Das Gourmet-Restaurant L’Auberge du Pont de Collonges des verstorbenen Starkochs Paul Bocuse verliert seinen dritten Michelin-Stern – „Michelin-Sterne werden nicht vererbt, man muss sie sich verdienen“, äußerte der neue Chef bei Michelin.
Das Restaurant L’Auberge du Pont de Collonges in der Nähe von Lyon wird ab der neuesten Ausgabe des Restaurantführer Guide Michelin nur noch zwei Sterne haben, bestätigte Michelin Frankreich.
Das Essen sei nach wie vor ausgezeichnet, hieß es. Aber nach den Testessen, die die Inspektoren des Michelin-Führers im Laufe des Jahres 2019 durchgeführt haben, sei das Restaurant nicht mehr auf dem Niveau des dritten Sterns. Der neue Restaurantführer Guide Michelin erscheint am 27. Januar.
Für das Team des Traditionshauses ist das ein Schock. „Obwohl wir von dem Urteil der Inspektoren erschüttert sind, gibt es eine Sache, die wir hoffentlich nie verlieren werden, und das ist die Seele von Monsieur Paul“, reagierte das Restaurant. „Paul Bocuse war ein Visionär, ein freier Mensch, eine Naturgewalt“, hieß es weiter. Auch der Chefkoch der Élyséeküchen, Guillaume Gomez, reagierte: „Ich weiß, dass Sie weiterhin an der Spitze der Weltgastronomie glänzen werden, wie Sie es seit mehr als 55 Jahren tun.“
Frischer Wind
Seit einem Chefwechsel weht beim „Guide rouge“, wie die Feinschmeckerbibel des Reifenherstellers Michelin in Frankreich genannt wird, ein neuer Wind. Der neue Verantwortliche Gwendal Poullennec sagte einmal der Zeitung Le Monde, die Sterne gehörten nicht den „Chefs“, wie Spitzenköche in Frankreich genannt werden. Er verstehe die Emotionen des Teams, reagierte Poullennec nun. Doch zwei Sterne seien der aktuelle Wert des Hauses – zu diesem Ergebnis seien die Tester gekommen. „Michelin-Sterne werden nicht vererbt, man muss sie sich verdienen.“
Bereits vor einigen Jahren, noch zu seinen Lebzeiten, wollte Michelin Bocuse auf 2 Sterne herabstufen – nach einem kollektiv-kulinarischen Aufschrei durch ganz Frankreich nahm der Guide davon Abstand und verlieh dem Restaurant seitdem „3-Ehren-Sterne“.
Paul Bocuse starb 2018 im Alter von 91 Jahren und galt als Inkarnation der französischen Küche. In Deutschland undenkbar, verkündete der damalige Innenminister sein Ableben. Der Gastronomieführer „Gault&Millau“ nannte ihn „Koch des Jahrhunderts“. Der Gourmet-Tempel L’Auberge du Pont de Collonges ist bis heute ein Pilgerort für Gourmets aus aller Welt.
Meister der großen Geste
Bocuse gehörte zu den Vertretern der Nouvelle Cuisine“, einer Bewegung damals junger Köche, die die französische Küche entstauben wollten. Einfache Zubereitung, frische Zutaten, Regionalität – das waren die Grundlinien.
Die „Nouvelle Cuisine“ der 1960er bis 1980er Jahre entwickelte sich weiter, doch ihre Grundzüge sind bis heute aktuell geblieben. So hat die Kochlegende auch die Spitzengastronomie in Norddeutschland und Skandinavien geprägt. Bis heute ist seine Philosophie vom perfekten Handwerk, allerhöchste Produktqualität, frische Zutaten, soviel wie möglich aus der Umgebung und einfache wie nachvollziehbare Zubereitung die Grund-DNA der modernen Hochküche.
Auch die heutige Popularität von Spitzen- und TV-Köchen führt zu Monsieur Paul. Er holte die Köche als erster hinter dem Herd hervor. Noch Anfang der 70er Jahre war der Oberkellner der „Star“ im Restaurant. Gestickte Namen auf Kochjacken, die obligate Runde durchs Restaurant, Zweitrestaurants, eigene Produkte, Werbung, Pressearbeit, TV-Auftritte … Bocuse machte es vor. Seine Kochbücher verkauften sich in Millionenauflagen in aller Welt. Er war ein Meister der großen Geste und wenn nicht der Erfinder, so das Gesicht der neuen französischen Küche.