Anette Hollenbach

Imkerin & Autorin

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Heiße Bienen und Powerkuscheln

Bienenkolumne Summ summ summ
15. Oktober 2020

Während wir uns draußen bald schon kalte Füße und blaue Finger abholen und anschließend eine Tasse Kräutertee, gesüßt mit einem Löffel Honig, ordentlich einheizt, fragen wir uns vielleicht, wie sich die Tiere in unserer Umgebung aufwärmen. Was machen denn die Honigmacherinnen den lieben langen Winter und wie bereiten sie sich auf die kalte Jahreszeit vor?

Das Bienenvolk hat da so seine ganz eigenen, klugen Überwinterungsstrategien entwickelt – nämlich Kuscheln und Warmzittern.

Bild von M. Roth auf Pixabay

Tropische Temperaturen

In der hier bei uns immer häufiger auftretenden eher feucht- kalten Winterzeit mit selteneren durchgängigen Frostperioden, rücken die Bienenschwestern ganz eng zusammen und wärmen sich gegenseitig ihren Plüschmors. Mit zunehmendem typisch norddeutschem Schietwetter bildet das Volk eine Wintertraube. Wie immer ist Teamwork angesagt: Bienen aus dem kühlen Außenbereich der kugelförmigen Traube werden immer wieder von den aufgewärmten Bienen im Innenbereich abgelöst. Mittendrin thront die Königin bei wohligen tropischen Temperaturen. Fällt die Temperatur nun im Bienenstock unter 10 Grad Celsius, ist durch kollektives Zittern das Zuhause für mindestens einen Tag lang wieder mollig warm. Mit einer Kerntemperatur in der Bienentraube von bummelig 25 Grad lässt es sich doch ganz hervorragend leben. Der Verlauf der Temperatur in dieser Bienentraube erreicht immer wieder Spitzenwerte von bis zu 35 Grad Celsius und sinkt danach wieder bis unterhalb 10 Grad Celsius ab, um ein paar Tage später erneut anzusteigen. Durch diese Heizspitzen, anstelle eines gleichmäßigen Durchheizens, sparen die Bienen erheblich an Energie und somit an Honig.

Auf dem Gelände der Schwartauer Werke in Bad Schwartau befindet sich Norddeutschlands erster Bienen-Forschungsstock. Temperaturverlauf im Winter, Live Cam, Blick in eine Wabengasse, Bienenvolk am Standort Bad Schwartau.


Gas und Kupplung

Damit die Heizerbienen beim Warm-up nicht abheben, klinken sie dazu ihre Flügelchen aus. Das ist in etwa so, als würden Sie das Gaspedal ihres PKW voll durchtreten und gleichzeitig auf der Kupplung stehen. Die Schwingungen die die Biene hierbei erzielt ist beachtlich: 270 Schwingungen pro Sekunde! Dieses kleine, faszinierende Insekt kann seinen Körper auf diese Weise auf bis zu 44 Grad hochheizen und das über einen Zeitraum von bis zu 30 Minuten. Nach dieser unglaublichen Heizleistung ist diese heiße Biene völlig ausgepowert und nicht einmal mehr in der Lage, ihren Rüssel in die nächstliegende Futterzelle zu stecken. Sie wird sofort von einer Versorgerbiene gefüttert und tankt so neue Energie für ihre nächstes Warming-up. Wenn wir Menschen eine Körpertemperatur von „nur“ 40 Grad Celsius erreichen, ist es für uns lebensbedrohlich – die Honigbiene macht das mal so ganz locker und easy. Die Fähigkeit aktiv Wärme zu produzieren, ermöglicht es den Insekten auch bei klirrender Kälte im zweistelligen Minusbereich zu überleben. Das Bienenvolk fällt so  nicht in eine Kältestarre was zur Folge hätte, dass die Tiere nicht mehr an ihre Honigvorräte herankommen würden und verhungern. 

Zudem lassen die kalten Temperaturen den Honig sehr zäh werden. Da Bienen zwar einen Rüssel und eine Zunge, aber keine Zähne haben, müssen sie sich anders behelfen, um ihre Energiereserven durch die Aufnahme des Honigs wieder aufzutanken Sobald der Honig durch das Aufheizen wieder cremiger fließt, stecken die Mädels ihren Rüssel rein und laden ordentlich Energie auf.

Heizmaterial

Der Honig ist quasi das Heizmaterial für den Winter. So wie wir Holz für unsere Kaminöfen bunkern, sammeln Bienen bis zu 20 Kilogramm Honig als Wintervorrat. Dieser wird in den Tausenden von Bienenkörpern in Wärme umgesetzt.


Immer schön sauber bleiben

Ganz ohne Ausflüge ins Freie kommen die Tiere allerdings nicht aus. Auch Bienen müssen mal aufs Klo. An Wintertagen mit Temperaturen über 10 Grad verlassen die Mädels mal eben schnell den Stock. Wir Imker nennen das den „Reinigungsflug“. Da wird ganz schnell  im Flug geschiettert und der Stock bleibt sauber. 


Alles Tipp-Top 

Und wie sieht es so grundsätzlich mit der Stockhygiene aus? Schließlich leben einige Zehntausende auf engstem Raum. Und was ist mit den Heizpeaks, wenn der Stock sehr warm wird und Keime und Bakterien sich herrlich ausbreiten können? Da wissen sich die hochentwickelten Tiere natürlich auch wieder zu helfen. Sie überziehen die meisten Oberflächen nämlich mit einem dünnen Film aus verschiedenen Pflanzenharzen – dem Propolis. Es hat eine antibiotische und antivirale Wirkung, das heißt, es tötet selbst Pilze und Viren ab.
Und wenn wieder einmal Honig von ihrem Löffel in den Tee fließt, dann denken Sie doch einmal mehr über das faszinierende Insekt, Honigbiene, nach. 

© Hofbienerie Anette Hollenbach

 

Hofbienerie Anette Hollenbach

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