Johanna Rädecke

Redakteurin

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100 Jahre Museum für Hamburgische Geschichte

30. August 2022

Im Museum für Hamburgische Geschichte steht in diesem Jahr ein besonderer Anlass auf dem Programm: das 100-jährige Jubiläum seiner Eröffnung. Bevor im Zuge der finalen Vorbereitungen für die bauliche Modernisierung sowie für die inhaltliche und gestalterische Neuplanung der Dauerausstellung größere Bereiche des Hauses mit Beginn des Jahres 2023 geschlossen werden, lädt das stadthistorische Museum am Holstenwall mit einer Reihe von Ausstellungen und Veranstaltungen dazu sein, sich noch einmal an der bestehenden Präsentation zur Geschichte der Hansestadt zur erfreuen. Zum Jubiläum wurde eine umfangreiche, aber „leseleichte“ Publikation herausgebracht, in der das Haus in Wort und Bild auf seine facettenreiche Historie zurückblickt.

© SHMH

Im Zentrum der Jubiläumsfeierlichkeiten stehen zwei Sonderausstellungen, die sich aus besonderen Blickwinkeln mit Hamburg und seiner Geschichte auseinandersetzen. Unter dem Titel „Inspiration Geschichte – 100 Positionen zu 100 Jahren“ findet vom 14. September bis zum 20. November 2022 die II. Biennale der angewandten Kunst statt. Die Künstlerinnen und Künstler der Arbeitsgemeinschaft des Kunsthandwerks (AdK) und der GEDOK wählen dazu aus der Dauerausstellung des Museums ein bestimmtes Exponat oder dokumentiertes Ereignis aus, mit dem sie sich intensiv auseinandersetzten, um es in ihrer eigenen Arbeit zu reflektieren. So treffen Geschichte und Gegenwart immer wieder aufeinander und entwickeln überraschende Dialoge.

In der Ausstellung „EINE STADT WIRD BUNT“, die ab 2. November zu sehen sein wird, beleuchten die Kuratoren und Graffiti-Künstler Oliver Nebel, Frank Petering, Mirko Reisser und Andreas Timm die „Hamburg Graffiti History“ im Zeitraum von 1980 bis 1999. Als die gesprühten Bilder, Schriftzüge und Zeichen Anfang der 1980er Jahren ihren Weg aus den Metropolen der USA nach Europa fanden, entwickelte sich an der Elbe schnell eine wachsende Szene, die bis heute tiefe Wurzeln in der Hamburger Stadt- und Kulturlandschaft hinterlassen hat. Aufgeteilt in historisch relevante Themenkomplexe werden in der Ausstellung neben Skizzen, Blackbooks und Originaldokumenten, auch Filmmaterial, Interviews, Magazine und Bücher sowie typische Mode-Artikel aus der damaligen Zeit präsentiert. Durch eine zusätzliche, großformatige Rauminstallation soll ein authentischer und emotionaler Einblick in das Leben der Protagonisten und die damalige Szene vermittelt werden. Begleitet wird die Ausstellung von einer multimedialen Web-App, die die Ausstellung als partizipative Plattform digital erweitern und die Präsentation im Museum mit realen Orten im Stadtraum verbinden soll.

Die Historie

Das Museum für Hamburgische Geschichte ist eines der vier Haupthäuser der Stiftung Historische Museen Hamburg (SHMH) und gehört zu den größten stadthistorischen Museen Europas. Im Mittelpunkt der aktuellen Dauerausstellung steht die Hamburger Stadtgeschichte, die einen Bogen vom Jahr 800 bis in die Gegenwart spannt. Die in weit mehr als einem Jahrhundert ständig gewachsene Sammlung umfasst ca. 530.000 kulturgeschichtliche Objekte, darunter Grafiken, Gemälde, topografische Modelle, Möbel, Textilien und Münzen. Die wichtigsten Themenbereiche des Museums bilden die Wirtschafts-, Technik-, Sozial- und Kulturgeschichte sowie das jüdische Leben in Hamburg.

