Werner Brockmann

Weinakademiker & Weinfachhändler

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Was sind PIWI-Rebsorten?

Brockmanns Weinschule – Teil 18
22. November 2019

Immer häufiger tauchen auf den Etiketten von Weinflaschen neue Rebsorten wie Solaris, Johanniter oder Regent und Cabernet Cortis auf. Das sind sogenannte Piwi-Rebsorten oder pilzwiderstandsfähige Rebsorten. Was hat es damit auf sich? 

© DWI

Einfuhr von Reblaus und Mehltau aus Amerika 

Mitte des 19. Jahrhunderts wurde mit der Einfuhr amerikanischer Reben nicht nur die Reblaus, sondern gleichzeitig auch der Mehltau mit nach Europa gebracht. Gegen die Reblaus und den Mehltau waren die amerikanischen Spezies immun, die europäischen Reben aus der Gattung Vitis Vinifera jedoch nicht. Nachdem die Reblaus große Flächen im 19. Jahrhundert vernichtet hat, fand man eine Lösung, um die Reblaus aufzuhalten. Mit dem Einsatz von amerikanischen Hybridreben als Unterlage, auf welche die europäischen Reben aufgepfropft wurden, konnte die Reblaus den Weinbergen nichts mehr anhaben. Gegen den Mehltau musste seitdem aber konsequent und kontinuierlich gespritzt werden.  



Klassische Bekämpfung von Mehltau 

Die Bekämpfung von Mehltau erfolgt konventionell mit Fungiziden, bei denen der Winzer abhängig von Region und Wetter zwischen 5 – 15-mal pro Jahr spritzen muss. Bio-Winzer nutzen bei echtem Mehltau vorwiegend Schwefel oder auch Molkepulver, beim falschen Mehltau hilft nur Kupfer. Ob Kupfer als Schwermetall als biologisches Hilfsmittel der Stein der Weisen ist, steht auf einem anderen Blatt Papier. 



Züchtung neuer resistenter Rebsorten 

Durch die Kreuzung von amerikanischen und europäischen Reben versucht man seit geraumer Zeit den Mehltau in Griff zu bekommen. Erste Erfolge mit neuen Reben waren sehr positiv, jedoch ging dies auf Kosten des Geschmacks, weil häufig der Anteil amerikanischer Reben zu groß gewesen ist. Inzwischen besitzen viele Neuzüchtungen bereits einen Anteil von 90% europäischer Reben und verkörpern den gewünschten und bekannten Geschmack. Dies ist vor allem wichtig für den Konsumenten, der die Weine ja trinken soll aber auch, um als Qualitätswein offiziell anerkannt zu werden. 

Der Einsatz von Fungiziden kann durch die Nutzung der Piwi-Rebsorten deutlich verringert werden, jedoch kann nicht vollständig darauf verzichtet werden. Natürlich ist langfristig auch die Gefahr vorhanden, dass sich neue Pilze durch Mutationen herausbilden, die auch die neuen widerstandsfähigen Reben befallen. 

Neu angelegter Weinberg. © DWI



Wo werden Piwi-Rebsorten eingesetzt? 

Vorangetrieben wird der Anbau dieser Rebsorten vor allem von biologisch arbeitenden Winzern wie z.B. das Weingut Forster an der Nahe oder einer der Biopioniere in Baden, dem Weingut Zähringer. Ebenso interessant ist der Einsatz in neuen Breitengraden, in denen bisher kein Weinbau stattgefunden hat und die Klimaverhältnisse eher feucht und kühl sind. Bestes Beispiel hierfür ist Schleswig-Holstein. Die Winzer im nördlichsten Bundesland arbeiten zum größten Teil mit Piwi-Rebsorten, wie Solaris, Regent oder Cabernet Cortis. Nur so ist ein einigermaßen sicherer Weinbau im Norden trotz Klimawandels möglich. 



Welche neuen Rebsorten gibt es?

Solaris– Weiße Rebsorte, die körperreiche und intensiv fruchtbetonte Weine hervorbringt, die aber auch über ausreichend Säure verfügen. Selbst in kühlen Regionen können Alkoholwerte von 14% und mehr erreicht werden. Solaris ist eine Züchtung, die u.a. auf Merzling und Muscat Ottonel zurückgeht. Die Rebsorte wird auch in Schleswig-Holstein von Balthasar Ress auf Sylt und vom Ingenhof in Malkwitz eingesetzt.


