Werner Brockmann

Weinakademiker & Weinfachhändler

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Geliebt oder gehasst: Riesling

Kolumne Brockmanns Weinschule
26. Juli 2021

Man liebt oder hasst ihn. Der deutsche Wein ist seit vielen Jahren im Aufschwung und mit ihm der Riesling oder soll man besser sagen: Der Riesling ist im Aufschwung und mit ihm der deutsche Wein? Unser Kolumnist ermuntert die Skeptiker: Keine Angst vor Riesling.

Rieslingtraube. © DWI

Der deutsche Wein ist seit etlichen Jahren im Aufschwung und mit ihm der Riesling oder soll man lieber sagen, der Riesling ist im Aufschwung und mit ihm der deutsche Wein? Die Wahrheit liegt vermutlich wie so häufig in der Mitte.

Eine junge Generation von gut ausgebildeten Winzern übernimmt sukzessive das Zepter im deutschen Weinbau. Damit verbunden ein Qualitätsschub, den wir seit Anfang des Jahrtausends beobachten. Nachdem angefangen in den 70er Jahren bis in die 90er Jahre des letzten Jahrhunderts der Markt mit billiger Massenware und klebrigen restsüßen Weinen überzogen wurde und der Ruf des deutschen Weins weltweit gelitten hat, wird inzwischen vermehrt auf reduzierte Erträge Wert gelegt, die Basis von gutem Wein. Riesling nimmt mit ca. 24.000 ha etwa ein Viertel der gesamten deutschen Rebfläche in Anspruch. Gleichzeitig entspricht dies knapp der Hälfte der weltweiten Rieslingproduktion. Deutschland ist Riesling-Land.


Vor 100  Jahren war deutscher Riesling der teuerste Wein der Welt 

Geht man ein Jahrhundert zurück und schaut sich alte Weinkarten an, so stellt man fest, dass das Standing des deutschen Rieslings in der Welt ein Aushängeschild war. Inzwischen sind wir auf dem besten Wege, wieder daran anzuknüpfen. Für die Weine der deutschen Top-Winzer allen voran Egon Müller von der Saar, Klaus-Peter Keller aus Rheinhessen oder Markus Molitor von der Mosel werden inzwischen wieder ähnliche Preise aufgerufen wie im Bordeaux oder Burgund. Für die Spitzen-Trockenbeerenauslesen, kurz TBA, vom Scharzhofberg (Egon Müller) werden zum Teil bis zu 10.000 Euro die Flasche bezahlt. Aber es sind nicht nur die Trockenbeerenauslesen, sondern auch die Großen Gewächse, kurz GG, als Spitze der deutschen Qualitätspyramide, die in der Breite über die letzten Jahre deutlich angezogen haben, nicht nur im Preis sondern vor allem in der Qualität.


Was macht Riesling so einzigartig? 

Riesling hat sehr viele Facetten. Man kann ihn als unbekümmerten leichten fruchtigen Sommerwein auf der Terrasse genießen, als komplexen trockenen Speisenbegleiter mit einem Lagenwein einsetzen und als Dessertwein in Form einer Auslese oder eines Eisweins kredenzen.

Riesling kann wie kaum eine andere Rebsorte mit einem Säure-Süße-Spiel aufwarten, dass diese Rebsorte so faszinierend macht. Ein gutes Säuregerüst, vor dem viele Weintrinker oft zu Unrecht Angst haben, verträgt eine feine Restsüße auf der anderen Seite. Dadurch wird die Säure wunderbar eingebunden und der Wein harmonisch rund, animierend und auch bekömmlicher.

Die Rebsorte wächst vor allem in kühlen Breitengraden und hat eine lange Vegetationsperiode, sodass sie oft erst im späten Oktober gelesen wird. Dies macht sie für solche Weinanbaugebiete wie Deutschland oder die nördliche USA sehr interessant. Hochwertige Weine profitieren von ihrem einzigartigen Terroir, worunter nicht nur der Boden, sondern seine gesamte Umgebung inklusive Klima und die Arbeit des Winzers zu verstehen sind. Riesling kann wie keine andere Rebsorte feinste Unterschiede mit einem einzigartigen Geschmack ausdrücken. Riesling ist eine Rebsorte, die mit ihrer Feinheit und Eleganz spielt. Dazu kann sie aufgrund ihres Säuregerüstes besonders gut altern. In Kombination mit einer kräftigen Restsüße können die Weine über 100 Jahre lagern. Selbst hochwertige trockene Weine haben gegen einige Jahrzehnte Kellerbesichtigung nichts einzuwenden.


Welche Aromen zaubert Riesling ins Glas?

Frische, junge und leichte Rieslinge zeigen eine intensive Aromatik von weißem Steinobst wie Pfirsich und Aprikose sowie Zitrusfrüchten. Kräftigere Varianten aus wärmeren Gebieten zeigen eher eine exotische Fruchtaromatik mit schmelziger Struktur. Im gereiften Zustand gesellt sich neben getrockneten Früchten und nussigen Aromen gerne ein typischer Petrolton hinzu. Für unerfahrene Rieslingtrinker etwas ungewöhnlich, wenn man sich aber an diesen Ton gewöhnt hat, will man ihn irgendwann nicht mehr missen, einzigartig und typisch für Riesling.

© DWI

Die Rebsorte Riesling hat eine solch intensive Aromatik und feine Eleganz, dass es meist wenig Sinn macht, sie als Cuvée auszubauen. Ihren ganzen Charakter bringt sie reinsortig zum Vorschein.
Dabei sollten die Aromen nicht von einem kräftigen Holzton überlagert werden. Die meisten Rieslinge werden entweder im Edelstahl oder im großen alten Fuderfass mit 1800 Litern und mehr ausgebaut.


