Jens Mecklenburg

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Wie ein Deutscher Weihnachten in Irland revolutionierte

Dekoration zu den Festtagen brachte ein deutscher Einwanderer auf die grüne Insel
14. November 2024
© Tourism Ireland

Mit Tausenden Lichtern in den gepflasterten Straßen und Gassen macht das Ausgehviertel Temple Bar Irlands Hauptstadt Dublin Jahr für Jahr zu den fotogensten Orten für einen weihnachtlichen Städtetrip. Die ohnehin schon bunten Häuserfassaden erstrahlen ab Einbruch der Dunkelheit in besonderem Glanz, in den gemütlichen, holzgetäfelten Innenräumen wandern neben Guinness und Whiskey auch Glühwein und Irish Coffee über die Theke und neben irischen Traditionals gehören auch Weihnachts-Klassiker wie der Pogues-Hit „Fairytale of New York“ ins musikalische Repertoire eines stimmungsvollen Abends. 

Eine Geschichte, die hinter den vielen Lichtern und Ornamenten in der Regel verborgen bleibt: Der Mann, der den Weihnachtsschmuck in Irland maßgeblich geprägt hat, stammte ursprünglich aus Deutschland. Sein Name: Samuel Salomon Stavenhagen, sein Geburtsort: das damals eigenständige Städtchen Altstrelitz, auf halber Strecke zwischen Berlin und Stralsund. Wie und warum es den 1809 geborenen jungen Mann 1845 ausgerechnet nach Dublin zog, ist einigermaßen umstritten, bekannt ist, dass er sich hier kurz nach seiner Ankunft zunächst einen Namen als „Snuff Maker“ – Tabakhändler – machte, trotz der schwierigen Lage auf der Insel in Zeiten der großen Hungersnot.

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Nur wenige Jahre später entschied Stavenhagen, wohl auf Anraten einiger Geschäftspartner, sein bisheriges Geschäft aufzugeben und sich stattdessen auf den Verkauf von Kinderspielzeug zu konzentrieren: Und so reiste er Anfang der 1850er, auf der Suche nach neuen Waren, in seine deutsche Heimat. Hier kam er erstmals im thüringisch-fränkischen Grenzstädtchen Lauscha mit den gläsernen, damals brandneu mit Silbernitrat behandelten Weihnachtskugeln in Berührung, die ihn sofort faszinierten. Die Folge: Stavenhagen kaufte direkt etliche der Kugeln ein, setzte zurück in Dublin eine Annonce in die Zeitung und brachte „die neuesten Luxusgüter aus Frankreich und Deutschland“ alsbald auch in Irlands Hauptstadt an die Leute. Und zwar laut historischen Quellen zum kleinen und alljährlich unveränderten Preis von einem Penny, sodass sich auch die ärmsten Familien in Dublin Weihnachtsschmuck leisten konnten.    

Stavenhagen starb im Jahr 1889 in Dublin und ist auf dem ältesten jüdischen Friedhof der Insel begraben. Der Ballybough Cemetary im Stadtteil Fairview gehört zu den unbekanntesten historischen Orten der Stadt, was auch daran liegt, dass das Gelände, auf dem noch gut 150 Grabsteine an die jüdische Stadtbevölkerung im 18. und 19. Jahrhundert erinnern, seit Jahrzehnten für die Öffentlichkeit geschlossen ist. Vor einigen Jahren übernahm die Stadtverwaltung von Dublin allerdings die Zuständigkeit für den historischen Ort und hat eine umfassende Renovierung angekündigt, nach der der Friedhof wieder zugänglich gemacht werden soll. Von außen ist hier schon heute das prominente, aber verfallen wirkende Friedhofsportal zu sehen, was mit der wunderlichen Aufschrift „Gebaut im Jahre 5618“ die Aufmerksamkeit von Passantinnen und Passanten auf sich zieht. Tatsächlich stammt das Gebäude aus dem Jahr 1857, was in hebräischer Zeitrechnung dem Jahr 5618 entspricht.

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Tipps am Rand zwischen Nord und Süd

Die Zahl der Weihnachtsmärkte und -festivals vergrößert sich auch in Irland jedes Jahr und zu den besten Weihnachtsmärkten zählen neben den größten der Insel in Dublin, Belfast, Cork und Galway auch kleinere Festivals, etwa in Carrick-on-Shannon, Westport oder dem Nationalpark-Städtchen Killarney. Um zu erleben, wie sich Stavenhagens Importschlager aus Deutschland bis heute weiterentwickelt hat, können Irland-Reisende neben den bunt geschmückten Städten auch etliche Lichterfestivals ansteuern. Eins der bekanntesten von ihnen ist im Süden der Insel das Waterford Winterval, das alljährlich von Mitte November bis kurz vor Weihnachten Irlands älteste Stadt zum Leuchten bringt. Bunter Hingucker in Irlands Hauptstadt ist das Festival Dublin Winter Lights mit seiner auffälligen Lichtkunst an etlichen Bauwerken und Fassaden. Raus in die Natur geht’s dagegen beim Festival Land of Light auf dem Gelände des Belvedere House, Gardens and Park etwas außerhalb von Mullingar im County Westmeath. Neu in diesem Jahr ist das Lichter- und Weihnachtsfestival Christmas at Bunratty im Bunratty Castle and Folk Park in der Grafschaft Clare. In Nordirland findet im County Down erstmals das Lichterspektakel The Northern Light at Slieve Donard statt.

Hintergrund In Irland wird Weihnachten, wie im englischsprachigen Raum üblich, am 25. Dezember gefeiert. Zu den wichtigsten irischen Weihnachtstraditionen zählen kulinarische Klassiker wie Spiced Beef, Sodabread mit Früchten oder heißer Whiskey, symbolträchtige Dekorationen wie Mistelzweige oder Kränze aus Stechpalme, oder die legendären Weihnachtsschwimmen an Atlantik und Irish Sea. Die Vorweihnachtszeit wird traditionell zu Beginn des Advents eingeläutet. Viele Weihnachtsdekorationen, darunter auch die ikonisch beleuchtete Fassade der Temple Bar, bleiben aber noch bis Mitte Januar hängen.

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