Frisches Brot schmeckt nicht nur besonders lecker, es verkörpert auch eine wunderbare, alte Tradition. In Zeiten von Backfabriken und Fertigteigmischungen für Brot erinnert man sich gerne an die gute alte Zeit, in der Teig noch von Hand geknetet wurde. In vielen Dörfern ging man sogar gemeinsam einmal in der Woche zum Backhaus, um dort den ganzen Tag lang Laiber aus Sauerteig in den Ofen zu schieben. Heute entwickelt sich ein wahrer Hype und eine neue Leidenschaft um die selbstgebackenen Kunstwerke.
„Das Brot hält den Menschen warm – nicht der Pelz.“
Russisches Sprichwort
Jesus kommt aus Brothausen
Wie weit die Tradition zurück geht, sagt schon die Bibel. „Brothausen“ heißt der Geburtsort von König David und Jesus. So lässt sich Bethlehem aus dem Hebräischen ins Deutsche übersetzen. Das zeigt die große Bedeutung, die Brot zumindest mal innehatte. Es steht für alles, was man im Leben braucht. Brot wurde in aller Regel aus Gerste oder Weizen gebacken, den beiden wichtigsten Getreidearten im alten Israel. Allerdings werden im Alten Testament, wenn von Brot die Rede ist, nur selten Angaben über das verwendete Mehl gemacht. Elisa vollbringt sein Brotwunder mit Erstlingsbroten aus Gerste, und einem Midianiter erscheint im Traum ein rollender Laib Gerstenbrot als Bild für das Schwert. Die Brote zur Einsetzung der Priester sollen dagegen aus feinstem Weizenmehl zubereitet werden. Dass Brot, besonders in Notzeiten, nicht immer allein aus Weizen oder Gerste bestand, zeigt das zeichenhafte Brot, das Ezechiel aus Weizen, Gerste, Bohnen, Linsen, Hirse und Spelt backen soll. Als weitere Zutaten für Brot (bzw. Kuchen, für den es im biblischen Hebräisch kein eigenes Wort gibt) kommen z.B. Öl, Milch oder Rosinen in Frage. Doch zurück in die Gegenwart: Zahlreiche Seminare und Online-Kurse laden ein, das Traditionshandwerk (wieder) kennen zu lernen oder die Fertigkeiten zu vertiefen – dabei geht es um Mehl, Wasser, ein paar Zutaten – aber vor allem der Fähigkeit, sich und dem Teig Zeit zu lassen.
Backen für gute Gefühle
„Die Leute sind müde geworden, Lebensmittel zu bekommen, von den sie nicht wissen, was drin ist“, so Sebastian Marquardt, Journalist, Brotbäcker und Herausgeber des „Brot“-Magazins. Ein Heft zur Know-How-Vermittlung von Hobbybäckern für Hobbybäcker. „Brot selbst zu backen, hat ganz viele Reize. Nach einem Tag am Computer ist es eine schöne Abwechslung, etwas mit den Händen zu machen. Aus so simplen Zutaten wie Wasser, Mehl und Salz so unterschiedliche, aber immer hervorragende Geschmäcker zu erschaffen, ist ein sehr befriedigendes Gefühl. Der Duft von frisch gebackenem Brot verströmt eine unerreichte Gemütlichkeit in der Wohnung. Er ist ja der Grund, warum es in Supermärkten Aufbackstationen gibt: Der Duft suggeriert Heimeligkeit und erzeugt Wohlbefinden. Dabei ist Brotaroma mit mehr als 1.000 verschiedenen Aromastoffen so komplex, dass man es bis heute nicht künstlich erzeugen kann“, so Marquardt.
