Jochen Strehler

Koch und Gastronomiekritiker

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Wie bei Tante Emma

Genussvolle Hafenküche
4. Juni 2020

Erstveröffentlicht am 5. Dezember 2019

Die HAFENKÜCHE, so die Übersetzung des plattdeutschen „HOBENKÖÖK“ liegt im Hamburger Oberhafen. Dieser befindet sich, für Ortsunkundige vielleicht ganz hilfreich, nur wenige Meter hinter den berühmten Deichtorhallen. In diesen beiden imposanten Gebäuden sorgt Museums-Chef Dirk Luckow für höchst anspruchsvollen, frischen und abwechslungsreichen Kultur-Genuss.

Wer neben seinem so kulturell erfrischten Geist nun auch dem Körper etwas Gutes tun will, muss nur 300 Meter über die alte Eisenbrücke gehen (es gibt auch reichlich Parkplätze dort) und findet seit August 2018 in einer ausgedienten Halle des alten Güterbahnhofs einen geeigneten Ort dafür.

© Gerrit Meier



Restaurant in Markthalle

Was Thomas Sampl, in und um Hamburg bekannter Koch zum Beispiel sieben Jahre als Küchenchef im VLEET, hier mit seinen Kompagnons zusammen auf die Beine gestellt hat, ist in Berlin und anderen Metropolen als Konzept bereits bekannt, für Hamburg hingegen ist es neu:

Ein Restaurant ineiner Markthalle, sich selber auch versorgend mit Produkten aus eben dieser.

Mittig eine offene zentrale Küche, hier wuseln stetig sechs bis sieben Köche in ihrem stahlglänzenden Reich. Um diese Küche herum sind tagtäglich an drei Seiten frisch sortierte Regale und Kühltresen gruppiert mit ausgesuchten und fast ausschließlich regionalen Ursprungs aus Norddeutschland. Einige tolle Olivenöle und Weine bilden eine Ausnahme, welche die Regel nur bestätigt.

Obst und Gemüse kommen aus dem Alten Land, Fleisch und Wurst aus den besten Hanseatischen Manufakturen, Fisch und anderes Meeresgetier kommt von „Feinheimischen“ Händlern wie Alfred Urthel aus Friedrichskoog oder Fischer Reese aus Plön mit seinem Süßwasser-Sortiment. Spannender Knabberkram, hochwertige Öle und Mehle, Konfitüren, handgemachte Eintöpfe und auch Milchprodukte runden das Angebot ab. Man schlendert wie durch einen etwas groß geratenen Tante-Emma-Laden und kann den normalen Supermarkt-Besuch komplett vermeiden, wenn man möchte.

© Gerrit Meier


Brotzeit

Die vierte Seite der Küche öffnet sich der großen Fläche, auf welcher die lässigen Holztische des Restaurants stehen. Auch eine große Terrasse ist der Halle vorgeschaltet, der Blick auf alte Lagerhallen inspiriert, die Skyline Hamburgs im Hintergrund erinnert, dass man sich gar nicht weit weg des Zentrums befindet, die Mönckebergstraße ist nicht mal einen Kilometer entfernt.

Auf große Schiefertafeln gemalt das zweimal täglich wechselnde Angebot, eine kleine gedruckte Standartkarte rundet das Angebot ab. Frisch gepresste Säfte aus quasi „direkt dem Regal entnommenen“ Früchten, knackige Salate, der deftige, aber trotzdem feine „Ein-Topf“ erfreut das Herz aller Freunde von natürlicher Kochkunst. Der „Ein-Topf“ wechselt ständig, wir genossen „Mutter Sampls Hühnersuppe“, ein tiefer Teller voll intensiven, knackigen Geschmacks. Wieso Hühnersuppe nicht nur in Asien wie Medizin eingesetzt wird, ist nach einem solchen Teller wieder klarer.

Mittags ist das Angebot etwas kleiner als am Abend, aber für kleines Geld wird man hier immer eine spannende Mittagspause verbringen können, auch eine klassische „Brotzeit“ ergibt hier endlich wieder Sinn.



Genussvoller Zeitgeist

© Gerrit Meier

In den Abendstunden drücken die Damen und Herren in der Küche noch etwas mehr aufs Gaspedal, da wird dann auch Wild aus nahen Forsten zartrosa gebraten, die Goldforelle im Ganzen geschmurgelt oder der Nordsee-Kabeljau mit dem wunderbaren „SENF-P.A.U.L.I.“ vermählt. Zu allen diesen Hauptgängen gibt es, man erinnert sich wohlig an gute alte Landhaus-Zeiten, immer die gleichen Beilagen, in großen Schalen mittig für alle auf den Tisch gestellt. Wunderbare Kartoffeln der Sorte „Allians“, in Buttermilch gegart und eine auch optisch überzeugende Schale bunten Gemüses, wie wir es lange nicht mehr genießen durften.

Der Bismarckhering von „Rasmus“ aus Stralsund mit Quark & Leinöl war ebenso zart wie geschmackvoll, der Salat von der Ochsenzunge weich und knackig zugleich, hier fehlte ausnahmsweise nur ein klein wenig Salz und Säure zur Perfektion. Eine Art Roggen-Flammkuchen, hier „Obenbrood“ genannt, bekommt in kreativen Versionen viel Zuspruch im Oberhafen.

Man sitzt gemütlich hier, die sieben Meter hohen Decken mildern das Gemurmel der vielen, fast immer gut gefüllten Nebentische. Der industrielle Charme der Riesenhalle mit offen liegenden Lüftungskanälen wird von vielen Kerzen und sanfter Beleuchtung wärmstens ergänzt.

Man sollte auch nach wenigen Wochen der Eröffnung bereits lieber reservieren, hier ist gut „wat los“ in der Markthalle. Die Hobenköök hat sich herumgesprochen und trifft anscheinend den Zeitgeist auf den Punkt.

Übrigens kann man die Kochkünste von Thomas Sampl und seinem Team auch daheim oder in seiner Firma genießen, Sampl ist ein in der Hansestadt bekannter Catering-Koch und führt dies selbstverständlich auch von hier aus fort. Ein guter Ort für regionalen, naturnahen Genuss.

© Hobenköök

HOBENKÖÖK

Stockmeyerstraße 43
20457 Hamburg
Te. 040-228 65 538

info@hobenkoeoek.de
www.hobenkoeoek.de

Offen:

Markthalle: Mo bis Sa 10 – 20 Uhr
Restaurant: Mo bis Fr 11.30 – 22, Sa 10 – 22 Uhr
So geschlossen

 

© Gerrit Meier