Jens Mecklenburg

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Konsum-Kater, Hotels als Spitäler, Nudeln von der Rutsche

Die aktuelle Corona Entwicklung im Überblick
6. April 2020

Keine Shopping-Stimmung mehr

Die Unsicherheit und die Einschränkungen des öffentlichen Lebens drücken die Stimmung der Verbraucherinnen und Verbraucher. Das HDE-Konsumbarometer fällt auf seinen tiefsten Stand seit Beginn der Befragungen im Oktober 2016, teilt der Handelsverband HDE mit. Für die kommenden Monate sei mit einem deutlichen Rückgang des Konsums zu rechnen, die Krise sei bei den Verbrauchern angekommen.

Auch eine Umfrage, die vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) in Auftrag gegeben wurde, bestätigt diese Sorgen. Demnach fürchten 38 Prozent der Befragten Wucherpreise für vielleicht einmal knappe Waren wie Hygieneartikel. Etwa ein Drittel sorgt sich, dass die private Altersvorsorge an Wert verliert. Und 43 Prozent sorgen sich, wegen fehlender Klinik- oder Arztkapazitäten im Falle des Falls nicht ausreichend behandelt werden zu können. Der große Teil der Befragten scheine aber nicht übermäßig beunruhigt zu sein, sagt vzbv-Chef Klaus Müller. „Das ist gut, darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass gerade gesundheitliche und finanzielle Sorgen viele Menschen umtreiben.“ In der Krise dürften Verbraucherrechte nicht aufgeweicht werden.


Hotels zu Krankenstationen

Die Hotelbranche will mit neuen Geschäftsmodellen zumindest einen Teil ihrer Zimmer füllen. Viele Häuser in Deutschland bieten Räume bereits als Alternative zum Homeoffice an, teilte der Hotel- und Gaststättenverband Dehoga in Berlin mit. Auch die Hotelplattform HRS aus Köln will in dieses Geschäft mit einsteigen. Deren Initiative ‚MeWork‘ richte sich in einer ersten Phase an Hotels, die Zimmer als Büros für ihre Mitarbeiter anmieten wollen. In einer zweiten Phase soll es auch Angebote für Kleinunternehmer und Selbstständige geben. Der Verband Dehoga lobt die „optimalen Rahmenbedingungen“ in Hotelzimmern. Im Portal homeoffice-im-hotel der Dehoga gibt es bisher 142 Hotels mit entsprechenden Angeboten.
Viele Hotelbetreibende sind außerdem bereit, ihre Häuser als Krankenstationen für Coronavirus-Erkrankte zur Verfügung zu stellen. Die Bundesländer führten dazu bereits Gespräche mit den Dehoga-Landesverbänden, sagte Ingrid Hartges, die Hauptgeschäftsführerin des Verbands den Zeitungen der Funke Mediengruppe.


Essen von der Rutsche

In der Corona-Krise müssen gerade Gastronomiebetriebe kreativ werden, um unter Einhaltung der Abstandsregeln zumindest Abhol- und Lieferdienste anbieten zu können. Unerwartete Hilfe aus der Nachbarschaft hat dabei ein Ramen-Restaurant, also eines in dem es um japanische Nudeln geht, im Hamburger Karolinenviertel erhalten. Eine Nachbarin hat für das Lokal eine Rutsche gebaut. „Wir haben nach Beginn der Maßnahmen direkt auf Abhol- und Liefergeschäft umgestellt“, sagt Inhaber Florian Ridder. „Doch besonders im Eingangsbereich war es für wartende und neue Kunden schwer, genügend Abstand zu halten.“ Eine befreundete Nachbarin sei dann auf die Idee gekommen eine Ramen-Rutsche zu bauen, die man an der Treppe zur kleinen Terrasse vor dem Restaurant anbringen kann. „Seit Donnerstag können die Kunden dank der Rutsche nun vor dem Laden auf dem Gehweg warten und bei der Übergabe der fertigen Gerichte fällt direkter Kontakt nun ganz weg“, sagt Florian Ridder. Für ihn ist die Rutsche vor allem ein Zeichen dafür, dass es mit Kreativität auch in der aktuellen Situation weitergehen kann. Mehr zum Restaurant unter www.lesser-panda-ramen.de