© SHMH

Schon vor knapp 200 Jahren bemühten sich Bewohner der Stadt, wertvolle Zeugnisse ihrer Geschichte für die Zukunft zu sichern. So wurde der 1839 gegründete Verein für Hamburgische Geschichte zur Keimzelle einer Sammlung, in der man architektonische Details von wertvollen Häusern, die beim Großen Brand von 1842 zerstört oder in späterer Zeit abgerissen wurden, ebenso aufbewahrt wie Bilder, Kunstwerke, Dokumente und Alltagsgegenstände. Seit 1849 waren diese Bestände als halbstaatliche Sammlung Hamburgischer Altertümer im Keller des Johanneums untergebracht. Die Gründung eines eigen stadthistorischen Museums wurde bereits ab 1884 von Hamburger Persönlichkeiten wie Hans Speckter oder Alfred Lichtwark gefordert. 1906 beschloss der Senat dann die Gründung eines Museums für Hamburgische Geschichte und berief 1908 Otto Lauffer zum ersten Direktor, der das Haus bis 1946 leitete. Sein Nachfolger Walter Hävernick prägte mit einer chronologischen statt thematischen Ordnung der Sammlung und einer Neuausrichtung auf die Wirtschafts- und Verkehrsgeschichte Hamburgs das Gesicht des Museums in der Nachkriegszeit. 1976 wurde Jörgen Bracker zum Direktor berufen und hatte dieses Amt bis 2001 inne. Ihm folgte als Direktorin Gisela Jaacks, die seit 1971 im Haus gearbeitet hatte. Von 2008 bis 2015 stand das Museum unter der wissenschaftlichen Leitung von Lisa Kosok, die vorher das Museum der Arbeit geleitet hatte. Nach Hans-Jörg Czech, der das Museum von 2016 bis 2019 leitete, und heute als Vorstand und Direktor der Stiftung Historische Museen Hamburg tätig ist, wurde zum 1. November 2020 Bettina Probst zur Direktorin des Museums berufen.

Seit 1985 wird das Museum vom Verein der Freunde des Museums für Hamburgische Geschichte e. V. unterstützt. Seiner Initiative verdankt es unter anderem die Vollglas-überdachung des Innenhofs, der hierdurch als attraktive Veranstaltungsfläche für Eröffnungen, Konzerte und Kinoabende genutzt werden kann.

Das Gebäude

Auf einem unweit des Millerntors in den ehemaligen Wallanlagen gelegenen Areal errichtete Hamburgs Oberbaudirektor Fritz Schumacher von 1913 bis 1922 eines der großartigsten Museumsgebäude des frühen 20. Jahrhunderts. Da Schumacher Details historischer Bauwerke – sogenannte Spolien –in das Tageslichtmuseum integrierte, ist allein schon das Gebäude selbst ein Denkmal der Hamburgischen Geschichte. Unter anderem konnte das 1604/05 von Georg Baumann geschaffene Südportal der im Hamburger Brand 1842 zerstörten Hauptkirche St. Petri in den großen Innenhof versetzt werden, der heute von einer beein-druckenden Glasdachkonstruktion überspannt wird. Am Ort des Museums befand sich die im 17. Jahrhundert vom Festungsbaumeister Valckenburgh errichtete Bastion Henricus als Teil der barocken Hamburger Wallanlagen. Nach dem Schleifen der Wallanlagen wurde im tieferliegenden Gelände um die Bastionen der Park Planten und Blomen errichtet.

