Klimaschutzmanagerin und Landwirtin Elena Zydek

Wie geht Klimaschutz auf dem Lande?
1. Juni 2021
Ein Beitrag von Christopher Voges
Elena Zydek © vzsh

Dr. Elena Zydek ist Klimaschutzmanagerin und verfolgt seit 2016 mit ihrem Team den Masterplan 100% Klimaschutz für die Region Flensburg. Außerdem bewirtschaftet sie mit ihrem Mann einen landwirtschaftlichen Bioland-Betrieb. Dabei zeigt sich immer wieder, dass sie das eine nicht mehr ohne das andere denken kann. Doch nicht immer sind die Gedanken einer Klimaschutzmanagerin mit denen einer Landwirtin vereinbar. Wir haben Frau Zydek in ihrem Büro besucht, um mal zu hören, wie sie mit diesen beiden Rollen umgeht.

Die meisten Leute haben schon einmal die Bezeichnung Klimaschutzmanager*in gehört oder gelesen. Die Aufgaben dieses doch noch recht jungen Berufsbildes sind allerdings nicht jedem bewusst. Elena Zydek beschreibt ihr Aufgabengebiet wie folgt: „Gemeinsam mit meinem Team betreue ich 34 Gemeinden in der Klimaschutzregion Flensburg. Dabei ist meine Schwerpunktaufgabe, Klimaschutzmaßnahmen im kommunalen Bereich – also in den Gemeinden – umzusetzen. Vorrangig bedeutet das, dass ich schaue, welche Projekte gerade in den einzelnen Kommunen anstehen und wie diese finanziert werden können. Gibt es dafür Fördermittel? Welche Förderprogramme lassen sich heranholen? Welche Partner brauchen wir? Wen müssen wir noch überzeugen und mit ins Boot holen?“


Klimaschutzprojekte nehmen Fahrt auf

Ein Auftrag, der anfangs nicht so einfach zu erfüllen war. Musste sich das Team der Klimaschutzregion Flensburg doch erst einmal einen gewissen Stellenwert erarbeiten. „Anfangs kannte uns hier keiner. Einige dachten, wir haben mit unserem erstellten Konzept einfach nur ein dickes Buch geschrieben und mehr passiert nicht.“ Mittlerweile hat sich dieser Umstand geändert. Jetzt – auch durch Fridays for Future – merkt man, dass es eine deutliche Steigerung des Interesses gibt. Interesse an größeren und kreativeren Projekten.

Die Leute, die gerne etwas machen möchten, suchen den Kontakt zu Initiativen und Kooperationen wie beispielsweise der Klimaschutzregion Flensburg. „Und unsere Arbeit ist sehr erfolgreich: Wir haben über eine Million Euro an Fördermitteln eingeworben und damit Investitionen von 1,7 Mio. Euro für die unterschiedlichsten Maßnahmen angestoßen. Nur mit einem einzigen Förderantrag hat es nicht geklappt, sonst sind alle Förderungen durchgekommen“, berichtet Elena Zydek stolz. „Wir können jetzt viel mehr vorweisen und deswegen ist Klimaschutz in unserer Region für die Bürger viel greifbarer.“

Etwas mehr als ein Dutzend Projekte und Maßnahmen befinden sich aktuell in der Umsetzung. „Am Anfang habe ich mich gefragt, wer bloß Projekte im ländlichen Raum fördern will. Aber wir merken mittlerweile, wenn man Projekte auf den Weg bringt, egal ob mit Landes- oder Bundesmitteln, freuen sich alle, dass es eben nicht immer die großen Städte mit großen Industrien oder dicken Drittmittelgebern im Hintergrund sind, sondern auch mal in ländliche Regionen mit kleinen Gemeinden investiert wird“, strahlt die Klimaschutzmanagerin.

Das ist genau das, was mit dem Masterplan erreicht werden soll. Nach eigener Aussage gibt es zurzeit keine vergleichbare Region, die so unterwegs ist wie die Klimaschutzregion Flensburg. „Wir sind quasi ein Versuchslabor, das schaut, was sich im ländlichen Raum umsetzen lässt und wie man mit den Kommunen, die nicht viel Geld haben, Klimaschutz betreiben kann“, so Zydek

© Uta Gleiser.