© Josh Duncan/ Unsplash

Biersteuer wird gestundet

Kein Fußball mehr, keine Festivals mehr: Vor allem kleinere Brauereien fürchten in der Corona-Krise um ihre Existenz. Die Stundung der Biersteuer soll Brauereien in der Corona-Krise nun einen besseren finanziellen Spielraum verschaffen. Die Biersteuer steht den Ländern zu und betrug 2019 nach Angaben des Bundesfinanzministeriums insgesamt rund 650 Millionen Euro. Bundesfinanzministerium und die Finanzministerien der Länder haben sich darauf geeinigt, dass Brauereien die Steuer später zahlen können, teilte ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums mit. Das solle „in der derzeitigen schwierigen Lage die Liquidität von Brauereien verbessern und Arbeitsplätze schützen“. Auf die Erhebung von Stundungszinsen könne in der Regel verzichtet werden. Die Stundungsmöglichkeit flankiere die anderen Maßnahmen der Bundesregierung, die auch „unseren sozialen Zusammenhalt bewahren“ sollen. Der Deutsche Brauer-Bund nannte die Stundungsmöglichkeit ein wichtiges Signal für die Branche, die stark unter Druck stehe. „Es wird jetzt darauf ankommen, dass die Brauereien die Steuerstundung rasch und unbürokratisch in Anspruch nehmen können“, sagte Hauptgeschäftsführer Holger Eichele. Er betonte, dass es sich dabei nicht um Zuschüsse handele. Viele Brauereien stünden mit dem Rücken zur Wand, seit der Export weitgehend zum Erliegen gekommen sei, Veranstaltungen abgesagt werden und Gaststätten schließen mussten.


Lecker Corona

Coronavirus zum Essen? Der Erfurter Konditormeister Torsten Roth zeigt sich in der Not erfinderisch – und hat sein Angebot um viele, in der Krise plötzlich zentral gewordene Dinge erweitert. So gibt es bei ihm Pralinen, die aussehen wie das Coronavirus, Dosensuppe oder Desinfektionsmittel, eine Klopapierrolle als Torte oder ein Quarantäne-Schaf als Osterkuchen. „Wir nehmen das mit Augenzwinkern, wollen aber auch nichts verharmlosen“, sagte der 44-Jährige.

Die Süßigkeiten kämen beim Großteil der Kundschaft gut an. Etwa 100 Stück der roten, blauen oder grünen Virus-Pralinen verkauft der Konditor am Tag. Sie sind aus Nougat-Sahne und mit Marzipan umhüllt. Auch „lustige“ Antikörper mit Augen und Mundschutz gehören zu Roths Kreationen.

Erntehelfer

Um die diesjährige Spargelernte sah es lange schlecht aus – die Spargelstecher fehlten. Nun erlaubt Rumäniens Regierung doch noch seinen Saisonarbeitern die Ausreise mit dem Flugzeug nach Deutschland. Das teilt Rumäniens Innenminister Marcel Vela am Wochenende mit. Dies dürfte die Situation deutscher Landwirte, vor allem von Spargelbauern, erleichtern, die dringend Erntehelfer benötigen. Die rumänische Sondergenehmigung bezieht sich aber nicht auf Personal im Bereich der Medizin und Pflege, wie der Minister betonte. Insbesondere Österreich hatte zuletzt darauf gedrängt, dass Rumänien die Ausreise von Pflegepersonal ermöglichen solle. Allerdings herrscht auch in Rumänien Mangel an Ärzten und Pflegern. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) hatten sich am Donnerstag geeinigt, 80.000 ausländische Saisonkräfte unter strengen Auflagen nach Deutschland zu fliegen. Um beim Ernten und anderen dringenden Feldarbeiten zu helfen, können im April und Mai je 40.000 Menschen kommen.