Wo wird Riesling angebaut und welcher Stil ist für diese Region typisch? 

Deutschland – Mosel, Rheingau, Rheinhessen, Pfalz & Nahe

Die größten deutschen Anbaugebiete für Riesling sind die Pfalz, Mosel und Rheinhessen. Allerdings dürfen wir das Rheingau, wo 80% der Rebflächen mit Riesling bestockt sind, sowie die Nahe nicht vergessen, wo einige der besten Rieslinge Deutschlands herkommen.

Die Mosel ist neben dem Rheingau die Hochburg schlechthin für Riesling. Ihr einzigartiges Terroir mit den Steilhängen und den sich schnell erwärmenden Schieferböden geben den Weinen eine Mineralität und Vielschichtigkeit mit, die unnachahmlich ist. Der Weinstil wird geprägt durch eine feine Eleganz und Finesse im Gegensatz zu den etwas kräftigeren Pendants im Rheingau, die von der Wärme der Region profitieren. In beiden Regionen sind die Auslesen bis hin zum Eiswein Spezialitäten. Der Einfluss durch Rhein und Mosel mit Frühnebel im Herbst sorgt für spannende edelsüße Weine.  

Die Pfalz steht für kräftige aber trockene Rieslinge mit klaren, reintönigen Aromen. Das Klima der Region wird durch den Schutz der Bergrücken mit der Mittelhaardt im Zentrum beeinflusst. Warm, trocken fast mediterran wirkt das Klima wie für den Weintourismus gemacht.  

Rheinhessen war lange Zeit für seine mittelmäßigen und minderwertigen Weinqualitäten bekannt. Aber hier hat sich vieles wie oben angedeutet geändert. Sowohl im hügeligen Hinterland auf Muschelkalkböden als auch an der Rheinfront mit dem Roten Hang als „Aushängeschild“ entstehen heute teils Rieslinge mit Weltformat.

Die Nahe steht aufgrund seiner ungeheuren Bodenvielfalt für Abwechslung im Weinstil, wobei die Rebsorte Riesling mit über einem Viertel der Anbaufläche die klare Nummer 1 ist. Diverse Bodentypen von Quarzit über Rotschiefer und Kies bis hin zu Buntsandstein, Löss, Lehm und vulkanischen Böden bestimmen die Region.

© DWI

Österreich – Wachau, Kremstal, Kamptal & Wagram 

Die berühmtesten Rieslinge aus Österreich stammen aus den Steillagen am Donauufer der Wachau. Trocken, konzentriert und aromatisch und abhängig vom Terroir mehr oder weniger schmelzig. Die benachbarten Anbauregionen Kremstal und Kamptal haben besondere Einzellagen, die hochwertige und langlebige Weine hervorbringen. Teilweise wird in Österreich noch der Name Rheinriesling als Unterscheidung zum Welschriesling verwendet.
 

Frankreich – Elsass 

Das Elsass ist die einzige Region in Frankreich, in der der Riesling offiziell zugelassen ist. Seine Stilistik ist aufgrund der Wärme und Trockenheit im Schatten der Vogesen kräftiger und fruchtintensiver. Besondere Aufmerksamkeit verdienen die restsüßen  Varianten mit den Bezeichnungen „Vendages Tardives“ und „Selections de Grains Nobles“.

USA – Washington, New York, Kalifornien 

In den USA haben sich in den letzten beiden Jahrzehnten interessante Entwicklungen beim Rieslinganbau aufgetan. Qualitativ überzeugen vor allem die Weine aus Washington und Oregon an der Westküste, wo in den höheren Lagen ein ähnlich kühles Klima herrscht wie in Deutschland. Weiter südlich in Kalifornien wird vorwiegend Riesling in restsüßer Form ausgebaut, wobei ambitionierte Winzer in höheren Lagen wie Santa Barbara auch gute trockene Versionen auf den Markt bringen. Im Staate New York auf der Ostseite sind die Finger Lakes für guten Riesling bekannt. 

Australien – Claire Valley, Eden Valley 

Im Land Down Under wächst Riesling auf immerhin gut 4.000 ha Rebfläche. Die bekanntesten Anbaugebiete sind das Eden Valley und Clare Valley, wo die Weine in der Kühle der Höhe gedeihen und weniger alkoholreiche Tropfen als beispielsweise das Elsass hervorbringen.


Riesling entdecken mit der Vertikalweinprobe

Eine sehr gute Vorstellung von Riesling erhalten Sie, wenn Sie den gleichen Wein aus verschiedenen Jahrgängen miteinander vergleichen, also eine Vertikal-Weinprobe durchführen. Auf der einen Seite wird sich im Geschmack und der Struktur des Weines das unterschiedliche Wetter widerspiegeln. Auf der anderen Seite zeigt sich der Reifeprozess, der im Laufe der Zeit die primären fruchtigen Aromen durch die sogenannten tertiären Aromen wie z.B. getrocknete Früchte, Nüsse und Petrolnoten verdrängt.

Im gut sortierten Fachhandel finden Sie häufig noch unterschiedliche Jahrgänge und können diese dann gegeneinander vergleichen. Probieren Sie es aus und lassen sich überraschen!

Werner Brockmann, Weinvertikale

 

Weinvertikale Werner Brockmann

www.weinvertikale.de