Bangen bei der Spargelernte – wer sticht die Stangen? Polizei räumt Ferieninsel. Weinkellner sollen die Weinberge pflegen. Der aktuelle Überblick in Sachen Corona.
Spargel & Corona
Der Blick in die Spargeldämme ist vielversprechend, der auf den Personalmarkt könnte besser ausfallen. Denn aus Angst vor Ansteckung haben bereits erste Spargelstecher aus den Nachbarländern ihre saisonalen Engagements abgesagt. Andere wiederum kämpfen mit eingeschränkten Transportmöglichkeiten, Reiseformalitäten und Grenzschließungen. Um die diesjährige Spargelernte dennoch sicherzustellen, organisieren die Erzeuger-Betriebe und Genossenschaften wo immer möglich derzeit in Eigenregie Busse und Personentransporte, die die dringend benötigten Arbeitskräfte an der Grenze abholen. Dabei arbeiten alle Landwirtschaftsverbände und Bundesministerien gemeinsam an Lösungen, um die gesamte Obst- und Gemüse-Ernte 2020 mit in- und ausländischen Saisonarbeitskräften einzuholen. Denn auch in Zeiten von Corona soll das Edelgemüse nicht auf den Feldern verderben, sondern seinen Weg auf die Teller der Spargel-Liebhaber finden. Im Norden soll es Anfang April mit der Ernte losgehen. Soweit sich ausreichend Spargelstecher finden.
Polizei kontrolliert Norderney
Bei der Räumung der ostfriesischen Insel Norderney unterstützen seit Sonntag Beamte vom Festland die Inselpolizei. 26 Polizisten trafen am Morgen mit der Fähre auf der Insel ein. Alle Urlaubsgäste müssen den Landkreis Aurich und seine Inseln Norderney, Juist und Baltrum wegen der Corona-Pandemie spätestens am Sonntag verlassen – drei Tage früher als zunächst geplant. Die schnelleren Rückreisen seien nötig, um die Bevölkerung zu schützen, hieß es in der entsprechenden Allgemeinverfügung des Landkreises.
Am Montag werden die Polizisten auf Norderney dann verstärkt kontrollieren, wie eine Sprecherin der Polizeiinspektion Aurich/Wittmund am Sonntag sagte. „Falls sich dann noch Gäste auf der Insel aufhalten, werden Strafverfahren eingeleitet.“ Die Urlauber würden dann kostenpflichtig von der Insel verwiesen.
Norderneys Bürgermeister Frank Ulrichs hofft, dass es so weit nicht kommen wird. Ein Großteil der Besucher habe bereits die Insel verlassen, sagte er am Samstag.
Veränderungen im Lebensmittelmarkt
Nachfrage-Einbruch bei der Gastronomie, deutlich mehr Lieferungen an Supermärkte: Auf dem deutschen Lebensmittelmarkt führt die Coronakrise zu Verschiebungen. Es zeichne sich ab, dass die Pandemie und damit verbundene Einschränkungen für Gesellschaft und Gesamtwirtschaft erhebliche Auswirkungen auf die Agrarmärkte haben, heißt es in einer am Freitag vorgelegten Analyse des Bauernverbands. Zu sehen seien zunächst kurzfristige Schocks durch unterbrochene oder verzögerte Handelsbeziehungen. Absatzkanäle müssten umgelenkt werden.
So sei etwa die Nachfrage nach Milch, Sahne, Quark, Joghurt, Butter und Schnittkäse im Lebensmittelhandel stark vom Corona-Geschehen beeinflusst. Vor allem lagerfähige Produkte seien gefragt. Dadurch würden Nachfragerückgänge bei Hotels und Gaststätten teils mehr als kompensiert. Für viele Molkereien sei diese Verlagerung aber eine logistische Herausforderung. Eine sehr starke Nachfrage gebe es auch nach Frischfleisch und Verarbeitungsfleisch für die Wurstindustrie. Irgendwann würden die Vorräte in den Haushalten aber aufgefüllt sein. Auf absehbare Zeit werde eine deutliche Veränderung der Warenströme – mit deutlichen Rückgange beim Außer-Haus-Verkehr in Restaurants und Systemgastronomie und einem deutlichen Nachfrage-Plus der privaten Haushalte über den Lebensmitteleinzelhandel zu verzeichnen sein.
