Barbara Maier

Autorin

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Unseren Kühen geht es schlecht

Studie deckt gravierende Mängel auf
26. November 2020

Eine breit angelegte Studie untersuchte zehntausende Kühe auf über 750 Milchviehbetrieben in Deutschland und zeigt umfassende Probleme mit akutem Handlungsbedarf auf: Viele Kühe sind leistungsbedingt zu mager, etliche lahmen und enden früh im Schlachthof. Auch die Kälbersterblichkeit ist alarmierend hoch. Die Studie untermauert, wie dringend die Definition von gesetzlichen Mindeststandards in der Milchviehhaltung ist.

Jedes zweite Rind landet wegen Krankheit vorzeitig beim Schlachter

Wie geht es den Kühen in Deutschland? Eine von der Bundesregierung geförderte Studie der Tierärztlichen Universität Hannover, der Freien Universität Berlin und der Ludwigs-Maximilians-Universität München hat vier Jahre lang 765 Milchviehhaltungen und etwa 190.000 Kühe in Deutschland untersucht und besorgniserregende Zustände aufgedeckt. Für Studienleiterin Martina Hoedemaker seien insbesondere die hohen Problemquoten erschreckend und sie weist in diesem Zusammenhang auf die Betriebsblindheit hin. Lahme und magere Kühe seien in vielen Betrieben zur Normalität geworden. Diese Probleme stehen im Zusammenhang mit der defizitären Haltung und Hochleistungszucht der modernen Milchviehhaltung. Problematisch sei beispielsweise, dass viele Ställe überbelegt seien, wodurch nicht alle Tiere gleichzeitig liegen, fressen oder trinken könnten. Schließlich führten die Probleme dazu, dass jedes zweite Rind nicht regulär, sondern wegen gesundheitlicher Probleme frühzeitig beim Schlachthof lande.


Probleme auch bei der Kälberaufzucht

Die Studie zeigt zudem erhebliche Probleme bei der Kälberaufzucht auf: Jedes zehnte Kalb erreiche nicht den vierten Lebensmonat – in absoluten Zahlen seien dies etwa 280.000 Kälber jedes Jahr. Ursächlich für den frühen Tod sei unter anderem eine unzureichende Biestmilchversorgung. Da sich das Immunsystem der Kälber jedoch erst mit dieser Milch entwickele, steige das Krankheitsrisiko dadurch enorm an. Gleichzeitig sei die angebotene Tränkmenge bei den jungen Kälbern nur bei etwa einem Drittel der Tiere ausreichend. Eine besorgniserregende Erkenntnis ist darüber hinaus, dass die Krankheits- und Mortalitätsraten bei Bullenkälbern in den ersten Wochen signifikant höher seien.


Milchwirtschaft läuft aus dem Ruder 

Anne Hamester, Fachreferentin für Rinder bei der Nutztierschutzorganisation PROVIEH sagt: „Die Ergebnisse zeigen das Ausmaß des aus dem Ruder gelaufenen Systems der Milchwirtschaft. PROVIEH fordert eine umfassende Tierwohlstrategie für die Milchviehhaltung. Wir appellieren an die Bundesregierung, endlich eine Haltungsverordnung für Milchrinder zu etablieren. Außerdem muss das gesetzlich vorgeschriebene Tiermonitoring durchgesetzt werden. Gleichzeitig fordern wir Vermarktung und Verarbeitung auf, Verantwortung zu übernehmen. Milchproduktion ist zurzeit ein Verlustgeschäft – so geraten Landwirte in persönliche und existenzielle Nöte, die keinen Raum lassen zur Verbesserung von Tierwohl.“
Die Reaktionen auf die Studienergebnisse fielen bisweilen dürftig aus. Die Bundesregierung kündigte an, den Handlungsbedarf sowie den „Rechtssetzungs- und Förderbedarf“ zu prüfen. Der Bauernverband verlautete, in der Milchviehhaltung und Tierzucht werde bereits umgesteuert, der Weg müsse weiter beschritten und intensiviert werden. 

Den Abschlussbericht zur Studie finden Sie hier