Jens Mecklenburg

Herausgeber & Autor

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Worte! Worte! Keine Taten – immer Geist und keine Braten!

Essen mit Heinrich Heine
19. März 2023

Heinrich Heine erblickte am 13. Dezember 1797 in Düsseldorf als Sohn eines jüdischen Textilkaufmanns das Licht der Welt. Er wuchs in einer liberalen, weltoffenen Umgebung auf. Seiner Familie zuliebe versuchte Heine sich zunächst als Kaufmann. Doch er hatte fürs Geschäftliche kein Talent, sein Hamburger Geschäft ging pleite. In dieser Zeit geistiger Entbehrung entstand jedoch eine Küchen-Eloge und auch in späteren Texten kommt Heines Vorliebe für gutes Essen und Trinken immer wieder zur Sprache:


Der Hamburger ist, was er isst

Der Tisch war gedeckt. Hier fand ich
die altgermanische Küche.
Sei mir gegrüßt, mein Sauerkraut,
holdselig sind deine Gerüche.
Gestovte Kastanien im grünen Kohl,
so aß ich einst bei Mutter!
Ihr heimischen Stockfische, seid mir gegrüßt,
wie schwimmt ihr klug in der Butter.
Jedwedem fühlenden Herzen bleibt
das Vaterland ewig teuer.
Ich liebe auch recht braun geschmort die Bücklinge und Eier.
Wie jauchzen die Würste in spritzendem Fett!
Die Krammetsvögel, die frommen
Englein mit Apfelmus,

die zwitschern mir: „Willkommen!“


Umstürzlerische Absichten

Nach den Hamburger Kaufmannsjahren studierte Heine bekanntlich Jura in Bonn, Göttingen und Berlin. 1824 unternahm er eine vierwöchige Wanderung durch den Harz, die er literarisch verarbeitete. „Die Harzreise“ erschien nach langem Hin und Her schließlich 1826 im ersten Band der „Reisebilder“, der in ganz Deutschland reißenden Absatz fand und Heines literarischer Durchbruch war. Gleich zu Beginn verhöhnt er seinen Studienort, als er meint, Göttingen sei „berühmt durch seine Würste und Universität“. Die brillante Mischung aus genauer Beobachtung, kritischer Reflexion und Ironie schlug ein wie der Blitz. Er prägte damit einen Stil der von nachfolgenden Schriftstellern und Journalisten aufgenommen wurde.

Heinrich Heine, gemalt von Isidor Popper

Sein „Buch der Lieder“ (1827) wurde zu einer der erfolgreichsten Gedichtsammlungen und machte Heine in ganz Europa bekannt. Noch zu seinen Lebzeiten wurde es dreizehnmal neu aufgelegt.

In den „Reisebildern“ finden sich genüssliche Beschreibungen von Tafelfreuden, in der Italienreise zum Beispiel der Bericht von einem kleinen, einfachen Wirtshaus, in dem er zu Mittag speist. Angelockt vom Bratenduft, trifft er die Wirtin und ihre Tochter singend beim Hühnerrupfen an: „Erstere war remarkabel korpulent; Brüste, die sich überreichlich hervorbäumten, die jedoch noch immer klein waren im Vergleich mit dem kolossalen Hintergestell.“ Die blauen Augen der Tochter vergleicht er mit „in Milch gekochten Veilchen“. Folgendes Menü lässt sich Heine schmecken:

„Zuppa mit Parmesankäse, einen Braten derb und fest wie deutsche Treue, Krebse rot wie Liebe, grünen Spinat wie Hoffnung mit Eiern und zum Dessert gestovte Zwiebeln, die mir Tränen der Rührung aus den Augen lockten.“

Die Zuppa alla Pavese ist ein Klassiker der lombardischen Küche. Die Fleischbrühe wird mit gerösteten Brotscheiben, Eiern und Parmesan aufgetragen. Der Legende nach hatte eine lombardische Bäuerin die Brühe zum ersten Mal für den König von Frankreich gekocht, als er 1525 von Kaiser Karl V. bei Pavia geschlagen und gefangen genommen wurde.

1831 übersiedelt Heine nach Paris und arbeitet dort als Korrespondent der „Augsburger Allgemeinen Zeitung“. 1834 lernt er seine spätere Frau Mathilde, eine Schuhverkäuferin, kennen. Ein Jahr später verbietet der Deutsche Bundesrat seine Bücher, weil er darin umstürzlerische Absichten wittert.

Die französische Regierung ist dagegen liberaler und setzt ihm sogar eine Staatspension aus. Die französische Küche hat es Heine angetan, dazu gehört auch das tägliche Austernfrühstück:

Ich danke dem Schöpfer in der Höh,
Der durch sein großes „Werde“
Die Auster geschaffen in der See
Und den Weinstock auf der Erde;
Der auch Zitronen wachsen ließ,
Die Austern zu betauen.
Nun laß mich, Vater in der Nacht
Das Essen gut verdauen!

Zuckererbsen für alle, das ist Heines Symbol für eine gerechtere Welt.

Wärmt dem Menschen die Gedärme

Aus seinem Exil berichtet Heine nach Deutschland über das französische Kultur- und Geistesleben. Die Franzosen macht er mit deutscher Philosophie und Literatur bekannt. 1844 besucht er Deutschland zum letzten Mal. In „Deutschland ein Wintermärchen“ hat er diese letzte Reise literarisch verarbeitet.

Wir wollen auf Erden glücklich sein,
Und wollen nicht mehr darben;
Verschlemmen soll nicht der faule Bauch,
Was fleißige Hände erwarben.
Es wächst hiernieden Brot genug
Für alle Menschenkinder,
Auch Rosen und Myrten, Schönheit und Lust,
Und Zuckererbsen nicht minder.

Aus: Deutschland ein Wintermärchen

Zuckererbsen für alle, das ist sein Symbol für eine gerechtere Welt. Sein Wunsch ist bis heute unerfüllt geblieben. Auch Heines Reim „Worte! Worte! Keine Taten – immer Geist und keine Braten!“ hat bei genauerer Betrachtung nichts an Aktualität verloren.

1848, im Jahr der Revolution, die er mit glühendem Herzen verfolgt, erkrankt Heine in Paris an einem schweren Rückenmarksleiden, das ihn für die letzten Jahre seines Lebens ans Bett fesselt, seine „Matratzengruft“. Am 17. Februar 1856 stirbt er in seinem Haus in der Avenue Malignon 3. Er wird auf dem Friedhof von Montmartre beigesetzt. Seine letzten Gedanken sind ein Lobpreis der elementaren, sinnlichen Freuden des Lebens.


Epilog

Unser Grab erwärmt der Ruhm.
Torenworte! Narrentum!
Eine bessre Wärme gibt
Eine Kuhmagd, die verliebt
Uns mit dicken Lippen küßt
Und beträchtlich riecht nach Mist.
Gleichfalls eine bessre Wärme
Wärmt dem Menschen die Gedärme,
Wenn er Glühwein trinkt und Punsch
Oder Grog nach Herzenswunsch
In den niedrigsten Spelunken,
Unter Dieben und Halunken,
Die dem Galgen sind entlaufen,
Aber leben, atmen, schnaufen,
Und beneidenswerter sind,
Als der Thetis großes Kind –
Der Pelide sprach mit Recht:
Leben wie der ärmste Knecht
In der Oberwelt ist besser,
Als am stygischen Gewässer
Schattenführer sein, ein Heros,
Den besungen selbst Homeros.

Portrait von Heinrich Heine (1797-1856) gemalt von M.D. Oppenheim