Ein Beitrag von Christina Witte

Wenn auf dem Bremer Domshof die Tische gedeckt sind, Musik erklingt und das erste Filet auf der Zunge zergeht, dann ist es soweit: Bremen begrüßt die neue Matjessaison. Am 18. Juni wird der Saisonstart mit einem festlichen Gottesdienst, einem Bühnenprogramm und zahlreichen Verkostungsständen gefeiert – ein Highlight für Fischliebhaber und Wochenmarkt-Fans gleichermaßen. Grund genug, einen genaueren Blick auf die Herkunft und Besonderheiten dieser traditionsreichen Delikatesse zu werfen.
Ursprung und Bedeutung
Der Begriff „Matjes“ stammt vom niederländischen Maatjesharing, einer Abwandlung von Maagdenharing – also „Jungfrauenhering“. Gemeint ist damit ein Hering, der vor Erreichen der Geschlechtsreife gefangen wird – typischerweise zwischen Anfang Mai und Ende Juni in norwegischen oder dänischen Fanggebieten. Zu dieser Zeit hat der Fisch einen besonders hohen Fettgehalt, und seine Rogen oder Milch sind noch nicht ausgebildet – beste Voraussetzungen für die Reifung. „Hering wird jedes Jahr aufs Neue ‚jungfräulich‘“, erklärt Rene Gleitze, Fischhändler in dritter Generation und unser Marktpate im Juni. „Beim Matjes handelt es sich also nicht zwangsweise um Jungfisch – sondern hier zählt vielmehr der richtige Fangzeitpunkt.“

Die traditionelle Herstellung
Nach dem Fang wird der Hering noch an Bord der Schiffe in Salzlake eingelegt und beginnt dort zu reifen. Die Reifung erfolgt mithilfe körpereigener Enzyme – insbesondere aus der Bauchspeicheldrüse, die beim Ausnehmen bewusst im Fisch belassen wird. „Der Fisch reift etwa fünf Tage in der Lake“, erklärt Gleitze. „Dadurch wird das Eiweiß noch leichter verdaulich und der Geschmack besonders mild.“ Die Methode stammt aus dem mittelalterlichen Holland und ist bis heute Grundlage für den geschützten „Hollandse Nieuwe“, den original holländischen Matjes. Wobei die Bezeichnung nichts mit der Herkunft des Fisches zu tun hat, sondern vor allem auf den Ursprung der Veredelung hinweist.
Woran man echten Matjes erkennt
Auf dem Markt wird der echte holländische Matjes meist als Doppelfilet mit Schwanzflosse angeboten. Das Fleisch ist hell und zeigt in der Mitte oft eine leicht rötliche Färbung – ein Zeichen dafür, dass der Fisch im Ganzen eingelegt wurde und in körpereigenen Enzymen reifen durfte. „Wenn der Matjes zu salzig, zu fest oder sehr weiß ist, wurde meist industriell nachbehandelt“, so Gleitze. „Echter Matjes ist weich, sanft und hat eine fast buttrige Textur.“

Klassiker und kreative Küche
Traditionell wird Matjes in Norddeutschland mit Pellkartoffeln, grünen Bohnen und Speckstippe serviert. Ebenso beliebt ist die Kombination mit Sauerrahm, Apfel, Dill und Zwiebeln. Moderne Varianten zeigen, wie vielseitig Matjes sein kann – etwa als Tatar mit Roter Bete und Apfel. „Ich empfehle den Leuten aber immer, den Matjes erstmal pur zu probieren“, so Gleitze. „Wer diesen ursprünglichen Geschmack einmal kennengelernt hat, der braucht meist nichts anderes mehr.“

Saisonstart mit Genuss
Am 18. Juni bietet der Wochenmarkt auf dem Domshof die perfekte Gelegenheit, sich selbst ein Bild zu machen. Zahlreiche Stände laden zum Probieren ein, und Fischhändler wie Rene Gleitze geben gerne Tipps zur Zubereitung. „Für mich ist das jedes Jahr ein Höhepunkt“, sagt er. „Das ist wie Spargel oder Erdbeeren – ein echtes Saisonprodukt, auf das man sich lange vorher schon freut.“
Mehr Infos: www.meine-wochenmaerkte.de
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