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Schumacher schuf bereits 1909 die ersten Entwürfe für das neu zu errichtende Museumsgebäude. 1913 begannen die Bauarbeiten, die jedoch 1916 inmitten des Ersten Weltkriegs unterbrochen wurden. Nach der Wiederaufnahme der Bauarbeiten nach dem Ende des Krieges konnte das Museum dann im Jahr 1922 eröffnet werden. Eine Besonderheit des Gebäudes sind die in der Fassade, im Außengelände wie auch innerhalb der Ausstellungsräume aufgenommenen Spolien – Architekturfragmente ehemaliger Bürger- und Staatsbauten. Die Bauteile zählen zum ersten Sammlungsbestand des Hauses und wurden vor allem im 19. Jahrhundert nach großen städtebaulichen Einschnitten, wie dem Großen Brand von 1842, dem Bau der Speicherstadt ab 1883 oder dem Abbruch der Gängeviertel, gerettet. Im Zweiten Weltkrieg wurden Teile des Gebäudes in mehreren Luftangriffen zerstört, ein Großteil der Sammlungen konnte jedoch rechtzeitig ausgelagert werden. 1946 wurde das Haus als letztes Hamburger Museum nach dem Krieg wieder eröffnet. Seit 1976 steht das Gebäude unter Denkmalschutz. 1989 konnte der L-förmige Innenhof des Gebäudes dank des Engagements des Vereins der Freunde des Museums für Hamburgische Geschichte mit einem beeindruckenden Glasdach versehen werden, dessen Konstruktion vom Architektenbüro Gerkan, Marg und Partner (gmp) entworfen wurde. Der atmosphärisch einmalige Innenhof des Museums kann nach einer im Sommer 2018 abgeschlossenen Sanierung des Glasdachs für verschiedene Veranstaltungsformate genutzt werden.

Die Zukunft

In den kommenden Jahren wird das Museum für Hamburgische Geschichte nach mehrjähriger Vorbereitung baulich und inhaltlich umfassend modernisiert. Bereits 2015 wurden dafür 18 Millionen Euro an Bundesmitteln und weitere 18 Millionen Euro von der Freien und Hansestadt Hamburg zur Verfügung gestellt.

Das von 1913 bis 1918 nach Plänen des Architekten Fritz Schuhmacher errichtete und 1922 unter dem Gründungsdirektor Dr. Otto Lauffer eröffnete Museum steht seit 1976 unter Denkmalschutz. Die Gründung war Ausdruck eines starken bürgerschaftlichen Engagements in der Hansestadt und ging auf die Sammlung Hamburgischer Altertümer des 1839 gegründeten Vereins für Hamburgische Geschichte zurück, der den Bau und die Einrichtung des Museums anregte und den Grundstein für die umfangreiche, heute mit rund 530.000 Objekten zu beziffernde Sammlung legte.

Nach nunmehr 100 Jahren sind die infrastrukturellen Einrichtungen und Zugänge des Museums nicht mehr mit den Anforderungen an ein modernes und barrierefreies Haus vereinbar. Aus diesem Grund, wird in den kommenden Jahren eine umfassende Sanierung und Modernisierung durchgeführt. Ziele der Maßnahmen sind eine deutliche Verbesserung der Aufenthaltsqualität und ganz besonders die Vermittlung von Offenheit und Transparenz sowie das Bekenntnis zu Vielfalt und Teilhabe an Themen, die die Hamburger Stadtgesellschaft bewegen.

Beginnend im ersten Obergeschoss wird die Dauerausstellung künftig eine Fläche von mehr als 5.000 Quadratmetern einnehmen. Ein chronologisch-thematischer Rundgang soll mit ausgewählten Schwerpunkten der Hamburger Stadtgeschichte und Stadtentwicklung einen Bogen vom Mittelalter bis zur Gegenwart spannen. Des Weiteren soll die Etablierung von verschiedenen Erzählsträngen, die sich durch die Geschichte hindurchziehen, eine wichtige Rolle spielen. Dazu gehören z.B. die Geschichte des jüdischen Lebens in Hamburg, die Geschichte des Kolonialismus, aber auch die der Musik, der Medien- und Meinungsvielfalt oder des Vergnügens in der Stadt. Im zweiten Obergeschoss werden ausgewählte Themen und Akteure im Vordergrund stehen, die zur Identität der Hansestadt und ihrer diversen Stadtgesellschaft beigetragen haben bzw. noch beitragen. Hier geht es weniger um die

Geschichte(n) in Form einer chronologischen Entwicklung und Erzählung mitsamt unterschiedlicher Positionen und Perspektiven, sondern vielmehr um gesellschaftliche Bezüge in Geschichte und Gegenwart und nicht zuletzt um Horizonte in der nahen Zukunft. Im dritten Obergeschoss sollen schließlich die bei Jung und Alt beliebte Modelleisenbahn und die Verkehrsgeschichte eine neue Heimat im Museum finden. Infos

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