Ob Brot, Käse oder Fisch – alles brauche seine Zeit, so sei es auch bei Spirituosen, sagt Ralf Stelzer, Inhaber und Brenner der Isarnhoe Destillerie. Den ehemalige Schmied fasziniert das Zusammenspiel zwischen Landwirtschaft, Mälzerei und Brennerei und seine Whiskys bezeichnet er schmunzelnd als seine Kinder. Zu Gast in der Isarnhoe Destillerie.
Schnellmark – das ist das kleine Örtchen, in der sich die Isarnhoe Destillerie befindet – liegt auf halber Strecke zwischen Gettorf und Eckernförde. Hier geht es eher beschaulich zu und jeder kennt noch seinen Nachbarn. Bis auf das entfernte Grundrauschen des Straßenverkehrs von B76 und L285 sagen sich hier nur Fuchs und Igel gute Nacht. Die Isarnhoe Destillerie liegt unweit des Schnellmarker Gehölzes, nicht weit entfernt von der Steilküste. Der Name Isarnhoe ist dem Altsächsischen entliehen und bezeichnet die alte, waldreiche Landschaft des Dänischen Wohlds.
Ralf Stelzer – Brenner und Schmied
Ralf Stelzer, Inhaber und Brenner der Isarnhoe Destillerie, empfängt mich bei offenem Tor. Rege Betriebsamkeit herrscht, denn ein Nachbar ist kurz vorbeigekommen, um seine Äpfel zu mosten. Da hilft Stelzer gern, denn sie haben sich darauf geeinigt, den Apfelwein gemeinsam zu nutzen. Ralf Stelzer, Jahrgang 1963, ist Autodidakt vom Feinsten. Eigentlich hat er das Schmiedehandwerk gelernt, was man in der Brennerei auch eindrucksvoll sehen kann, denn der charmante, rustikale Look mit den vielen Eisenbeschlägen sind sein Werk.
Wenn man ihn fragt, warum er umgesattelt hat, erklärt er, dass er schon seit seiner Kindheit von der Produktion von Lebensmitteln fasziniert ist. Ob Brot, Käse oder Fisch – alles brauche seine Zeit, führt er weiter aus, genau wie seine Spirituosen. Stelzers Vater war Fischer und sein Bruder Siegfried betreibt eine Imkerei in Felde. Der respektvolle Umgang mit Rohstoffen aus der Natur liegt also offenbar in den Genen der Familie. Vielleicht ist er deshalb auch zuerst Schmied geworden, weil er aus einem Rohstoff, der aus der Erde kam, etwas erschaffen hat, das der Mensch nutzen kann. Eigentlich arbeite er immer noch mit einem Rohstoff, der aus der Erde kommt, lacht er und ergänzt: „Der große Unterschied zu meiner alten Tätigkeit ist, dass es in meiner neuen Berufung als Brenner angenehm leise vonstattengeht, im Gegensatz zum Schmiedehandwerk.”
Stelzer fasziniert das Zusammenspiel zwischen Landwirtschaft, Mälzerei und Brennerei und er liebt es, seine Produkte bei der Reifung begleiten zu dürfen. Seine Whiskys bezeichnet er schmunzelnd als seine „Kinder” und er ist gespannt, wie sie sich in ihrem Werdegang so machen. „Man kann seinen Kindern eine grobe Richtung vorgeben, aber am Ende weiß man nie ganz genau, ob aus ihnen etwas Großes wird – genauso ist es bei meinen Bränden. Ich kann einen sehr guten Rohbrand herstellen, aber was das Eichenfass in der mindestens dreijährigen Lagerung geschmacklich ergänzt, kann ich nur grob einschätzen.”
Die Isarnhoe Destillerie
2009 erwarb Ralf Stelzer eine Abfindungsbrennereianlage. Eine solche Anlage ist in Norddeutschland untypisch. Sie ist offen (ohne Zollverschluss) und dient eigentlich in einem landwirtschaftlichen Betrieb dazu, einen Ernteüberschuss (vor allem in Obst und Getreide) in Alkohol umzuwandeln. Diese Art des Brennrechts stammt aus einer Zeit, in der man wenig Möglichkeiten hatte, Ernteüberschüsse länger lagern zu können. In Norddeutschland konnte Stelzer allerdings nur eine s.g. Verschlussbrennerei anmelden. In dieser kann lediglich unter Zollverschluss Alkohol gebrannt werden. In der offenen Abfindungsbrennereianlage durfte er zunächst nur Produkte herstellen, in denen er schon versteuerten Alkohol einsetzte, was sich als äußerst unbefriedigend erachtete – war sein großes Ziel doch der selbst gebrannte Whisky.
In seiner Anfangszeit entstanden aber auf diesem Wege einige sehr schöne Obstbrände, Aquavite und erste Gin-Rezepte. 2012 hatte Stelzer so viel Erfahrungen gesammelt, dass er das Brennen weiter ausbauen wollte. Eine echte Verschlussbrennerei musste her. Er schloss sich mit dem Bundesmonopolamt kurz und bekam 2012 die Genehmigung. Sein Schmiedehandwerk war der Schlüssel, denn er konstruierte und baute den staatlich geforderten Zollverschluss selbst. Kurze Zeit später wurde dann der erste Whisky gebrannt.