Brot ist im deutschsprachigen Raum ein absolutes Grundnahrungsmittel. Sein Verbrauch wächst fast in jedem Jahr, während die Zahl der backenden Betriebe ununterbrochen dramatisch zurückgeht. Es wird also immer mehr Brot von immer weniger Betrieben gebacken. Gerade bei einem solchen Nahrungsmittel, bei dem die Qualität von wenigen Zutaten und viel Zeit bei der Zubereitung bestimmt wird, sind Konzentrationsprozesse und Großbetriebe nicht immer hilfreich. Man kann auch sagen, sie haben dem Brot Seele und Geschmack geraubt. Man behilft sich mit technischen und chemischen Zusatzstoffen, um die Produktion schneller sowie billiger zu machen. Das hat den Ruf des Brotes in den letzten Jahrzehnten zurecht stark angegriffen. Das Ergebnis nachlassender Qualität im Brotbereich sind wachsende Unverträglichkeiten, die in den meisten Fällen nichts mit Getreide zu tun haben, sondern mit der Art der Herstellung. In Zukunft wird es beides geben: Brot als industrielle Massenware, geschmacklich nicht auffällig und nur durch Chemie lange haltbar – das ist die eine Seite. Auf der anderen gibt es Brot als handwerklich hergestelltes Nahrungsmittel von höchster Qualität, tollem Aroma und langer Frischhaltung, die auf guten Zutaten und ihrer handwerklichen Nutzung beruht. „Alles dazwischen – vor allem Bäckereiketten, die sich Handwerk nennen, aber industrielle Fertigmischungen verbacken – hat keine Zukunft“, so der Journalist. Er ist der Überzeugung: Backen macht glücklich – Essen selber herzustellen und andere Leute zu bewirtschaften löst nachgewiesenermaßen eine Endorphinreaktion im Körper aus, es steigert das körperliche Wohlbefinden.
Die Landschaft des Brotbackens verändert sich bereits. Die Industrialisierung von Brot schreitet voran. Andererseits entstehen kleine Bäckereien, die eine qualitative Nische bedienen, in der hochwertiges Brot dann aber auch entsprechend teuer bezahlt werden muss.
Mit Herz und Verstand
Bäckermeisterin, Konditorin, Betriebswirtin: Patricia Pitzschel ist vieles, vor allem aber Erfinderin und Herz des „Brotgartens“ in Kiel. Der Mitstreiter Volker Grezelle war nach seinem Studium zunächst als Wirtschaftsingenieur in einem konventionellen Betrieb. Für beide ist Backen mehr als nur ein Handwerk – mit viel Phantasie, einer Prise Intuition und ausschließlich natürlichen Zutaten in Bio-Qualität backen die beiden Geschäftsführer gegen den Albtraum zum Gleichschmecken an. Jedes der Brote passt den beiden für eine kleine Geschichte: Mal ist es die besondere Herkunft, dann wieder ein außergewöhnliches Rezept. Beispielsweise das Kieler Mischbrot: es wurde bei der Bioland-Brotprüfung mit Gold ausgezeichnet. Das Besondere ist seine Mischung: 60 Prozent Roggen und 40 Prozent Dinkel, Natursauerteig, Meersalz und etwas Hefe – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Eigene Läden, Verkaufswagen auf Wochenmärkten und Bio-Läden versorgen die zahlreichen Brotliebhaber der Region.
Selbst ist der Bäcker/die Bäckerin
Inmitten von alledem blüht die Privatbäckerei. In dieser Szene erarbeiten sich Menschen enormes Wissen und große Fertigkeiten. In privaten Küchen entstehen mehr und mehr hervorragende Brote und Brötchen. Es ist der Spaß daran, Lebensmittel selbst herzustellen und zu wissen, was drinsteckt. Andererseits ist es aber auch Notwehr gegen die teilweise furchtbaren Produkte, die unter der Bezeichnung „Brot“ verkauft werden.
Die Szene ist über soziale Medien international vernetzt. Bei Facebook und Instagram werden Rezepte getauscht und Videotutorials gegeben. Eine bekannte Bloggerin ist die Schweizerin Katja Schmid, die „mipano“ betreibt. Die Brotbackplattform ging Anfang August 2018 online. Die Brotrezeptsuchmaschine umfasst über 6300 Rezepte, im mipano Blog-in-Blog sind Brotrezepte von kreativen Hobbybäckern finden. Veranstaltungen wie Backkurse, Online-Sessions sind in der BrotAgenda online und werden direkt von Benutzern erfasst. Das Fazit: Brot ist in aller Munde. Klar ist: Wer hohe Ansprüche ans Brot hat, kommt nicht umhin, sich auch mit seinem wichtigsten Rohstoff auseinander zu setzen. Nur wenn gute Qualität in den Teig kommt, man dem Teig seine Zeit gibt, kann auch gute Qualität aus dem Ofen kommen. Damit unser täglich Brot wieder seinen Wert bekommt.