Jana Lena Muhs

Ökotrophologin & Landwirtin

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Das ganze Tier verwerten

Nachhaltigkeit auf dem Teller
18. Dezember 2019

Vor Kurzem habe ich Erbsensuppe gekocht. Jetzt, wenn es kälter wird, bekomme ich wieder richtig Appetit auf deftige Gerichte. Erbsensuppe ist da, wie ich finde, genau das Richtige. Zugegebenermaßen war es das erste Mal, dass ich sie selbst zubereitet habe. So wie es sich gehört: mit Kleinfleisch und Kasseler gekocht.

Wert von Innereien

Unter „Kleinfleisch“ verstehe ich zum Beispiel Schweinepfoten, -ohren und -schwänze. Das mag für manche unappetitlich klingen, doch in der traditionellen Küche gehören diese Teile selbstverständlich dazu. Das Kleinfleisch lässt die Suppe gelieren und gibt ihr einen kräftigen Geschmack. Der Kasseler gibt ein leckeres Raucharoma ab. Doch Schweineohren und Ähnliches werden nur noch selten in der heimischen Küche verwendet. Es kommt vor, dass sich jemand auf dem Wochenmarkt wundert oder sogar erschrocken darüber ist, dass im Fleischtresen ganz vorne gespaltene Schweinefüße liegen.

Im Supermarkt muss man solche Artikel vorbestellen, nach Innereien fragt man vergebens, denn dort werden nur die Fleischteile angeliefert, die gut verkauft werden. Kleinfleisch und die meisten Innereien gehören hierzulande (im Gegensatz zu beispielsweise in Frankreich oder Asien) nicht mehr dazu. Wer traditionelle Spezialitäten zubereiten möchte, muss sich aktiv auf die Suche nach den richtigen Zutaten begeben.

© Ingo Wandmacher

Ursprung von Lebensmitteln

Geschlachtet werden die meisten Tiere bei uns in großen Schlachthöfen irgendwo in Industriegebieten, weit weg von den Kunden, die das Fleisch am Ende essen. Das ist kein Zufall, denn würden die Leute miterleben, wie die Tiere in Massen abgefertigt werden, würde niemand mehr solches Fleisch essen. Das bleibt jedenfalls zu hoffen. Hier liegt, meiner Meinung nach, ein großes Problem: Der Kontakt zum Ursprung der Lebensmittel ist bei vielen verloren gegangen und damit auch deren Wertschätzung. Als noch viele Haushalte selbst geschlachtet haben, wurde immer das ganze Tier verwertet. Da machte man keinen Unterschied zwischen Kotelett zum Braten, Herz für Gulasch oder Pfoten für die Suppe. Alles hat einen hohen Wert, denn es wurde ein Tier dafür aufgezogen, geschlachtet und verarbeitet. Dabei ist es für mich eine zwingende Voraussetzung, dass ich weiß, das Tier hatte ein gutes Leben. Leider ist das trotz aller Bemühungen, die Transparenz zu erhöhen, oft schwer nachzuvollziehen. Es gibt nur noch wenige Schlachter mit Direktvermarktung. In der Regel liegen zwischen „farm“ und „fork“ viele Stationen in Form von unterschiedlichen Unternehmen.

Nicht nur das lebende Tier, sondern auch das Fleisch, zu dem es nach der stressfreien Schlachtung geworden ist, sollte wertgeschätzt werden. Dazu gehört eine möglichst gute Verwertung aller Teile. Deshalb habe ich Erbsensuppe mit Schweinepfoten, -ohren, -schwanz und Kasseler gekocht, die meinen Appetit nach Deftigem sehr gut gestillt hat. Es lohnt sich eine größere Menge zu kochen und einen Teil einzufrieren für die kalten Tage.

Erbsensuppe. © Jana Lena Muhs

 

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