Slow Food Einkaufsführer

Aufgrund der Corona-Pandemie bangen Menschen bundesweit um ihre Existenz. Darunter zahlreiche Köch*innen und all diejenigen, die im Bereich der Gastronomie tätig sind sowie klein- und mittelständische Unternehmen für Erzeugung, Weiterverarbeitung und Vertrieb von Lebensmitteln. Slow Food appelliert an Verbraucher*innen bundesweit, die existenziell wichtigen regionalen Versorgungsnetzwerke lebendig zu halten. Dafür hat der Verein eine Karte veröffentlicht, die vom Slow-Food-Netzwerk mit Einkaufstipps befüllt wird und die kleinen Betriebe und Unternehmen mit ihren Kund*innen vernetzt. 
Die Slow-Food-Einkaufskarte finden Sie unter: www.slowfood.de/einkaufen 

Eine Liste mit Einkaufsmöglichkeiten von A bis Z und Suchfunktion finden Sie hier: www.slowfood.de/einkaufen/alle-einkaufsmoeglichkeiten-von-a-bis-z 

© Hotel Birke

Reise- und Gastgewerbe existenziell bedroht

Die Lage im Reise- und Gastgewerbe infolge der Corona-Krise spitzt sich aus Sicht des Deutschen Industrie- und Handelskammertags immer weiter zu: Rund 40 Prozent der Betriebe sehen sich akut von Insolvenz bedroht, wie eine DIHK-Umfrage ergab. Etwa zwei Drittel der Firmen könnten wegen fehlender Aufträge aktuell Mitarbeiter nicht mehr wie bislang beschäftigen und müssten dementsprechend ihre Beschäftigungspläne nach unten korrigieren.

DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben kommentierte die Umfrage am Freitag mit den Worten: „Die Corona-Pandemie bedroht das Reise- und Gastgewerbe existenziell. Wenn Restaurants schließen, Hotelzimmer storniert oder Reisen ganz abgesagt werden müssen, fällt der Umsatz vieler Unternehmen über Nacht gegen Null, obwohl Mieten und Gehälter weiterbezahlt werden müssen.“ Insbesondere Reisebüros und Veranstalter befänden sich aktuell in einer gefährlichen Zwickmühle, weil sie einerseits stornierte Urlaube rückerstatten müssten und gleichzeitig selbst auf vorgeschossenen Kosten sitzen blieben. Wansleben begrüßte Pläne der Bundesregierung zu einer Gutschein-Lösung. Bei abgesagten Reisen, Kultur- oder Sportveranstaltungen sollen die Verbraucher nach dem Willen der Bundesregierung Gutscheine statt einer sofortigen Rückzahlung bekommen. 


Kneipen-Retter

Juso-Chef Kevin Kühnert hat angesichts der angespannten wirtschaftlichen Lage vieler Gastronomen in der Corona-Krise eine Initiative zur Rettung Berliner Kneipen gegründet. Ziel sei es, dass in der kommenden Woche eine Website online gehe, auf der Spenden für Kneipen gesammelt werden. „Wir möchten gerne an die Menschen appellieren, den symbolischen Euro für das nicht in der Kneipe getrunkene Bier beiseite zu legen und der eigenen Stammkneipe zukommen zu lassen“, sagte der Vorsitzende der SPD-Jugendorganisation.

Viele Kiezkneipen hätten keine finanziellen Rücklagen und seien im Vergleich zu Restaurants und Bars schlechter vernetzt. „Insofern ist das für viele von denen eine sehr existenzielle Frage. Noch dazu in einer Großstadt, wo die Problematik der Mieten hinzukommt.“
Gemeinsam mit Freunden habe er daher die „Kneipenretter“ gegründet, die bereits mit einem Profil beim Kurznachrichtendienst Twitter online gegangen sind. In einem Tweet bittet die Initiative um Hilfe etwa beim Aufbau einer Spenden-App. „Wir hatten das Gefühl, so wahnsinnig viel Zeit ist jetzt nicht und wir gehen jetzt lieber erst mal mit der Idee raus.“ Es hätten sich sofort Menschen gemeldet, die helfen wollten, sagte Kühnert. Auch mit anderen Initiativen wie „Kiezretter“ sei man in Kontakt. „Wir sind keine Gründung gegen andere, sondern wir wollen einfach diese spezifische Gruppe von Gastronomie stärker ins Gedächtnis rufen.“