Polarforscher/innen sind hart im Nehmen, für alle Notfälle gewappnet – nur nicht für eine Pandemie. Nun sitzen die Teilnehmer der Nordpolexpedition, auf der Polarstern fest.
Eigentlich wollten die Forscher der einjährigen Nordpolexpedition an Bord der Polarstern in ein paar Tagen Halbzeit feiern. Seit sechs Monaten ist das Bremerhavener Forschungsschiff bereits unterwegs, um sich in der zentralen Arktis einfrieren zu lassen.
Doch die Folgen der Corona-Pandemie reichen sogar bis dorthin. „Wir haben Pläne für vieles in den Schubladen“, betont der Leiter der einjährigen Mosaic-Expedition, Markus Rex, „aber nicht für eine weltweite Pandemie dieses Ausmaßes. Das konnte niemand vorhersehen.“
Norwegen macht dicht
Statt Halbzeit-Feiern gibt es auf der Polarstern nun lange Gesichter, weil die Forscher länger auf dem Schiff bleiben müssen als zunächst geplant. Während der einjährigen Drift im Eis sollten eigentlich alle zwei Monate die je hundert Forscher und Forscherinnen an Bord ausgetauscht werden. Doch nun machen Ein- und Ausreisegenehmigungen sowie Quarantänevorschriften den Wissenschaftlern einen Strich durch die Rechnung: Niemand darf mehr nach Norwegen einreisen. Die Wissenschaftler haben von ihren Instituten Reiseverbote bekommen.
Auch Expeditionsleiter Rex sollte nach den ursprünglichen Plänen schon längst wieder an Bord sein. Beim ersten Mosaic-Fahrtabschnitt war er bereits dabei, nun wollte er seine zweite Reise zur Vermessung von Atmosphäre und Meereis nutzen. Doch die Kampagne musste ausgesetzt werden, weil ein Teilnehmer positiv auf das Coronavirus getestet worden war. Nun sitzt Rex in selbstauferlegter häuslicher Quarantäne. Er wolle kein Risiko eingehen, sagt er.
Genug Lebensmittel & Treibstoff
Schon der letzte Wechsel der Polarstern-Besatzung verzögerte sich um zwei Wochen, weil das Versorgungsschiff mit dem neuen Personal nur sehr langsam durch das dichte Eis vorankam. Für den nächsten Austausch sollten deshalb Flugzeuge eingesetzt werden. Auf der riesigen Eisscholle, mit der die Polarstern driftet, wurde dazu eigens eine Landebahn präpariert. „Wir sind mit unseren Partnern in Diskussion, wie wir den nächsten Austausch hinbekommen“, sagt Rex. Dieser werde „sehr wahrscheinlich im Mai“ sein. „Wenn wir eine sichere Lösung gefunden haben, die von allen Behörden genehmigt ist, werden wir sie mitteilen.“ Klar ist: Bevor die neue Crew auf das Schiff kommt, werde sie zwei Mal auf das Virus Sars-CoV-2 getestet.
Die derzeitige Mannschaft auf dem Forschungsschiff sei indes nicht in Gefahr. „Sie ist gut mit Lebensmitteln und Treibstoff versorgt“, betont Rex. Dass sie nun wesentlich länger als geplant an Bord bleiben muss, nehme jeder Teilnehmer anders auf. „Natürlich gibt es auch welche, die darunter leiden und gern bei ihren Familien wären.“ Deshalb werden Satellitentelefongespräche mit einem Coach angeboten, der sich auf Krisenbewältigung spezialisiert habe.
Ganz eigene Welt
Den Forschern müsse aber überhaupt erst einmal das dramatische Ausmaß der Corona-Pandemie verdeutlicht werden. „Sie können ja nicht im Internet surfen, dafür reicht die Bandbreite nicht.“ Täglich bekämen sie zwar kurze Zusammenfassungen der Nachrichten. Außerdem stünden sie per E-Mail oder WhatsApp in Kontakt mit ihren Familien. Aber die manchmal sich stündlich überschlagenden Nachrichten bekomme die Mannschaft in der Arktis nicht mit.
Die Crew habe zurzeit ihre ganz eigenen Probleme. „Es gibt eine hohe Eisdynamik, immer wieder entstehen Risse auf der Scholle, und Instrumente drohen zu versinken.“ Dementsprechend hätten die Forscher alle Hände voll zu tun, so Rex. „Das Leben an Bord geht weiter wie eh und je.“
Trotz aller Komplikationen denkt auch der Expeditionsleiter nicht ans Aufgeben: „Wir gehen weiterhin davon aus, dass die Polarstern wie geplant am 12. Oktober nach Bremerhaven zurückkehren wird. Aus derzeitiger Sicht wird die Corona-Pandemie nicht zu einem frühzeitigen Abbruch der Expedition führen.“