Jens Mecklenburg

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Schönheit von der Küste

Schwarzbuntes Niederungsrind
26. Februar 2024
Altdeutsches Schwarzbuntes Niederungsrind. © Ingo Wandmacher

Schwarzbunte Rinder sieht man heute fast überall auf der Welt. Sie sind Leistungssportler in Sachen Milchleistung und machen über 80 Prozent des weltweiten Rinderbestandes aus. Ursprünglich wurde das Schwarzbunte Rind in den Nordseemarschen von Ost- und Westfriesland (Niederlande, Norddeutschland, Dänemark) gezüchtet, daher der Name Niederungsrind. Das heute weltweit anzutreffende Schwarzbunte Rind, das Holstein Friesian (HF) wie es im Fachjargon heißt, ist wahrlich keine Seltenheit auf der Weide, aber der ursprüngliche, reinrassige Schlag, der heute als Deutsches Schwarzbuntes Niederungsrind bezeichnet wird. Mit gerade noch 2.000 Exemplaren ist die älteste im Herdbuch geführte deutsche Rinderrasse (seit 1868) in ihrer Existenz gefährdet. Verglichen mit dem Holstein Friesian gibt das Niederungsrind deutlich weniger Milch, hat dafür aber einen höheren Fleischanteil. 

Ab ca. 1830 wurden die Schwarzbunten als typisches Zweitnutzungsrinder auf Milch und Fleisch gezüchtet. Schnell sprach sich die gute Milchleistung und die besondere Fleischqualität des langlebigen, fruchtbaren und wenig krankheitsanfälligen Rindes in allen Landesteilen Deutschlands herum. Es wurde zum Exportschlager.

© Meierei Horst


Wie das Land so die Kuh

Dieser Kuh hatten viele Marschbauern ihren Wohlstand zu verdanken. Deutsche und holländische Auswanderer nahmen ihre Kühe mit in die USA, schlossen sich 1885 zu einem Zuchtverband zusammen und machten die Milchleistung der Kuh zum nun wichtigsten Zuchtziel. Es entstand das Holstein Friesian, das in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts das Schwarzbunte Niederungsrind auch in Deutschland verdrängte. Die „Turbo-Kuh“ setzte neue Maßstäbe in Sachen Milchleistung: sie verdoppelte bis verdreifachte die bis dahin durchschnittliche Leistung von 10 bis 15 Liter Milch pro Kuh und Tag. Die Anzahl der Schwarzbunten Niederungsrinder ging von 1979 bis 1989 von vier Millionen auf wenige Tausend Tiere zurück. Hätte sich nicht eine Handvoll Züchter für den Erhalt der alten Rasse eingesetzt, wäre das einstige friesische Erfolgsrind längst ausgestorben. Es wäre aber äußerst schade um die Traditions-Kuh, denn sie liefert gesunde, gehaltvolle Milch (4,2% Fett, 3,5% Eiweiß) – aus der sich Rohmilchkäse bester Güte herstellen lässt – und gut marmoriertes, schmackhaftes Fleisch. Besonders für den ökologischen Landbau ist sie interessant und auch für die Landschaftspflege ist das traditionelle Niederungsrind gut einsetzbar. Bei den Ökomelkburen in Schleswig-Holstein findet man die Traditionskuh noch. 200 Milchkühe liefern den fünf Bio-Betrieben ihre „Jahreszeitenmilch“. Sie praktizieren sogar „muttergebundene Kälberaufzucht“. Hier schmeckt die Milch noch nach Milch, in jeder Jahreszeit anders. 

Das schwarz-weiß gescheckte, behornte, mittelgroße Rind mit weißem Euter ist wie die Landschaft, in der es einst das Landschaftsbild prägte und seinen Besitzern Wohlstand brachte: fruchtbar, von rauer Schönheit, dem Wetter trotzend, vital und von freundlichem Gemüt. Wir sollten der Kuh dankbar sein. Der Küstenklassiker muss unbedingt erhalten bleiben.

Mehr über die Ökomelkburen: www.deoekomelkburen.de