehnte hinterlassen haben. Es ist wirklich ein internationales Angebot, bei dem das »Handbuch des Bergwerksingenieurs« aus dem Jahre 1886 (auf Deutsch) ebenso wenig fehlt wie »Fifty Shades of Grey« (auf Englisch). Bücherklau wird ungern gesehen, aber das Bristol hat durchaus Verständnis für Bibliophile und rückt das ersehnte Buch gerne heraus, wenn wir es durch ein anderes ersetzen. Nur die Goethe-Gesamtausgabe von 1833 wollten sie nicht hergeben.

Adresse

Kristian IVs gate 7, 0164 Oslo

ÖPNV: U-Bahn bis Nationaltheatret (alle Linien).

Öffnungszeiten täglich 11–21 Uhr.

Tipp: Verlassen Sie das Hotel nicht gleich. In der Halle gibt es einen gut sortierten Souvenirladen. Trotz des Bären vor dem Eingang werden keine Bärenfelle angeboten, dafür aber Norwegerpullover, Schokolade, Käsehobel, Postkarten, Bildbände. Der Einkauf von Mitbringsel für die Lieben daheim geht ganz schnell.

Aus: Gabriele Haefs: 111 Orte in Oslo, die man gesehen haben muss.

Mit Fotografien von Kerstin Reimers. Emons Verlag. Paperback, 240 Seiten, 18 Euro. Zur Buchvorstellung