Seite an Seite im Weinberg
Kaum eine Branche trifft die aktuelle Situation so hart, wie die Hotellerie und Gastronomie. Durch die Schließung von Restaurants und Bars haben viele Restaurantfachleute nun Kapazitäten frei. Bei vielen Weingütern hingegen werden in den kommenden Monaten perspektivisch zahlreiche Hände gebraucht. Ähnlich wie bei den Spargelbauern werden auch die Winzer durch die geschlossenen Grenzen nicht auf ihre landwirtschaftlichen Kräfte aus Osteuropa zugreifen können.
Was liegt näher, als Sommeliers und Weingüter zusammen zu bringen – für einen Sommelier ist es großartig dazu beizutragen, Weine zu erzeugen. Und für die Winzer ist es ein schöner Schulterschluss mit ihren Gastronomiepartnern.
„Als Sommelier lernst Du nie aus. Im stressigen Arbeitsalltag nimmst Du Dir aber einfach nicht immer die Zeit, um Dich tiefer in bestimmte Themen einzuarbeiten. Eine Art Praktikum beim Winzer ist zum Beispiel Gold wert. Aber im Alltag machen es nur die wenigsten“, stellt Peer F. Holm, Präsident der Sommelier Union Deutschland, fest. „Wenn wir dieser verrückten Situation, so existenzbedrohend sie auch für viele von uns ist, also nur eine positive Sache abringen können, dann ist es die gewonnene Zeit. Zeit, die jeder für sich nutzen sollte. Und wenn man mit seiner Arbeitskraft einem Winzer helfen und für sich noch etwas lernen kann, dann haben wir doch zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen!“
„Auch für uns Winzer sind dies schwere Zeiten. Es ist völlig unabsehbar, wie stark unser Absatz tatsächlich getroffen wird. Jedes geschlossene Restaurant tut uns natürlich doppelt weh: Zum einen für die liebgewonnenen Kollegen, zum anderen für unseren eigenen Vertrieb“, sagt Steffen Christmann, Präsident des VDP.
„Doch gerade in der Landwirtschaft muss alles seinen gewohnten Gang gehen, um die Ernte nicht zu gefährden. Die Weinberge müssen weiter bewirtschaftet werden. Für uns wäre es ein riesiges Glück, wenn wir die Arbeiten für den nächsten Jahrgang in unseren Weinbergen mit den hoch geschätzten Kollegen aus der Gastronomie gemeinsam anpacken könnten. Seite an Seite im Weinberg – mit dem aktuell gebührenden Abstand versteht sich!
Die Aktion wird seitens der Sommelier-Union zentral von Peer F. Holm gesteuert. Jeder Sommelier, Gastronom oder Händler, der Lust hat mitzuhelfen, kann sich direkt an peer.holm(at)sommelier-union.de wenden.
Pleitewelle
Flugzeuge bleiben am Boden, die Bänder in der Autoindustrie stehen still, Hotel verwaisen, Selbstständigen brechen die Aufträge weg. Die Corona-Krise trifft die deutsche Wirtschaft hart. Die Bundes- und Landesregierungen versuchen sich derzeit mit Milliardenpaketen gegen den Wirtschaftseinbruch zu stemmen. Dennoch rechnen viele Expertinnen und Experten damit, dass Deutschland in einen Abschwung hineintrudelt.
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag warnt vor einer „Pleitewelle unvorstellbaren Ausmaßes.“ DIHK-Präsident Eric Schweitzer sagte, die betroffenen Firmen bräuchten ganz schnell Liquidität. „Wir müssen daher im Interesse aller vermeiden, jetzt hunderttausende eigentlich kerngesunde Unternehmen für immer zu verlieren.“
Die anderen nicht vergessen
Die Welthungerhilfe hat angesichts des sich ausbreitenden Coronavirus vor drastischen Folgen für Afrika und andere Entwicklungsländer gewarnt. „Es ist davon auszugehen, dass wir in den nächsten Wochen und Monaten dort viele Tote beklagen müssen“, sagte die Präsidentin der Welthungerhilfe, Marlehn Thieme, der „Neuen Osnabrücker Zeitung“.
„Damit werden auch Existenzen vernichtet, und die Armut könnte nicht zuletzt wegen der verheerenden wirtschaftlichen Folgen der Pandemie dort weiter ansteigen“, sagte Thieme. Das Virus werde sich vor allem dort verheerend auswirken, wo es ein schlechtes oder kaum funktionierendes Gesundheitssystem gebe.