Auch kleine Etappenziele sind wichtig

Doch wie werden innerhalb des Projektes überhaupt die Säulen des Klimaschutzes definiert? Worauf liegt der Fokus des Projektes und seiner Mitglieder? „Die Hauptsäulen, die wir hier haben, sind CO2-Neutralität bis 2050 und eine Einsparung von 50 Prozent des Endenergieverbrauches plus die deutliche Erhöhung der erneuerbaren Energien im Wärmebereich. Dazu hatten wir einzelne Sektorziele bis 2020. Das heißt, wir wollten den Bürgermeister*innen zeigen, dass wir nicht nur auf 2050 hinarbeiten. Das ist ja noch sehr lange hin. Wir wollten schon etwas bis 2020 erreichen. Und das haben wir geschafft“, erklärt Elena Zydek.

Ergebnisse dieser Sektorziele sind zum Beispiel: In jeder Gemeinde stehen jetzt die sogenannte Mitfahrbank und eine Ladesäule. Außerdem wird derzeit überall die Straßenbeleuchtung auf LED umgerüstet. „Wir haben bewusst Ziele gewählt, die die Gemeinden leicht erreichen konnten, damit wir da schon mal ein Erfolgshäkchen hintersetzen.“ Hinzu kommen noch Bildungs-, aber auch Kindergartenprojekte, die vorher nicht umgesetzt wurden, weil das Geld, das Personal, die Zeit oder alles zusammen fehlte.

Trotz der bereits umgesetzten Maßnahmen gibt es natürlich immer noch Luft nach oben. Auch die Klimaschutzmanagerin sieht noch eine ganze Anzahl Dinge, die dringend in Angriff genommen werden müssen und nennt das Tourismusprojekt EMONO als Beispiel: „Die Touristen sollen sich hier in der Region möglichst CO2-neutral und elektromobil bewegen. Es gibt viele Hotels, die Interesse aber noch nicht den Mut haben, ein E-Fahrzeug als Leihmobil für ihre Gäste anzuschaffen.“

Und auch das Thema Bildung spielt für sie eine große Rolle. Da es in den Schulen aber meist sehr schwierig sei, etwas unterzubringen, da die Lehrpläne eng sind, gehe es insbesondere um außerschulische Aktivitäten. Gute Erfahrungen haben sie dabei mit kleineren, praxisnahen Maßnahmen gemacht. Wie beispielsweise das Projekt ‚Wir kochen! Von hier! Ohne Reste!‘, das in Kooperation mit einem Jugendzentrum lief. „Das war richtig erfolgreich. Davon braucht es mehr. Auch weil wir dadurch noch mal den einzelnen Verbraucher erreichen“, zeigt sich Elena Zydek motiviert.


Nachhaltigkeit groß schreiben

Nun ist Elena Zydek allerdings nicht nur Klimaschutzmanagerin, sondern außerdem Inhaberin eines Bio-Bauernhofs. „Mein Mann und ich haben einen sehr alten landwirtschaftlichen Betrieb mit hohem Investitionsstau übernommen, den wir durch ökologische Milch- und Fleischvermarktung überhaupt erst einmal über Wasser halten müssen.“ Das heißt, es ist aktuell schwierig, Investitionen – seien sie für LED-Stallbeleuchtung oder gar die Dämmung des Bauernhauses – aus eigener Tasche zu tätigen. Aus Sicht einer Klimaschutzmanagerin ist das schwer zu ertragen: „Durch unseren Betrieb ist mir selbst deutlich geworden, dass es so einfach ist, immer mit dem Finger auf andere zu zeigen. Warum macht denn der oder die nichts oder die Landwirte in ihren Betrieben? Aber ich merke gerade, das Gewünschte umzusetzen, ist alles andere als einfach.“

Ganz oben auf der Agenda stand für das Ehepaar Zydek daher, die betrieblichen Abläufe besser zu koordinieren und effektiver zu gestalten, um dadurch Kosten und Energie zu sparen. Und für die Familie ist noch ein weiterer Punkt bedeutsam. „Was ganz groß bei uns geschrieben wird, ist der nachhaltige Konsum. Der ist für uns immens wichtig. Wir wollen wissen, wo die Produkte herkommen“, sagt Elena Zydek und erklärt weiter: „Das ist auch ein Grund, weshalb wir diesen landwirtschaftlichen Betrieb besitzen. Viele schimpfen über Landwirte: Überdüngung, ungerechter Milchpreis, schlechtes Fleisch. Genau das hat uns genervt und deswegen wollen wir das besser machen. Wir essen unheimlich gerne regionale und gute Produkte.“

Dabei steht natürlich auch der Klimaschutz im Vordergrund. Gepflastert mit vielen Teilzielen soll ein nachhaltig ökologischer Weg vorangetrieben werden. „Ein erstes großes Ziel war eine neue Melkanlage. Damit einher gingen Überlegungen und erste Umsetzungen für ein neues energetisches Konzept für den Hof.“, klärt Elena Zydek auf. Strom sparen in landwirtschaftlichen Betrieben ist ein weites Feld und eben darum auch so ein wichtiges Thema. „Ein weiteres Ziel ist auf jeden Fall ein neues Dach und die Dämmung des Hauses. Auch ein hydraulischer Abgleich soll in naher Zukunft vorgenommen werden“, erklärt die Hofbesitzerin.

