Jens Mecklenburg

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Schlehe – gegen Krankheiten, zur Hexenabwehr und für Likör

4. November 2022
© Ingo Wandmacher

„In blendend Linnen klar wie Schnee, hüllt sich der schwarze Dorn, der Schleh“, so ein alter Volksreim. Bereits die Bewohner der jungsteinzeitlichen Pfahlbauten sollen die Früchte genossen haben. Nachdem auch unsere Großeltern auf die Schlehe – auch Schlehdorn, Hagedorn oder Bockbeerli genannt – schworen, erlebt das Rosengewächs heute wieder eine Renaissance. Der deutsche Name Schlehe ist uralt und im ganzen germanischen Sprachgebiet verbreitet – verwandt ist er mit dem altslawischen „sliva“, dass sich noch im Slivovitz, dem Pflaumenschnaps wiederfindet. Und das ist gar nicht so weit hergeholt, gilt doch die Prunus (lat. Pflaumenbaum) spinosa (lat. dornig) als Stammmutter unserer Pflaumen und ist von Zentraleuropa bis nach Sibirien beheimatet. Als erste nach dem langen Winter wagt sie es, ihre weißen Blüten zu zeigen. Isst man die ersten drei Blüten, die man sieht, so schützt dies ein ganzes Jahr vor Sodbrennen und Fieber, so eine alte Überlieferung. Auch Hildegard von Bingen beschreibt schon um 1150 die Kraft der grünen Dornen und reifen Früchte als wirksam gegen die Gicht. Seit dem Mittelalter werden die Schlehenfrüchte aufgrund ihrer „zusammenziehenden Natur und stopffender Krafft und Würckung“ geschätzt und bei Magendrücken, Mundgeschwüren und Seitenstechen angewendet. Heute werden die Blüten als Heilpflanze in Form von Tee zur Blutreinigung und Frühjahrskur verwendet. Die dunkelblauen, prallen Beeren enthalten neben Vitaminen sehr viele organische Säuren und Gerbstoffe, die ihnen den herben, sauren Geschmack verleihen. Verarbeitet werden sie zu Marmeladen, Fruchtsäften, Likören, Branntwein, Schnaps und Fruchtweinen – die nicht nur köstlich schmecken, sondern zudem verdauungsfördernd wirken. Schlehen harmonieren in der Küche gut mit Apfel, Birne und Pflaume. Getrocknet schmecken sie leicht sauer und trotzdem angenehm mild. Der Kern der Schlehe enthält übrigens Blausäure, die dem Schlehenlikör das bittermandelartige Aroma verleiht. Roh genossen können sie – allerdings nur bei größeren Mengen – Magen- und Darmbeschwerden verursachen.

Für die Ernte der Früchte muss man auf den ersten Frost warten, von November bis Dezember sind die Beeren pflückreif. Eine Sage erzählt, dass die Schlehe durch göttliche Gnade nicht vom Blitz getroffen würde, weshalb man bei Gewitter unter ihr sicher sei. Zudem wehrt Krankheiten ab, wer unter den

dornigen Ästen durchschlüpft. An Walpurgisnacht nagelte man die Zweige an Stalltür oder steckte sie in den Misthaufen zur Abwehr von Hexen. Die Schlehe zählte früher auch zu den Pflanzen, mit deren Hilfe sich Wetter und Ernte voraussagen ließen. Ein gehäuftes Auftreten bedeutete einen besonders strengen Winter, so der Volksglaube. Dieses Jahr fällt die Ernte gut aus. Zeit, mal wieder einen Schlehenlikör anzusetzen.