Heute sieht man sie nur noch selten in der Region zwischen Schlei und Flensburger Förde. Dabei weideten noch in den 1930er Jahren rund 80.000 Tiere dieser wunderschönen alten schleswig-holsteinischen Rinderrasse in Angeln. Heute ist der Bestand auf rund 400 Tiere geschrumpft. Die Rede ist vom Angler Rind alter Zuchtrichtung.
Schon um 1600 wurde das rotbraune mittelgroße, lange, schmale Rind schriftlich erwähnt. Im 19. Jahrhundert begann man mit der planmäßigen Zucht. Nachdem es 1856 auf einer Ausstellung in Paris mehrfach ausgezeichnet wurde, fand das Angler Rind für zum Teil ungewöhnlich hohe Preise Abnehmer in Skandinavien, Russland, Italien, ja selbst in Argentinien. Geschätzt wurde das „Schönmädchen“ – so wurde die Kuh genannt – wegen seiner hohen Milchleistung und den wertvollen Inhaltsstoffen der Milch. Wegen ihres hohen Fettgehaltes von 5,4 Prozent – meistens liegt er bei vier Prozent – wurde das Angler Rind auch als „deutsche Butterkuh“ bezeichnet. Die Milch enthält zudem besonders viel Kappa-Kasein-B und eignet sich deshalb besonders gut zur Herstellung von Käse. Kasein ist der Eiweißanteil der Milch, der zu Käse weiterverarbeitet wird. In Italien wurde eigens eine Herde Angler Rinder aufgebaut, um die Milch zu Parmesan zu verarbeiten. Die besondere Güte der Produkte aus der Milch vom Angler ist auch heute wieder gefragt.
Seit den 1960er Jahren wurde durch gezielte Einkreuzungen von Rotvieh aus Skandinavien die gute Milch- und Fleischleistung der Angler Rinder noch gesteigert. Die Rasse wandelte sich dadurch jedoch erheblich, die alte Zuchtrichtung wurde fast völlig verdrängt. Und damit die ursprünglichen Eigenschaften, die die heutigen Hochleistungsrassen nicht mehr haben. Das Angler Rind ist robust, gut zu Fuß und relativ genügsam, was es sogar für unwirtliche und klimatisch extreme Regionen zu einem gefragten Vertreter seiner Art macht. Der Futteraufwand ist im Verhältnis zur Milchleistung günstig, die Kuh bekommt leicht ihre Jungen, bis zu sieben Kälber sind keine Seltenheit, während die hochgezüchteten Artgenossen bei drei bis vier Kälbern an ihre Grenzen stoßen. Das Angler Rind eignet sich durch seine Widerstandsfähigkeit besonders zur extensiven Haltung auf der Weide und hat eine hohe Lebenserwartung – gerne 16 Jahre, für eine Kuh ein biblisches Alter.
Rund 15.000 Angler Rinde gab es im Jahr 2000. Doch der Anteil der reinrassigen Tiere alter Zuchtrichtig im Herdbuch war verschwindend gering. Nur noch 60 traditionelle Angler Rinder waren vermerkt, die übrigen Vertreter waren die nahen Verwandten aus der Hochleistungszucht. Dass die verbliebenen Vertreter der Landrasse mit zehn bis sechzehn Jahren schon relativ betagt waren, kam erschwerend hinzu. Der ehemalige Exportschlager stand kurz vor dem Aussterben, doch die Technisierung der Landwirtschaft, die ihm einst das Leben erschwerte, war in diesem Fall die Rettung: Tiefgefrorenes Erbmaterial von reinrassigen Ahnen der 60er Jahre waren noch ausreichend vorhanden, man konnte die Bestände sichern. Mittlerweile sind die Aussichten für das Angler Rind wieder etwas positiver und das auch, weil es neben bester Milch ausgezeichnetes Fleisch liefert, das Spitzenköche wie qualitätsbewusste Verbraucher gleichermaßen zufriedenstellt. Das wohlschmeckende Fleisch besitzt ein ungewöhnlich gutes Safthaltevermögen bei einem geringen Bindegewebsanteil und gutem Anteil von intramuskulärem Fett. Alles in allem ein absolut delikates Geschmacksvergnügen. Seine lange Geschichte und die Qualität von Milch und Fleisch, sollten dem Angler Rind alter Zuchtrichtung das Überleben sichern.