Jens Mecklenburg

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Sanddorn – Zitrone des Nordens

Wie der Norden: rau, schön und mit Tiefgang.
16. September 2024
Foto von Sanddorn
Sanddorn © Ingo Wandmacher

Der berühmte Heerführer Dschingis Khan soll auf seinen Eroberungsfeldzügen im 13. Jahrhundert immer ein Fläschchen des wertvollen Öls, auch „Herzblut des Kaisers“ genannt, in seinen Satteltaschen verwahrt haben. Die Rede ist von Sanddorn (Hippophae rhamnoides). Das Öl stärkte die Immunkraft der Reiter und heilte äußerlich die Wunden vom Kampf. Auch in Tibet sind die heilsamen Wirkungen der Sanddornbeeren schon mehr als 1.200 Jahre Bestandteil der medizinischen Versorgung von Mensch und Pferd. Die ursprüngliche Heimat des Ölweidengewächses ist der Himalaya, Nepal, West- und Ostasien. Wie ein breites Band hat sich durch eiszeitliche Verschiebungen der Sanddorn – auch Haffdorn, Seedornbeere und rote Schlehe genannt – bis nach Nordeuropa verbreitet. Er wächst auf sandigen und kargen Böden und fühlt sich insbesondere in den Dünenregionen Nord- und Osteuropas wohl.

Am Strand von Hiddensee

Ein Dekret Lenins aus dem Jahre 1920 legte die Förderung einer groß angelegten Zucht, den Anbau und die Verarbeitung der gesunden Beeren in der Sowjetunion fest. Und wen wundert es da, dass Nina Hagen 1974 sang „Hoch stand der Sanddorn am Strand von Hiddensee“, denn in der DDR wurde der Sanddorn erstmals Ende der 60’er Jahre angebaut. Schnell erkannte man den hohen Vitaminanteil als guten Beitrag zur Volksgesundheit. Die „Zitrone des Nordens“ mit einem Vitamin-C-Gehalt von ca. 450 mg /100g galt dort als vorzüglicher Ersatz für die unerschwinglichen Bananen und Südfrüchte.

Die DDR gibt’s nicht mehr, der Sanddorn ist geblieben und findet mittlerweile nicht nur aus Gesundheitsgründen im gesamten Norden seine Anhängerinnen und Anhänger. Das Provitamin A wirkt sich positiv auf Haut und Schleimhäute aus, Vitamin E wehrt freie Radikale ab und unterstützt die Bildung roter Blutkörperchen und besonders beliebt (bei Veganern) ist der hohe Gehalt an Vitamin B12, der nur selten in Pflanzen vorkommt.

Sammelzeit der erbsengroßen, runden oder ovalen Beere (die botanisch eine nussartige Scheinbeere ist), ist von August bis Dezember. Doch Vorsicht bei der Ernte: Die kleinen Beeren platzen sehr schnell, besser ist es, den gesamten Zweig abzuschneiden und dann erstmal in die Tiefkühltruhe zu legen. Die gefrorenen Beeren, die zum Rohgenuss übrigens weniger geeignet sind, lassen sich dann besser abtrennen. Verwendung in der Küche finden die Beeren eingekocht als Mus, Kompott, Gelee, Saft oder Chutney, doch auch gedünstet eignet sich Sanddorn hervorragend als Beilage zu Wild, Geflügel und Schmorbraten. Und in norddeutschen Destillerien werden wunderbare Geiste aus heimischen Sanddorn gebrannt. In Indien ist übrigens der Sanddorntee aufgrund seiner leicht berauschenden Wirkung auf Festen sehr beliebt. Der Sanddorn ist eben ein Multitalent: Er stärkt die Abwehrkräfte, mundet in verschiedensten kulinarischen Zuständen und ist zudem noch hübsch anzusehen. Sanddorn ist wie der Norden: rau, schön und mit Tiefgang.