„Dadurch kommen mit großer Sicherheit erst einmal Kosten für Sanierungsmaßnahmen auf uns zu. Das ist sicher ein Umstand, der viele Verbraucher, ob es nun Landwirte oder Eigenheimbesitzer sind, zögern lässt. Die Möglichkeit ist ja da, dass der Energieberater uns auch auf Mängel an Ecken unseres Hofes hinweist, die wir gar nicht auf dem Zettel hatten. Diese Kosten müssen wir halt auch erst einmal erwirtschaften. Aber unter dem Strich werden die Ergebnisse und Verbesserungen ja zu energetischen und finanziellen Einsparungen führen.“

© Uta Gleiser.

Jeder muss anpacken

Natürlich ist auch das Thema Wasser ein wichtiges auf dem Hof. Und eines, das im Bereich Energie leider viel zu häufig vergessen wird. Doch da befindet sich die kleine Gemeinde Hüsby in einer exponierten Position, in deren Rahmen der Dorfbrunnen die zentrale Rolle einnimmt. Der versorgt nämlich unter anderem den Betrieb mit dem nötigen Wasser. „Unser betrieblich genutztes Wasser wird über die Wassergemeinschaft Nedderwatt abgerechnet.“, freut sich die Hofbetreiberin. Doch gleichzeitig weist sie auf potenzielle zukünftige Probleme hin: „Es wird sehr spannend, wie es mit der Wasserversorgung weitergeht. Die Grundwasserpegel werden deutlich zurückgehen. Im Alten Land (Südlich der Elbe in Hamburg und Niedersachsen, Anm. d. Verf.) haben die Landwirte immer häufiger Probleme, die Obstfelder zu bewässern. Das wird hier oben nicht anders werden. Ich bin mir sicher, auch hier wird das Wasser knapp werden.“

Zudem ist die steigende Wärme für die Landwirtschaft ein Graus, der aller Voraussicht nach für große Probleme sorgen wird. „Das Erschreckende ist doch, dass wir jedes Jahr hören, es war das heißeste Jahr aller Zeiten. Nur um zu merken, dass das nächste Jahr noch heißer wird. Für die Landwirtschaft bedeutet es meist nicht nur, dass die aktuelle Ernte einknickt, sondern die Grundlage für die nächste Ernte ist somit auch schon schlecht. Das Getreide hat viel schlechtere Wurzeln, weil der Boden noch so trocken vom Vorjahr ist. Auch die Tiere haben eine geringere Milchleistung, wenn es heiß ist. Und das zieht sich immer so weiter.“

Klimaschutzmanagerin, Landwirtin – für Elena Zydek ist es aus zweifacher Sicht klar, dass Klimaschutz und Energiewende akut vorangetrieben werden müssen. Dabei gilt für sie aber auch, dass jeder mit anpacken muss: „Mein Credo ist immer, dass es so einfach ist, zu sagen, die Bundesregierung macht nicht genug, die großen Unternehmen kümmern sich nicht darum. Aber dass jeder selbst was machen kann, das wird häufig vergessen. Gerade in Sachen Energiewende. Wie sieht es bei mir aus? Bin ich bereit, ein, zwei Cent mehr zu zahlen? Wofür mache ich das? Selbst wenn ich das jetzt nicht sofort greifen und erkennen kann, hat es trotzdem einen Mehrwert. Ich würde mir wünschen, dass wir uns viel mehr Gedanken über die nächste Generation machen. Es ist so gut, dass Fridays for Future immer noch da und aktiv ist, um uns genau daran zu erinnern. Das ist das, was mich so sehr antreibt: Global betrachtet unterzeichnen die Politiker sämtliche Entscheidungen in Sachen Klimaschutz, aber wir sind die Menschen, die es in die Hand nehmen können.“


Anmerkung:

Unser Gastautor Christopher Voges kümmert sich für die Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein um die Öffentlichkeitsarbeit der Projektgruppe „Verbraucher in der Energiewende“. Der Artikel erschien erstmalig auf der Seite www.durchblick-energiewende.de

Das Projekt der Verbraucherzentrale zeigt Verbraucherinnen und Verbraucher individuelle Möglichkeiten auf, durch ihr Konsumverhalten Einfluss auf die nötige Energiewende zu nehmen.

© Uta Gleiser.