Wir essen zu viel Fleisch. Etwa 60 Kilogramm isst jeder Deutsche im Jahr. Zum Wohle von Gesundheit, Umwelt, Klima und Tierwohl sollten es nur gut die Hälfte sein. Was unser Fleischkonsum für Folgen hat und wie wir dazu kommen, erklärt Katrin Wenz, Agrarexpertin beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), im Gespräch mit Nordische Esskultur.
Frau Wenz, warum essen wir eigentlich so viel Fleisch?
K.W.: Fleisch ist ganz tief als Lebensmittel in unserer Gesellschaft verankert. Vor allem in der Nachkriegszeit aufgrund der Hungerkrise im zweiten Weltkrieg wurde die Landwirtschaft sehr stark intensiviert. Und seitdem wurde die Tierhaltung immer weiter ausgebaut. Wir sind davon weggekommen, das ganze Tier zu essen hin zu dem Konsumverhalten, dass wir nur noch zu ganz bestimmten Stücken greifen und der Fleischkonsum wurde immer kostengünstiger über die Jahrzehnte, sodass wir einfach massiv zu Fleisch greifen können, ohne dass es sich massiv finanziell zu Buche schlägt.
Wie kommen wir denn zu weniger Fleischkonsum?
Um unsere Umwelt effektiv zu schützen und den Klimawandel einzudämmen, müssen wir den Fleischkonsum auf etwa die Hälfte reduzieren, das ist im Übrigen auch das, was die Deutsche Gesellschaft für Ernährung uns empfiehlt für eine gesunde, ausgeglichene Ernährung. Und diesen Fleischkonsum können wir nur reduzieren, wenn der Staat hier auch aktiv wird. Wir stehen aber im Moment vor der Herausforderung, dass der Staat ernährungspolitisch eigentlich gar keine Instrumente hat. Es gibt keine Maßnahmen, um den Fleischkonsum zu reduzieren.
Was sollte die Politik denn aus Ihrer Sicht tun?
Die Umweltverbände und auch die Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten fordern ja schon sehr lange eine massive Reduktion des Fleischkonsums. Die Menschen essen auch zunehmend weniger Fleisch, aber ein Reduktionsziel wie es die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt, wird nicht einfach von selber kommen. Der Staat muss die Aufgabe wahrnehmen, ernährungspolitisch hier das Verhalten der Menschen mitzugestalten. Das heißt, das muss nicht über Zwänge funktionieren, sondern eine Ernährungsumgebung zu schaffen, die es ermöglicht, auch vegetarisch sich zu ernähren, beispielsweise eine andere Platzierung in Mensen und eine andere Preisgestaltung, denn momentan haben tierische Produkte einen vergünstigten Mehrwertsteuersatz. Und hier werden einfach die falschen Instrumente angesetzt.
Wer Fleisch im Supermarkt kauft, weiß oft gar nicht, wie die Tiere gehalten wurden. Kann das staatliche Tierwohlkennzeichen von Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner Orientierung geben?
Die staatliche Tierwohlkennzeichnung ist noch nicht auf dem Markt. Also, Frau Klöckner hat hier eigentlich eine Chance verpasst, denn sie hat solange gehadert. Sie hat das staatliche Tierwohlkennzeichen ja praktisch schon von ihrem Vorgänger übernommen und trotzdem hat sie es weiter verschleppt, sodass Discounter vorangegangen sind und ihre eigene Kennzeichnung auf den Markt gebracht haben. Sie haben darauf reagiert, dass Verbraucher wissen wollen, wie die Tiere gehalten werden, die sie essen.“
Gibt es denn eine Art Masterplan für eine bessere Tierhaltung?
Im letzten Jahr gab es eigentlich einen sehr konkreten Umbauplan, wie die Tierhaltung in Zukunft aussehen könnte. Also mit ganz konkreten Vorschlägen, die Umweltverbände, Tierschutzverbände oder andere zivilgesellschaftliche Organisationen, beispielsweise die Verbraucherzentrale, aber auch der Bauernverband und andere landwirtschaftliche Organisationen gemeinsam ausgearbeitet haben. Dieser Plan wurde von der Bundesregierung bislang ignoriert. Und in diesem Plan haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch vorgeschlagen, den Umbau der Tierhaltung über eine Fleischabgabe zu finanzieren. Also sie haben vorgeschlagen, Fleisch teurer zu machen und mit diesen Mehreinnahmen, den Umbau der Tierhaltung, der die Gesellschaft viel Geld kosten wird, zu finanzieren. Aus meiner Sicht ist das ein sehr guter Fahrplan. Und Frau Klöckner ist jetzt wirklich gefordert, diesen Umbauplan, den die sogenannte Borchert-Kommission gemeinsam entwickelt hat, auch umzusetzen.
Welche Maßnahmen wären aus Ihrer Sicht noch sinnvoll?
Ganz wichtig ist, dass wir in Zukunft weniger Tiere halten. Dass wir in Deutschland auch nur so viele Tiere halten und essen, wie wir auf den Flächen ernähren können. Dass wir aufhören, Futtermittel aus den Ländern des globalen Südens zu importieren und den Landfußabdruck verringern. Das heißt, die Fläche eindämmen, die wir für unseren Konsum tierischer Lebensmittel brauchen. Für die, die sich nicht so richtig etwas darunter vorstellen können: Das bedeutet, dass wir pro Hektar Land zwei Rinder halten können. Das würde für einige Regionen Deutschlands eigentlich gar keine Veränderung bedeuten, in anderen Landkreisen, wo wir momentan sehr viele Tiere halten, müssten wir Tiere abstocken.