Interessant ist, dass Stelzer dabei nicht den Weg vieler Brennereien beschreitet, die versuchen ein Produkt herzustellen, welches möglichst nahe an Schottischen Single Malt Whisky heran kommt. Die Isarnhoe Destillerie hat sich anderen Getreiden verschrieben, vor allem Whisky aus Roggenmaische. Der daraus entstehende Roggen- (oder Rye-) Whisky ist wesentlich süßer und von Natur aus fruchtiger, als viele Schottische Whiskys (die aus Gerste gebrannt werden).
Über den Tellerrand schauen
Leider gibt es immer wieder Menschen, die es sich selbst schwer machen über ihren eigenen Tellerrand zu schauen. Da wird dann von dem einzig wahren Single Malt Whisky aus Schottland geschwärmt und Stelzer hört Kommentare wie „ach, das ist gar kein richtiger Whisky?”. Diesen Menschen begegnet Stelzer mit der Gegenfrage, was sie denn unter „richtigem Whisky” verstehen. Oft kommt dann die Antwort „Single Malt Whisky”. Der Single Malt Whisky wurde 1963 von Glenfiddich erfunden, ist also mal gerade etwas mehr als ein halbes Jahrhundert alt.
Roggenwhiskey hingegen stammt aus den USA und wurde in der Zeit erfunden, als die ersten Siedler das Knowhow des Brennens mit in die Neue Welt nahmen, um ihren Scotch oder Irish Whisky zu brennen und feststellten, dass es in Amerika keine Gerste gab. Sie fanden nur wilden Roggen, den sie begannen zu kultivieren und fürs Schnapsbrennen zu nutzen. Erst viel später wurde Gerste in Amerika heimisch. Heute brennt man in den USA vor allem aus Maismaische, was den klassischen Bourbonwhiskey hervorbringt. Es gibt also einige sehr verschiedene Getreidearten aus denen man Whisky brennen kann und alle haben ihre Berechtigung und ihre geschmacklichen Eigenarten.
Stelzer ist auf den Roggen gekommen, weil er einen Brand aus einer traditionellen deutschen Kornmaische herstellen wollte. Die Roggenmaische wird nicht geläutert, was bedeutet, dass die gesamte Maische in die Brennblase gegeben wird. Stelzer befeuert seine Brennblase indirekt mit Holz, d. h. die eigentliche Brennblase liegt auf einem Wasserbad und wird somit indirekt erhitzt. Das hat den Vorteil, dass die Roggenmaische mit ihren teilweise festen Bestandteilen nicht anbrennen kann.
Auf der Brennblase sitzen drei Verstärkerböden, in der unterschiedliche Alkohole des Destillats kondensieren. Durch diese Verstärkerböden muss nur ein Brennvorgang durchgeführt werden (im Gegensatz zu reinen Pot Stils ohne Verstärkerböden, in denen zwei bzw. drei Mal gebrannt werden muss). Zusätzlich wird der Vorlauf und der Nachlauf getrennt, da diese Methyl- bzw. Fuselalkohole enthalten. Nur das s.g. Herzstück (also der Mittelbrand) darf in den Edelstahltank. Stelzers Anlage ist klein und so erhält er bei jedem mehrstündigen Brennvorgang nur etwa 10 Liter Alkohol mit 75 % Vol. Der Rohbrand muss nun noch in ein Holzfass. Traditionell wird dafür Eiche verwendet.
Experimentierfreudig
Stelzer ist experimentierfreudig und beschreitet neue Pfade. Er belegt ehemalige Rotweinbarrique-Eichenfässer für ein Jahr mit Met, bevor der Roggenrohbrand hinein kommt. Diese Vorgehensweise ist einzigartig auf der Welt – der Whisky wird dadurch um schöne Honig- und Fruchtnoten erweitert. Mindestens drei Jahre lang muss ein Whisky in der EU lagern, bevor er als Whisky abgefüllt werden darf.
Der erste Whisky aus der Isarnhoe Destillerie, der „stella nova”, kam 2016 auf den Markt und war aufgrund der Limitierung sehr schnell ausverkauft. Es folgte ein Dinkelwhisky und das erste Batch des „secale” Roggenwhiskys, für die Stelzer in Fachkreisen viel Anerkennung erntete. Man muss eben nicht immer in die Ferne schweifen, um interessante Menschen zu treffen, die guten Whisky herstellen – manchmal passiert so etwas durch glückliche Fügung einfach nahe der Haustüre.
Ausblick
Mit den positiven Kritiken seines Roggenwhiskys und dem Gin strebt die Isarnhoe Destillerie eine mittelfristige Vergrößerung an. Stelzer möchte gern mehr Fässer lagern und benötigt auch mehr Ausbeute pro Brennvorgang. Sein Ziel ist, eine weitere, größere Brennblase anzuschaffen. Jüngst hat er einen Rum aus Melasse destilliert, der nun im Eichenfass lagert. Ich bin sehr gespannt, ob er an den bisherigen Erfolgen seiner Produkte anknüpfen kann. Eines ist aber schon jetzt sicher – aufregend bleibt es auf jeden Fall!