Cabernet Blanc– Die Rebsorte erinnert vom Geschmack an Sauvignon Blanc mit Aromen von Stachelbeere und etwas Paprika. Auch sie tendiert leicht dazu, etwas höhere Alkoholwerte auszubilden. Sehr widerstandsfähig gegen Mehltau und mit ihrer dicken Schale ergeben sich sehr strukturierte und extraktreiche Weine.  


Johanniter– Eine der bereits sehr früh eingesetzten Rebsorten, die bereits in den 60er Jahren gezüchtet wurden. Im Erbgut sind neben Riesling und Grauburgunder auch Gutedel alias Chasselas und die weitgehend unbekannte Seyve-Villard enthalten. Der Geschmack erinnert an Riesling und Grauburgunder und ist sehr fruchtbetont und aromatisch, aber mit etwas weniger Säure als Riesling ausgestattet.


Muscaris– Sehr aromatisch kommt Muscaris daher, die besonders in Österreich gerade viele Liebhaber gewinnt. Gezüchtet aus den aromatischen Rebsorten Merzling, Muskat-Ottonel und Gelber Muskateller ist die Herkunft der dominanten Aromatik nicht zu leugnen.  


Regent– Ähnlich Johanniter ist Regent im Rotweinbereich eine der ersten Piwi-Rebsorten, die sich kommerziell und geschmacklich durchgesetzt haben. Interessant ist, dass die Rebsorte sowohl weiße als auch rote Rebsorten als Erbgut besitzt. Sie liefert farbintensive und kraftvolle Rotweine, die oft ins halbtrockene tendieren. Mit über 2000 ha Anbaufläche hat sich diese Rebsorte am besten durchgesetzt und gehört zum festen Bestandteil des deutschen Rebsortenspiegels.


Cabernet Cortis– Widerstandsfähig gegen Botrytis als auch falschen Mehltau wurde sie aus Cabernet Sauvignon und Solaris gezüchtet. Damit wurden auch hier weiße und rote Rebsorten als Eltern eingesetzt. Die Weine sind meist tiefdunkel in der Farbe, tannin- und extraktreich und ähneln im Geschmack und der Struktur einem Cabernet Sauvignon mit seinen Cassisaromen. 


Rösler– Die Rebsorte ist vor allem in Österreich bekannt, da zu den Eltern u.a. Zweigelt und Blaufränkisch gehören. Dementsprechend tief in der Farbe gibt sich Rösler im Glas. Eine Rebsorte, die sich immer mehr durchzusetzen scheint und gut geeignet ist für den Ausbau im Holz. Die Weine besitzen eine kräftige Struktur und haben immer ein gutes Säuregerüst. Besonders als Cuvée-Partner zu Zweigelt eine gute Wahl.


Rathay– Die Rebsorte ähnelt etwas dem Rösler und hat als Elternteil neben Blaufränkisch die regionale Rebsorte Blauburger. Vor allem für Österreich interessant ist, dass die Rebe frostresistent bis -25 Grad ist. Seit 2000 ist sie in Österreich als Qualitätsweinsorte zugelassen. 

© DWI


Zukunft der Piwi-Rebsorten

Entscheidend wird sein, wie sich der Konsument an die neuen Rebsorten gewöhnt und bereit ist, diese zu akzeptieren. Mit Regent ist ein Vorreiter bereits auf dem besten Wege „hoffähig“ zu werden und sich nachhaltig durchzusetzen. Wenn der Geschmack die breite Masse trifft und sich weitere Winzer trauen, in diese unbekannten Rebsorten zu investieren, dann ist langfristig der Weg frei um neue Rebsorten zu etablieren. Meist werden die Piwi-Rebsorten noch als Cuvée angeboten, denn der deutsche Konsument tut sich mit allem was neu ist schwer. Am liebsten hat er sowieso reinsortige Weine, was aber über die Qualität des Weines erstmal nichts aussagt. Insofern wird noch einiges an Öffentlichkeitsarbeit zu leisten sein, damit sich diese Rebsorten endgültig durchsetzen. Werden die Züchtungen jedoch kontinuierlich noch besser, wovon auszugehen ist, und damit die Vorteile für den Winzer und die Umwelt größer, werden vermutlich auch vermehrt diese Rebsorten angebaut. Einfach mal ausprobieren.

Werner Brockmann, Weinvertikale

 

Weinvertikale Werner Brockmann

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