Die Verbraucherorganisation foodwatch wirft Aldi Verbrauchertäuschung beim Thema Kükentöten vor – und hat Klage am Landgericht Essen eingereicht. Foodwatch prangert Werbung des Discounters an, in der es unter anderem heißt: „Wir schaffen das Kükentöten ab.“
Die Verbraucherorganisation moniert, die Aussage sei irreführend, da sich das Versprechen lediglich auf die Schaleneier im Karton bezieht. Nicht berücksichtigt seien verarbeitete Eier beispielsweise in Kuchen, Nudeln oder Fertiggerichten. Dabei stecke rund jedes zweite in Deutschland konsumierte Ei in verarbeiteten Lebensmitteln. Im Zuge dieser Produktion würden weiter männliche Küken getötet.
Kükentöten noch lange nicht abgeschafft
Die Verbraucherorganisation kritisierte zudem, dass Aldi das Kükentöten – anders als die Werbung suggeriere – noch lange nicht abgeschafft habe. Vielmehr habe das Unternehmen das Ziel ausgegeben, die Praxis bis spätestens Ende 2022 zu beenden.
Foodwatch will Aldi daher gerichtlich untersagen lassen, mit Sätzen wie „Wir schaffen das Kükentöten ab“ oder „Ohne Kükentöten bei Aldi Nord“ zu werben.
Das Landgericht in Essen bestätigte den Eingang der Klage. Mit einer Entscheidung sei frühestens im kommenden Jahr zu rechnen, hieß es.
Mit Biotech-Verfahren das Geschlecht bestimmen
Mitte März hatten sich Aldi Nord und Aldi Süd dazu verpflichtet, bis 2022 deutschlandweit das Kükentöten für die gesamte Produktion der Boden-, Freiland- und Bio-Eier abzuschaffen. Dafür nutzen Aldi Nord und Süd unter anderem das genanalytische Verfahren des Biotech-Unternehmens Planton, bei dem durch ein winziges Loch Flüssigkeit aus dem Ei entnommen und das Geschlecht am neunten Bruttag bestimmt werden kann.
Die männlichen Küken würden dann nicht weiter ausgebrütet und stattdessen zum Beispiel in Futtermitteln weiterverarbeitet, schreiben Aldi Nord und Süd in einer gemeinsamen Presseinformation. Zudem bezögen die Discounter von 2021 an schrittweise alle Bio-Eier aus der sogenannten „Bruderhahn-Aufzucht“, bei der die männlichen Brüder der Legehennen zur Fleischproduktion gemästet werden.
Auch Lidl abgemahnt
Zuvor hatte Foodwatch bereits Lidl wegen vergleichbarer Werbung abgemahnt. Lidl versprach in Werbeprospekten und auf einer Internetseite unter dem Titel „Schluss mit Kükentöten“, dass man mit der Praxis „jetzt Schluss“ mache. Foodwatch kritisierte, dass sich auch Lidl dabei lediglich auf die schrittweise Umstellung seines Schaleneier-Sortiments beziehe. Lidl hat diese Art der Werbung mittlerweile gestoppt.
Ablenkmanöver
Jedes Jahr werden in Deutschland 45 Millionen männliche Küken der Legehennen-Linien direkt nach dem Schlupf vergast. Ihre Aufzucht lohnt sich nicht, weil die Hähne der auf extreme Legeleistung gezüchteten Rassen kaum Fleisch ansetzten. Qualitativ sei das Fleisch von Bruderhähnen auf einer Stufe mit einem Suppenhuhn anzusiedeln, so foodwatch. Nicht zukunftsfähig sei daher auch die Aufzucht der sogenannten „Bruderhähne“, die beide Discounter für ihre Bio-Eier planten.
„Die Discounter versuchen mit ihren Kükentöten-Kampagnen von den eklatanten Problemen in der Hühnerhaltung abzulenken. Ein Ende des Kükentötens heißt aber nicht, dass die vielen Millionen Legehennen in Deutschland auch nur einen Hauch besser vor massenhaften Knochenbrüchen, Infektionskrankheiten und dem weit verbreiteten Kannibalismus geschützt werden. Das genaue Gegenteil soll offenbar erreicht werden. Ist der Skandal des millionenfachen Kükentötens aus den Schlagzeilen, so das Kalkül der Handelsketten, interessiert sich niemand mehr für die qualvolle Existenz der Hochleistungslegehennen“, sagte Matthias Wolfschmidt von Foodwatch.
Zweinutzungshühner haben Zukunft
Die Verbraucherorganisation forderte den Umstieg auf sogenannte Zweinutzungshühner. Diese robusteren und weniger krankheitsanfälligen Rassen eigneten sich sowohl für die Eier- als auch zur Fleischproduktion. Zudem müsse ein staatliches Gesundheitsmonitoring in jedem Legebetrieb erfolgen, damit Leiden und Schmerzen der Tiere lückenlos erkannt und vermieden werden.
Im September hatte Bundesagrarministerin Julia Klöckner einen Gesetzentwurf vorgelegt, wonach die Praxis ab 2022 verboten werden soll. Das Ministerium teilte zuletzt mit, man befinde sich „nach wie vor mit der Branche im Gespräch, um eine Branchenvereinbarung mit einer Verpflichtung zu kükentötenfreien Lieferketten zu erreichen“.